Ein fiktives, aber doch vertrautes Deutschland kurz vor der Bundestagswahl: Anita (Britta Hammelstein) und Sarah (Mavie Hörbiger) wollen mit ihrer Frauenpartei wieder über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Der chauvinistische Kanzler (Godehard Giese) gibt sich ebenfalls siegesgewiss. Da weiß er allerdings noch nicht, dass ein tödliches Virus in kürzester Zeit schon elf Männer dahingerafft hat. Der neuartige Erreger befällt ausschließlich Testosteron-gesteuerte Wesen und tötet bald auch den lüsternen Regierungschef. Im allgemeinen Tumult packt die Frauenpartei die Gelegenheit beim Schopf. Sie ruft eine Interimsregierung aus und übernimmt die Macht. Die Frage ist nur: Wäre es nicht besser, Männer aussterben zu lassen? Oder soll man doch einen Impfstoff entwickeln?
Was wäre, wenn?
Darf man über die Pandemie lachen? Selbstverständlich. Vor allem, wenn sie im allgemeinen Bewusstsein längst vergessen und der Abstand groß genug ist. Natürlich zieht die herrlich überdrehte Satire von Autorenfilmerin Irene von Alberti auch die Jahre 2020 bis 2022 durch den Kakao. Aber sie weitet zugleich den Horizont, indem sie sich auf den gleichnamigen Roman des Franzosen Robert Merle bezieht, der schon 1974 erschienen ist. Auch Merle stellte die „Was wäre, wenn“-Frage, und Irene von Alberti spinnt sie aus feministischer Sicht lustvoll weiter. Das muss bereits beim Drehbuchschreiben großen Spaß gemacht haben. Die Regisseurin (Der lange Sommer der Theorie, 2017) liebt das schonungslose Übertreiben. Fast jede Einstellung ist ein Stück weit „Over the Top“, die Kostüme sind zum Schreien, Ausstattung und Maske durften aus dem Vollen schöpfen. Aber der Film hat es nicht allein auf das Schenkelklopfen abgesehen. Sein wilder Stilmix kennt ebenso das Schmunzeln, die leise Anspielung, die anregende Metapher.
Im Gewand der Komödie blickt der Film auf unterschiedliche Strömungen innerhalb des Feminismus und lässt sie selbstironisch aufeinander los, zum Teil ganz wörtlich bei einer klassischen Verfolgungsjagd, die aber eigentlich gar nicht sein darf, denn das Action-Genre ist nun mal „männlich konnotiert“. Da gibt es Fraktionen innerhalb der Frauenbewegung, die auf eine Fortpflanzung ohne männliches Genmaterial setzen. Andere denken über chemische Kastration nach, die man einfach übers Trinkwasser verabreichen könnte. Wieder andere sehen weder im Matriarchat noch im Patriarchat die Lösung, sondern in einer friedlichen Gesellschaft ohne große Hierarchien, in der das Einfühlungsvermögen in den jeweils anderen groß geschrieben wird.
Spielfreudiges Ensemble
Auf dem Papier klingen diese Konflikte weitaus trockener als auf der Leinwand, wo ein spielfreudiges Ensemble vieles loswird, was man den Männern schon immer mal mitgeben wollte. Bis in die Nebenrollen ist der Film glänzend besetzt, etwa mit einer kurios ausstaffierten Bibiana Beglau als trickreicher Geschäftsfrau. Oder mit Yousef Sweid als sanftem, irgendwie verträumt daherkommenden Virologen, der natürlich von ferne erinnert an: Na, Sie wissen schon. Es ist ein paralleles Universum, in dem das alles stattfindet, deshalb ist es ja so lustig. Aber zugleich finden wir fast in jeder Szene etwas, das uns entweder bekannt vorkommt. Oder uns grübeln lässt, wer wohl da wieder karikiert werden soll.
Eine der größten Leistungen des Films besteht darin, die ausufernden Fäden seines wilden Stilmixes doch immer wieder zu einem Ganzen zusammenzubinden. Regisseurin Irene von Alberti erklärt das im Interview damit, dass die grobe dramatische Struktur eigentlich ganz klassisch gebaut sei. Das erlaube, der Phantasie bei den Dialogen, den Frisuren oder den Möbeln freien Lauf zu lassen. Und am Ende macht dieser anarchische Film sogar noch einen Vorschlag, wie die Geschlechter in Zukunft besser miteinander auskommen könnten. Eine fantasievolle Utopie – natürlich. Aber keine Fantasterei.
OT: „Die geschützten Männer“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Irene von Alberti
Drehbuch: Irene von Alberti
Vorlage: Robert Merle
Musik: Karim Sebastian Elias
Kamera: Constantin Campean
Besetzung: Britta Hammelstein, Mavie Hörbiger, Yousef Sweid, Bibiana Beglau, Godehard Giese
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseurin Irene von Alberti zu unterhalten. Im Interview zu Die geschützten Männer sprechen wir über die Arbeit an der Satire.
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