Am I OK?

Für die 32-jährige Lucy (Dakota Johnson) bricht eine Welt zusammen, als sie erfährt, dass ihre beste Freundin Jane (Sonoya Mizuno) der Arbeit wegen von Los Angeles nach London ziehen wird. Bislang waren die beiden unzertrennlich gewesen, als Zwillinge werden sie manchmal beschrieben. Lucy versucht dennoch, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und geht mit Jane und deren Freund Danny (Jermaine Fowler) aus zum Feiern. Im angetrunkenen Zustand stellt sie dabei fest, dass sie vielleicht doch mehr für Frauen als für Männer empfindet. Jane ermuntert sie daraufhin, diesen Gefühlen nachzugehen. Wie wäre es zum Beispiel mit Brittany (Kiersey Clemons), einer Kollegin von Lucy, mit der sie sich gut versteht? Doch der neue Lebensabschnitt gestaltet sich schwierig, worunter auch die Freundschaft der beiden leidet …

Eine Freundschaft in der Krise

Manchmal dauert es ein wenig länger. Eigentlich ist Am I OK? schon etwas älter, die Tragikomödie feierte Anfang 2022 beim Sundance Film Festival Premiere. Da darf man sich schon wundern, wieso sie im Anschluss so in der Versenkung verschwinden konnte. In den USA wurde sie Anfang Juni beim Streamingdienst HBO Max ins Programm aufgenommen. Hierzulande, wo es diesen Dienst nicht gibt, dauerte es zwar noch einen Monat mehr. Dafür kommt der Film aber auch in die Kinos, wo ihn aber vermutlich kaum jemand sehen wird. Der eigene Verleih tut so, als gäbe es ihn gar nicht, machte keinerlei Pressearbeit. Das lässt prinzipiell Übles erwarten. Und doch ist das Ergebnis deutlich besser, als man es befürchten musste. Tatsächlich handelt es sich sogar um einen richtig schönen Geheimtipp.

Im Mittelpunkt desselben stehen zwei Frauen, die seit vielen Jahren beste Freundinnen sind und vieles miteinander geteilt haben. Doch nun gerät diese Freundschaft ins Wanken, wofür es zwei konkrete Auslöser gibt. Der eine ist der geplante Umzug von Jane nach England, was ein riesiges Loch im Leben von Lucy hinterlässt. Der eine ist eine stärker innerliche Erschütterung, wenn sich Lucy auf einmal mit Gefühlen auseinandersetzen muss, von denen sie gar nicht wusste, dass sie sie hat. Dabei ist Am I OK? kein Coming-out-Drama, bei dem große Hindernisse überwunden werden müssen. Ihr Umfeld reagiert verständnisvoll, vor allem Jane versucht ihr, durch diese neue Phase zu helfen. Da ist niemand, der ihr Steine in den Weg legt oder sich homophob äußert. Selbst Ben (Whitmer Thomas), der seit Längerem versucht, eine Beziehung zu ihr aufzubauen, reagiert bei aller Enttäuschung positiv.

Positiv und aufmunternd

Insgesamt ist der Film dann auch freundlich, mit einer sehr positiven Grundeinstellung. Nicht nur die Protagonistin, auch das Publikum wird dazu ermuntert, in sich hineinzuhorchen und vielleicht auch etwas auszuprobieren. Am I OK? ist dabei nicht explizit eine Geschichte über Homosexualität. Vielmehr geht es ganz grundsätzlich um das Thema der Selbstsuche, geht es um zwischenmenschliche Beziehungen und Lebensentwürfe. Wer bin ich? Was will ich mit meinem Leben anfangen? Woher weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin? Das sind prinzipiell alles Themen, die man eher bei Coming-of-Age-Filmen erwartet. Mit Anfang 30 ist Lucy dafür eigentlich zu alt, was ihr auch schwer zu schaffen macht.

Und doch dürfte Am I OK? gerade dadurch vielen aus den Herzen sprechen, die selbst im Erwachsenenalter nicht sicher sind, wo sie eigentlich hingehören. Hier betrifft das nicht nur die Protagonistin, auch die anderen schlingern auf die eine oder andere Weise, am Ende ist vieles nicht so fix, wie sie das vielleicht gedacht haben. Definitive Antworten gibt es hier dann auch nicht, selbst wenn zum Schluss eine Art Happy End erzwungen wird. Denn dieses ist eigentlich eher fragwürdig. Dafür gibt es tolle Darbietungen des Ensembles, mit zahlreichen schönen Szenen, die zwischen rührend und amüsant schwanken und bei all den Schwierigkeiten, die sich unterwegs ergeben, auch Trost spenden können.