Juliette
© Reprodukt

Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück

Juliette
„Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück“ // Deutschland-Start: 27. März 2023

Inhalt / Kritik

Immer wieder hat die in Paris lebende Juliette mit Angstattacken zu kämpfen, die wie aus dem Nichts über sie herfallen und sie völlig aus der Bahn werfen. In der Hoffnung, wieder zur Ruhe zu kommen, beschließt sie, ihren Koffer zu packen und zu ihrer Familie zu fahren. Dabei ist bei dieser auch viel los. Da sind die Eltern, die sich vor langer Zeit getrennt haben und die inzwischen sehr unterschiedliche Leben führen. Da ist ihre Großmutter, die an Demenz erkrankt ist und die anderen kaum mehr wiedererkennt. Vor allem aber ist da ihre Schwester Marylou, bei der selbst gerade einiges im Argen ist und zu der sie ein schwieriges Verhältnis hat. Bei dem Versuch, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, lernt Juliette den einsamen Barmann Polux kennen, der jetzt in dem Haus wohnt, in dem die Familie früher lebte …

Reise in die Vergangenheit

Hierzulande dürften vermutlich eher weniger Leute Camille Jourdy kennen. Doch in Frankreich genießt die Comickünstlerin durchaus größeres Ansehen. Seit rund 20 Jahren ist sie tätig, hat an den unterschiedlichsten Werken gearbeitet, darunter die dreibändige Reihe Rosalie Blum über einen Mann, der einer mysteriösen Frau mit eben diesem Namen nachstellt. Zwischen 2007 und 2009 entstanden, erfreuten sich die Geschichten größerer Beliebtheit und wurden einige Jahre später dann auch verfilmt. Die gleiche Ehre wurde nun auch Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück zuteil, einem Einzelband von 2016, der im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienen ist und dessen Adaption Juliette im Frühling sogar in die deutschen Kinos kommt.

Das spricht auch für den Comic, der tatsächlich sehr lesenswert ist, weshalb es ein Glücksfall ist, dass er doch noch den Weg zu uns gefunden hat. Der deutsche Titel Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück nimmt dabei ein wenig vorweg, was die Leser und Leserinnen hier erwartet. So kehrt die Titelfigur in ihre alte Heimat zurück und muss sich dort ihrer Vergangenheit stellen. Das Motiv ist beliebt, ist meistens aber mit äußeren Anlässen verbunden wie Todesfällen oder einem Beziehungsende. Bei Juliette ist das anders, es gibt keinen konkreten Anlass. Als ihr Vater sie fragt, ob sie Urlaub habe, antwortet sie nur „so ähnlich“. Das ist vage und ausweichend, so wie vieles in dem Buch zunächst vage und ausweichend ist. Die Figuren tragen alle etwas mit sich herum, alte Wunden oder neue Geheimnisse, über die niemand sprechen mag, bis sich der Schmerz anderweitig seinen Weg bahnt.

Kurios und universell zugleich

Juliette ist dabei zwar die Hauptfigur, ihre Rückkehr wird zum Aufhänger für diese Beschäftigung mit dem Alten. Aber eine Stärke des Buchs ist es, wie auch die anderen ihre Geschichten bekommen. Ob es Polux ist, der ein Entenküken bei sich aufnimmt, eine schmerzhafte Erfahrung der Eltern, über die niemand sprach, oder eine Kneipenbekanntschaft, wir lernen auf den 240 Seiten eine Reihe von Menschen kennen, die alle mit etwas zu kämpfen haben. Zu Herzen geht einem in Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück besonders auch das Schicksal der Schwester, die sich immer um alles kümmern musste und nie die Gelegenheit bekam, auch einmal schwach zu sein. Die verschiedenen Stränge wechseln sich dabei ab, der Comic hat dabei nur bedingt einen roten Faden. Er löst auch nicht wirklich alles auf.

Das ist aber kein Manko. So müssen sich die Figuren zwar mit dem auseinandersetzen, was gewesen ist. Gleichzeitig markiert die Rückkehr der seelisch angeknacksten Protagonistin aber auch einen Aufbruch für alle, wenn sie nach individuellen Wegen durch das chaotische Leben suchen. Unterwegs gibt es rührende Momente, komische, aber auch solche, die richtig weh tun können. Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück zeigt einen Alltag, der sicherlich seine Übertreibungen hat und nicht mit Kuriosem spart, aber doch ganz universelle Themen anspricht und Gefühle zeigt, darunter auch Depressionen und Einsamkeit. Eine Stärke ist dabei, wie Jourdy oft den Bildern den Vortritt überlässt, kaum Dialoge braucht, um Stimmungen zu erzeugen. Mit einfachen Zeichnungen gelingt es der Französin, einen ganzen Mikrokosmos zu erschaffen, in dem man sich nur zu gern verläuft.

Credits

OT: „Juliette“
Land: Frankreich
Jahr: 2016
Text: Camille Jourdy
Zeichnungen: Camille Jourdy

Bilder

Kaufen

Amazon (Comic „Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück“)

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.



(Anzeige)

Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück
fazit
„Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück“ begleitet eine Frau mit Angststörungen zu ihrer Familie, wo sie sich mit Problemen und ihrer Vergangenheit auseinandersetzen müssen. Das Ergebnis ist ein wunderbarer Comic, der einen ganz eigenen Mikrokosmos erschafft, der gleichzeitig kurios und universell ist.
Leserwertung0 Bewertungen
4.5