Regisseurin Élise Girard (©Majestic/kinoelektron)

Élise Girard [Interview]

Madame Sidonie in Japan (Kinostart: 11. Juli 2024) begleitet die von Isabelle Huppert gespielte Autorin Sidonie nach Japan, wo sie anlässlich der Wiederveröffentlichung ihres ersten Romans eine Promotour startet. Doch auch anderweitig spielt die Vergangenheit eine große Rolle, denn sie sieht überall den Geist ihres verstorbenen Mannes (August Diehl). Wir haben Regisseurin und Autorin Élise Girard bei der Deutschlandpremiere des Films auf dem Filmfest München 2024 getroffen und mit ihr über das Werk gesprochen.

Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte des Films verraten? Wie kam es zu Madame Sidonie in Japan?

Die Idee entstand durch meine erste Reise nach Japan, um meinen ersten Film zu promoten, als der dort veröffentlicht wurde. Ich war damals sehr beeindruckt von der Stille, der Kultur und der Empfindsamkeit der Menschen. Aber ich mochte auch das Essen und die Architektur. Als ich zurück in Frankreich war, habe ich angefangen, all diese Eindrücke niederzuschreiben, solange sie noch frisch waren. Am Ende wurde daraus Madame Sidonie in Japan.

Und wie war die Erfahrung, dann auch in Japan zu arbeiten, anstatt nur als Gast dort zu sein?

Sehr schwierig. Die Kultur ist so verschieden, die Menschen arbeiten ganz anders. Selbst wenn du jemanden dabei hast, der alles übersetzt, ist es schwierig einander zu verstehen. Am Ende hat aber alles geklappt, auch weil das Filmemachen selbst nicht wirklich anders ist. Du hast immer eine Kamera und ein Ensemble.

Wie lange hat die Arbeit an dem Film letztendlich gedauert?

Das waren so drei Jahre, voll mit harter Arbeit.

Und wie kamst du auf die Idee für die eigentliche Geschichte rund um eine Frau, die nach einem schweren Verlust noch einmal von vorne anfängt?

Es ist immer schwierig zu sagen, wo eine Idee herkommt. Aber ich wollte von dem Ende eines Kummers erzählen und einer Wiedergeburt. Der größte Kummer, den wir im Leben haben können, ist der Verlust eines geliebten Menschen. Das ist ein sehr universelles Gefühl. Wir alle wissen, wie es ist, jemanden zu verlieren.

Wir erfahren an einer Stelle, dass Sidonie mit ihrem ersten Buch den Unfall ihrer Familie verarbeitet hat. Denkst du, dass Kunst einem dabei helfen kann, mit persönlichen Erfahrungen umzugehen?

Auf jeden Fall! Für mich ist Kunst immer etwas Persönliches, weil du darin dich selbst ausdrückst, egal ob du nun Filme drehst oder Bücher schreibst. Meine Filme sind immer sehr persönlich.

Und wie sieht es mit der Kunst von anderen aus?

Auch das. Du kannst dich in der Kunst selbst wiedererkennen. Vielleicht drückt sie etwas aus, das du selbst fühlst, und hilft dir dadurch, damit besser klarzukommen. Es kann einen richtig glücklich machen, wenn du in einem Film oder einem Buch etwas findest, das dir aus dem Herzen spricht. Das geht mir selbst so. Manchmal gehe ich ins Kino und stelle dann fest, wie sehr mich etwas bewegt, was ich dort sehe. Das passiert natürlich nicht immer. Aber ich denke, dass wenn du einen Film magst, dann muss da etwas gewesen sein, mit dem du dich irgendwie identifizieren kannst.

Was war der letzte Film, den du wirklich gemocht hast?

Memory von Michel Franco. Ich liebe den, ein wirklich wunderschöner Film.

Kommen wir auf das Casting deines Films. Warum hast du Isabelle Huppert für die Hauptrolle ausgesucht?

Tatsächlich habe ich beim Schreiben des Drehbuchs sofort an sie denken müssen. Huppert ist eine sehr talentierte Schauspielerin, die ich immer bewundert habe. Deswegen war ich sehr glücklich über die Chance, mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie hat auch sofort zugesagt.

Und wie sieht es mit August Diehl aus?

Ich habe ihn in zwei Filmen gesehen, Schwarzer Diamant von Arthur Harari und Jahre später in Ein verborgenes Leben von Terrence Malick und war sehr beeindruckt von ihm. Ich habe damals gedacht, dass ich irgendwann einmal gern mit ihm arbeiten würde. Als es darum ging, die Rolle des Geists zu besetzen, habe ich an ihn gedacht. Er hat ein sehr europäisches Gesicht, was ich sehr reizvoll fand, wenn es darum geht, dass ein Geist nach Japan reist. Als ich ihn kennengelernt habe, war er außerdem ein sehr netter Mensch. Das hat also alles wunderbar gepasst.

In Japan haben sie ein anderes Verhältnis zu Geistern als in Europa. Hat dich das bei dem Film beeinflusst?

Auf jeden Fall! Als ich mich mit japanischen Freunden unterhalten habe, habe ich gelernt, dass Geister in Japan ganz normal und akzeptiert sind. Wenn du dort einen Geist siehst, dann bedeutet das, dass du um jemanden trauerst.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Élise Girard wurde 1976 in Thouars, Frankreich geboren. Sie arbeitete als Pressereferentin, bevor sie anfing, eigene Filme zu drehen. Ihr Debüt gab sie mit dem Dokumentarfilm Seuls sont les Indomptés – L’aventure des Cinémas Action  (2003). 2011 folgte ihr erster fiktionaler Spielfilm Belleville-Tokyo über eine Hochschwangere, die von ihrem Freund verlassen wird. Ihr dritter Spielfilm Madame Sidonie in Japan feierte 2023 in Venedig Premiere.



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