Schulisch läuft es bei Mina (Liv Elvira Kippersund Larsson). Ihre Noten sind gut, Mathe hat es ihr angetan. Ansonsten ist das 12-jährige Mädchen recht zurückhaltend, abgesehen von ihrem besten Freund Markus (Sturla Harbitz) hat sie nicht viele Kontakte. Ihr Leben wird eines Tages völlig auf den Kopf gestellt, als E. D. Win (Viljar Knutsen Bjaadal) auftaucht, der nicht älter ist als sie, aber als Hip-Hop-Tänzer bereits ein Star. Wie die anderen in ihrer Schule himmelt sie ihn an, will ihm irgendwie nahekommen. Da trifft es sich doch gut, dass ein Tanz-Casting stattfindet. Erfahrungen damit hat Mina nicht, mit Sport hatte es das mollige Mädchen bislang nicht so. Doch zu ihrem Glück ist da noch ihre Oma (Anne Marit Jacobsen), die früher selbst Tänzerin war und ihr mit Rat und Tat zur Seite steht …
Tanzen zur Selbstfindung
Natürlich ist Tanzen eine sportliche Tätigkeit, mit der man sich fit halten kann. Aber es kann noch deutlich mehr sein, Ausdruck einer Persönlichkeit und ein Mittel, sich in dieser Welt selbst zu finden. Nicht ohne Grund hat es in den letzten Jahren zahlreiche Filme gegeben, die sich um tanzende Kinder und Jugendliche drehen. Neneh Superstar oder Breaking Point – Make It or Break It etwa, um zwei aktuellere Beispiele zu nennen, handelten maßgeblich von einer schwierigen Selbstfindung und verbanden dies mit dem Tanzen. Mit Dancing Queen kommt nun ein weiteres Werk in unsere Kinos, das auf eine Kombination von typischen Coming-of-Age-Elementen und dem Versuch setzt, sich durch Bewegung auszudrücken und eine Position zu bestimmen.
Wobei der norwegische Film das Tanzen zunächst zumindest als bloßes Mittel zum Zweck nutzt. Eigentlich interessiert sich Mina gar nicht so sehr für das Tanzen an sich. Sie interessiert sich vielmehr für den umschwärmten Tänzer. Dass die beiden aus unterschiedlichen Welten kommen, ist klar: Eine mollige Außenseiterin mit starken Nerd-Tendenzen und ein selbstverliebter Teeniestar, das passt nicht. Das Publikum weiß bei Dancing Queen sehr genau, dass aus den beiden nichts wird und Markus der Richtige ist für die Protagonistin. Aber wie das so ist, wenn man in jemanden verliebt ist, das Rationale hat erst einmal Pause. Manches muss man erst einmal selbst lernen, wenn nötig auf eine schmerzhafte Weise.
Umwerfend gespielt, aber mit vielen Klischees
Für einigermaßen erfahrene Zuschauer und Zuschauerinnen halten sich die Erkenntnisgewinne arg in Grenzen. Tatsächlich klappert der Film so ziemlich jede Konvention und jedes Klischee ab, das einen bei diesem Thema einfallen könnte. Dazu gehört beispielsweise, dass die völlig unerfahrene Mina „überraschend“ beim Casting weiterkommt. Auch eine späte dramatische Zuspitzung ist fast schon zynisch berechnend. Etwas besser sieht es bei dem Punkt Generalüberholung aus, wenn die Protagonistin versucht, sich anderen anzupassen. Dancing Queen spricht hier beispielsweise Schönheitsnormen an, denen Mina mit ihrem Übergewicht nun einmal nicht entspricht. Allerdings wird das hier nur kurz abgehandelt, kann es nicht mit Living Large aufnehmen, einem weiteren Film um eine junge Hauptfigur, die nicht länger dick sein will.
Inhaltlich ist das norwegische Familiendrama, das auf der Berlinale 2023 Weltpremiere hatte, daher sicher nicht der ganz große Wurf. Die Absicht ist gut, gerade Kinder dürfen gern einmal mehr hören, dass sie sich nicht für andere verbiegen sollten, nur weil sie dazugehören wollen. Aber es ist schon sehr austauschbar. Was Dancing Queen jedoch auszeichnet, ist die Besetzung. Vor allem Liv Elvira Kippersund Larsson ist als Protagonistin eine Wucht: Sowohl in den leisen Momenten, in denen es mehr um das Zwischenmenschliche geht, wie auch in den Tanzszenen weiß sie zu bezeugen. Und auch wenn Mina auf der Suche nach dem Glück viel falsch macht und andere vor den Kopf stößt, steht man doch immer fest an ihrer Seite und drückt ihr die Daumen, dass sie ihren Platz finden wird.
OT: „Dancing Queen“
Land: Norwegen
Jahr: 2023
Regie: Aurora Gossé
Drehbuch: Silje Holtet
Musik: Mimmi Tamba
Kamera: Åsmund Hasli
Besetzung: Liv Elvira Kippersund Larsson, Viljar Knutsen Bjaadal, Sturla Harbitz, Anders Baasmo, Andrea Bræin Hovig, Anne Marit Jacobsen, Cengiz Al, Ylva Røsten-Haga
Berlinale 2023
Zurich Film Festival 2023
Nordische Filmtage Lübeck 2023
Festival des deutschen Films 2024
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)