Dass Felix Moosbacher (Eric Hermann, Marc Hermann) etwas anders ist als die übrigen Kinder, wussten seine Eltern Marie (Christine Neubauer) und Paul (Marcus Mittermeier) zwar schon. Er ist still, zurückhaltend, bleibt gern für sich. Dennoch hofften sie, dass er ein normales Leben führen wird. Als er mit sechs Jahren eingeschult werden soll, kommt es jedoch zum Desaster: Er scheitert an den einfachsten Aufgaben, scheint nichts um ihn herum zu verstehen. Ist er einfach zurückgeblieben oder nur schlecht erzogen? Oder steckt etwas anderes dahinter? Seine Großmutter Elisabeth (Monika Baumgartner) zumindest ist überzeugt, dass er vom Teufel besessen ist. Doch Marie glaubt an ihren Sohn. Durch die neue Kantorin Alex Brunner (Natascha Paulick) macht sie die Bekanntschaft des Kinderpsychologen Niklas Cromer (Tim Bergmann), der ebenso wie sie seine verborgenen Talente erkennt …
Autismus in den 1960ern
In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Filmen und Serien gegeben, die sich auf die eine oder andere Weise mit Autismus auseinandersetzen. Vor allem Netflix machte sich für neurodiverse Menschen stark, gerade erst ist mit Goyo ein weiterer Titel erschienen, der einen Autisten in den Mittelpunkt rückt. Recht erfolgreich war aber auch der deutsche Kinofilm Wochenendrebellen, der basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von einem autistischen Jungen erzählt, der einen Lieblingsverein im Fußball haben will und damit seine Familie vor große Herausforderungen stellt. Schon etwas älter ist der ebenfalls hierzulande produzierte Fernsehfilm Der kalte Himmel, bei dem ebenfalls eine Familie mit einem autistischen Jungen hadert, weil der einfach nirgends wirklich reinpasst.
Während der oben genannte Kinofilm jedoch ein zeitgenössisches Setting hat, nimmt uns die ARD-Produktion mit auf eine Zeitreise. Das Ziel ist die bayerische Provinz in den 1960ern. Auf diese Weise soll das Thema Autismus in einem historischen Kontext behandelt werden. Wo heutzutage langsam ein Verständnis hier entsteht, auch innerhalb der Gesellschaft, war man damals noch nicht sonderlich weit. Das sieht anfangs nach einem Film aus, der die Rückständigkeit der ländlichen Bevölkerung aufzeigen soll. Schließlich ist man dort noch weniger auf Menschen eingestellt, die irgendwie anders sind. Der kalte Himmel beschränkt sich aber nicht darauf. Während der Versuch der Oma, an ihrem Enkel einen Exorzismus ausführen zu lassen, schon reichlich rückständig ist, zeigen auch vermeintlich gebildete Ärzte, dass sie in ihrer unwissenden Arroganz nicht wirklich besser sind.
Klischees und Stereotype
Regisseur Johannes Fabrick (Du bist nicht allein) versucht sich bei dem Zweiteiler dann auch an einem Plädoyer für mehr Toleranz und den Willen, sich auf die Besonderheiten von Menschen stärker einzulassen, anstatt sie vorschnell zu verurteilen. Allerdings tut Der kalte Himmel dies, indem der Film selbst lauter Klischees und Stereotype aufgreift. Dass beispielsweise der autistische Junge mal wieder ein Mathegenie sein soll, Rain Man lässt grüßen, war bereits 2011 überholt, als der Film das erste Mal ausgestrahlt wird. Heute darf man sich fast schon darüber ärgern, wie einfallslos das deutsch Drama geworden ist. Und wie verlogen: Wenn ein Werk, das die Vielfalt der Menschen verdeutlichen will, selbst keine Vielfalt bieten kann, wird es eben kontraproduktiv. Man tut autistischen Menschen zudem keinen Gefallen, wenn man solche Erwartungen an sie weckt.
Anstatt sich differenziert mit allem auseinanderzusetzen, wird es dann plakativ, unterstützt von einer „passenden“ Musik, die lieber aufbauscht, statt die leisen Töne zu suchen. Das heißt nicht, dass das Ergebnis deswegen furchtbar schlecht wäre. Wer sich nicht daran stört, dass das Drama recht plump geworden ist, darf sich hier über kleingeistige Menschen aufregen, die in jedem Bereich der Gesellschaft zu finden sind. Dazu gibt es das Porträt einer aufopferungsbereiten Mutter, die für ihr Kinder die größten Mühen auf sich nimmt und der man deshalb quasi aus Prinzip die Daumen drücken muss. Sein Publikum hat Der kalte Himmel damit auf jeden Fall. Dennoch wäre es schöner gewesen, sich mit mehr Fingerspitzengefühl dieses Themas anzunehmen, da dieses zu wichtig ist, um es auf diese Weise zu vergeuden.
OT: „Der kalte Himmel“
Land: Deutschland
Jahr: 2011
Regie: Johannes Fabrick
Drehbuch: Andrea Stoll
Musik: Dieter Schleip
Kamera: Stefan Unterberger
Besetzung: Christine Neubauer, Eric Hermann, Marc Hermann, Marcus Mittermeier, Tim Bergmann, Natascha Paulick, Monika Baumgartner
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