Der Fall Yara Gambirasio: Hinreichende Beweise

Was wäre die Welt nur ohne die vielen True Crime Dokus, die Netflix Monat für Monat veröffentlicht? Da muss man normalerweise nicht lange warten, bis der Streamingdienst ein neues Verbrechen ausgegraben hat. Kürzlich ging es in Ein Mann mit 1000 Kindern darum, dass jemand auf den verschiedensten Kanälen als Samenspender auftrat und dabei kräftig betrogen hat. Davor ging es in Nelma Kodama: Königin der Geldwäsche um eine verurteilte Betrügerin, How to Rob a Bank drehte sich – der Titel verrät es bereits – um Bankraube. Den größten Eindruck hinterlassen bei den meisten aber Geschichte um Mord. Wer sich selbst zu diesem Publikum zählt, für den gibt es jetzt die fünfteilige Serie Der Fall Yara Gambirasio: Hinreichende Beweise, die von einem besonders schockierenden Fall erzählt.

Brutaler Mord an einer 13-Jährigen

Hierzulande dürften eher weniger Leute mit der Geschichte vertraut sein. In Italien sorgte diese jedoch für mächtige Wellen. Tatsächlich ist sie mit einer der größten Ermittlungen aller Zeiten in dem Land verbunden. Die titelgebende Yara Gambirasio war eine 13-Jährige, die mit ihrer Familie in dem kleinen Dorf Brembate di Sopra im Norden des Landes lebte. Als sie eines Tages nicht von ihrem Training in rhythmischer Sportgymnastik zurückkehrte, waren die Eltern schnell besorgt, war dies doch untypisch für sie. Doch es sollte noch Wochen dauern, bis der schlimmste Verdacht sich bestätigte und die Leiche des Mädchens auf einem Feld gefunden wurde. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass Yara sexuell missbraucht wurde, die DNA eines unbekannten Mannes wurde gefunden.

Der Fall Yara Gambirasio: Hinreichende Beweise rekonstruiert dabei in erster Linie die Ermittlungen, leistet sich dabei aber auch inhaltliche Schlenker. So führte der Versuch, den DNA-Träger zu identifizieren, zu einem handfesten Skandal, als sich herausstellte, dass bei einer Familie die Kinder das Ergebnis eines Seitensprungs waren, was bis dahin niemand wusste. Mit der Suche nach dem Mörder hat das nur bedingt zu tun. Regisseur und Co-Autor ist dann doch stärker an den schlüpfrigen Details interessiert. Das ist auf der einen Seite nachvollziehbar, da die damit verbundenen Enthüllungen schon unglaublich sind. Aber es trägt mit dazu bei, dass die Serie schon recht lang geworden ist, fünf Folgen à 50 Minuten ist sehr großzügig dimensioniert für einen einzigen Fall.

Schock und Rätselraten

Das zeigt sich auch im weiteren Verlauf, wenn die Unsicherheiten rund um den Mord betont werden. Eigentlich ergaben die Ermittlungen einen Täter, die DNA wurde zugeordnet. Hinzu kamen andere Beweise, die dazu führten, dass der Beschuldigte verurteilt wurde. Aber es bleiben Zweifel, weil mindestens schlampig ermittelt wurde. Eine Spuren wurden nicht verfolgt, andere stellten sich als falsch heraus. Der Fall Yara Gambirasio: Hinreichende Beweise erweckt bewusst den Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft möglichst schnell einen Schuldigen finden musste, weil der Druck der Öffentlichkeit so groß war. Das ist bei True Crime Dokus ein wiederkehrendes Motiv, immer wieder finden sich Beispiele. Wobei man da zuweilen hinterfragen darf, ob diese Zweifel gerechtfertigt sind oder ob man nicht einfach nur so tut, als würde da ein Justizskandal vorliegen, weil sich das immer gut verkauft.

Das sind alles Punkte, über die man nachdenken kann. Man kann sich aber auch einfach zurücklehnen und der mit viel Aufwand erzählten Geschichte lauschen. Spannend genug ist diese, zudem wendungsreich. Der Fall Yara Gambirasio: Hinreichende Beweise weiß auch, den emotionalen Faktor für sich zu nutzen, wenn es um den Mord an einem Kind geht. Solche Verbrechen provozieren immer eine große Wirkung. Ob es dafür nun unbedingt eine so lange Serie gebraucht hätte, darüber kann man sich zwar streiten. Zumal keine wirklich neuen Erkenntnisse herausspringen und manches noch immer nicht abgeschlossen ist. Für die Zielgruppe solcher Dokus ist das hier aber durchaus einen Blick wert, wenn Schock und Rätselraten Hand in Hand gehen.