Durch seine spektakulären Fälle ist der Londoner Detektiv Sherlock Holmes (Robert Stephens) zu großem Ruhm gekommen. Daran hat auch sein treuer Freund Dr. Watson (Colin Blakely) einen bedeutenden Anteil, der die Geschichten niederschreibt und es dabei mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Holmes ist das alles ziemlich lästig geworden, zumal er sich viel zu oft mit banalen Aufträgen herumplagen muss. Deutlich spannender ist für ihn, als eines Tages Gabrielle Valadon (Geneviève Page) aus dem Fluss gerettet wird und den Meisterdetektiv anfleht, ihren vermissten Ehemann ausfindig zu machen. Holmes und Watson begeben sich kurze Zeit drauf auf die Suche, welche sie bis nach Schottland führt und eine Reihe eigenartiger Beobachtungen nach sich zieht …
Humorvolle Interpretation des Meisterdetektivs
Kaum eine Romanfigur dürfte ähnlich oft für das Kino oder das Fernsehen adaptiert worden sein wie die des Privatdetektivs Sherlock Holmes. Obwohl Arthur Conan Doyle nur vier Romane und 56 Kurzgeschichten rund um den meisterhaften Ermittler schrieb, gibt es unzählige Auftritte seiner bekanntesten Erfindung. Und sehr unterschiedliche. Ob nun klassische Krimis wie die Verfilmungen mit Basil Rathbone in den 1930ern, das abenteuerliche Das Geheimnis des verborgenen Tempels (1985), die stylische Kultserie Sherlock (2010) oder der prominent besetzte Komödienmurks Holmes & Watson (2019), die Bandbreite ist enorm, es gibt die unterschiedlichsten Interpretationen der bekannten Vorlage. Eine der bemerkenswerteren ist dabei Das Privatleben des Sherlock Holmes von 1970, die von niemand Geringerem als Billy Wilder gedreht wurde.
Dieser hatte schon vorher sich an der Romanfigur versucht, der bekennende Fan war aber mehrfach daran gescheitert. Erst der dritte Anlauf führte zu einem Ergebnis, auch wenn dieses wie die anderen Spätwerke des legendären Regisseurs eher weniger Aufmerksamkeit erhielt. Dabei ist Das Privatleben des Sherlock Holmes eine zum Teil recht interessante Neuinterpretation des etablierten Helden. Vor allem zu Beginn machen er und sein Co-Autor I.A.L. Diamond sich über viele Punkte lustig, die man fest mit Holmes verbindet. Ob es nun die ikonische Kleidung ist oder sein Violinspiel, da wird alles auf den Kopf gestellt. Und dann wäre da noch die Andeutung, dass der ewige Junggeselle in Wahrheit homosexuell war. Der Humor schwankt dabei zwischen spöttisch und albern, manches ist einem Klamauk näher als den feinsinnigen Komödien, für die der Filmemacher bekannt ist.
Kurios, aber nicht konsequent genug
Im weiteren Verlauf nimmt das ab. Tatsächlich wandelt sich der Film später in einen deutlich klassischeren Krimi, als es der Einstieg vermuten lässt. Das bedeutet nicht, dass es dann überhaupt keinen Humor mehr gibt. Unter anderem geht es in Das Privatleben des Sherlock Holmes dann um das Monster von Loch Ness und tote Kanarienvögel, dazu ein Geheimnis um kleinwüchsige Menschen. Aber das ist alles eher kurios als lustig. Gleiches gilt für die Auflösung, wenn es für diese ganzen Erscheinungen eine Auflösung gibt, die gleichzeitig in der Realität verankert und ziemlich bescheuert ist. Wobei Letzteres bei „normalen“ Krimis auch oft genug der Fall ist. Die Grenze zwischen herkömmlichen Blödsinn und beabsichtigtem Blödsinn ist nicht immer klar zu erkennen.
Das große Highlight mag der Film nicht sein, dafür ist er letztendlich auch zu wenig konsequent in dem, was er tut. In dem Zusammenhang wäre es interessant, die ursprüngliche Fassung zu sehen, die statte 200 Minuten lang gewesen sein soll und gnadenlos zusammengekürzt werden musste. Aber auch in der zusammengestauchten Fassung ist Das Privatleben des Sherlock Holmes eine bis heute unterhaltsame Variation des bekannten Stoffs. Da gibt es stimmungsvolle Settings, eine gute Besetzung und eben einen Fall, der sicherlich nicht alltäglich ist und einige rätselhafte Elemente mit sich bringt. Für Fans, die offen sind für eine leicht sonderbare Version ihres Helden, ist das sehenswert, selbst wenn man sich gewünscht hätte, dass Wilder eine mutigere Balance aus Humor und Ehrerbietung auf die Beine gestellt hätte.
OT: „The Private Life of Sherlock Holmes“
Land: UK
Jahr: 1970
Regie: Billy Wilder
Drehbuch: Billy Wilder, I.A.L. Diamond
Vorlage: Arthur Conan Doyle
Musik: Miklos Rozsa
Kamera: Christopher Challis
Besetzung: Robert Stephens, Colin Blakely, Irene Handl, Geneviève Page, Christopher Lee
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