Die 14-jährige Manuela von Meinhardis (Hertha Thiele) wird von ihrer Tante in einen Stift für höhere Töchter in Potsdam eingeschrieben. Schon beim Einstellungsgespräch verspricht man ihrer Tante, dass man die Jugendlichen gemäß der preußischen Tugenden von Zucht und Disziplin unterrichten und erziehen wird. Die Strenge der Einrichtung bekommt Manuela schon bald zu spüren, denn ihr Geld, ihre Bücher und sogar ihre Schokolade sind hier verboten, die Mahlzeiten fallen aufgrund der Sparmaßnahmen knapp aus und jedwede Verletzung der Regeln des Hauses werden von der Oberin (Emilia Unda) aufs Schärfste bestraft. Lediglich Fräulein von Bernburg (Dorothea Wieck), eine ihrer Lehrerinnen, zeigt Anteilnahme und Verständnis für Manuela und die anderen Schülerinnen, weshalb sie sehr beliebt ist, aber bei der Oberin auf Unverständnis stößt. Manuela schließt sie in ihr Herz, nimmt jedes Lob und jede liebe Geste dankbar an, bis eines Tages sie sich zu einem Geständnis ihrer Gefühle hinreißen lässt, was einen Skandal an der Schule auslöst.
Über die Erziehung
Als Inspiration für ihr Bühnenstück Gestern und heute, das später unter dem Titel Mädchen in Uniform verfilmt werden sollte, diente der Autorin Christa Winsloe die eigene Schulzeit in einem Stift in Potsdam. Jedoch hören hier die biografischen Bezüge schon auf, denn in erster Linie wollte Winsloe eine Warnung formulieren, da sie die Tugenden, wie sie beispielsweise die Oberin im Film und im Theaterstück vertritt, als gefährlich ansah. Unter der Regie von Leontine Sagan und Carl Froelich wurde die Geschichte dann verfilmt, in Deutschland mit einem Jugendverbot bedacht und international teils im einer gekürzten Fassung gezeigt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr der Film langsam aber sicher jene kritischen Würdigung, die er verdient, und sollte in einem Zug genannt werden mit Meisterwerken wie Lewis Milestones Verfilmung von Im Westen Nichts Neues.
Im Westen Nichts Neues und Mädchen in Uniform verbindet das Thema der Kritik an soldatischen Tugenden, besonders wenn sie in der Erziehung eine Rolle spielen. Aus unterschiedlichen Perspektiven und mit entsprechenden Konsequenzen werden die Folgen einer auf einer militärisch-strengen Ideologie ausgerichteten Erziehung und Bildung angezeigt. Anders als Paul Bäumer, der Protagonist von Im Westen Nichts Neues, ist Manuela von Natur aus eine empfindsame und sonderbare Person, wie sie ihre Tante beim Vorstellungsgespräch im Stift beschreibt. Im Folgenden sieht der Zuschauer die Bemühungen der Erziehungsanstalt, sie und die anderen Schülerinnen zu formen und zu prägen, immer gemäß den Tugenden von Zucht und Disziplin.
Einzig Fräulein von Bernbug ist anders und begegnet den Schülerinnen mit einer Zuneigung und Wärme, welche die Jugendlichen natürlich sehnsüchtig entgegennehmen. Da Manuela zusätzlich ihre Mutter verloren hat, sieht sie einen entsprechenden Ersatz in der Lehrerin, die mit weniger Distanz ihren Schülerinnen begegnet, was gewiss ebenso gefährlich ist. Aus historischer Sicht versteht man die Akzentuierung der Geschichte, welche die „pädagogische Liebe“ als positiv zeigt, doch aus heutiger Sicht sollte man schon etwas kritischer auch mit dieser Distanzlosigkeit umgehen.
Eiserne Menschen
Fraglos hingegen ist die strenge Hierarchie und das Regelwerk an der Schule fatal und dient lediglich dazu, jene „eisernen Menschen“ zu erzeugen, wie es an einer Stelle im Film heißt. Manuela ist eine, die nicht in dieses System passt, genauso wie eigentlich auch Fräulein von Bernburg, die mit ihrer Art den Schülerinnen zu begegnen, zwangsläufig auf Kollisionskurs mit der Stiftsleitung ausgerichtet ist. Der ästhetische Ansatz folgt der Idee des Stiftes als eine Art Gefängnis, was bei den Schuluniformen beginnt und bei der Inszenierung der Räume aufhört. Immer wirkt dieser Raum eng und die Charaktere gefangen, bedrängt und beobachtet, selbst in den Räumen, die eigentlich eine gewisse Privatsphäre bilden sollten, wie das Gemeinschaftsbad.
Das „Auge“ der Kamera schwebt über allem und evoziert den strengen, richtenden Blick von oben. Hinzu kommt die Inszenierung von Gruppendynamik, denn auch wenn Manuelas Mitschülerinnen bisweilen den Aufstand proben, hat die Erziehung bei ihnen bereits erste Spuren hinterlassen. Mädchen in Uniform ist dann besonders gut, wenn es diese Prozesse einfängt, den Kreislauf innerhalb eines Systems, das die Erziehung der nächsten Generation dem Staat überlässt und damit den Schulen als ausführendem Organ.
OT: „Mädchen in Uniform“
Land: Deutschland
Jahr: 1931
Regie: Leontine Sagan, Carl Froelich
Drehbuch: Christa Winsloe, F.D. Anlam
Vorlage: Christa Winsloe
Musik: Hansom Milde-Meißner
Kamera: Reimar Kuntze, Franz Weihmayr
Besetzung: Hertha Thiele, Dorothea Wieck, Emilia Unda, Gertrud de Lalsky, Hedwig Schlichter, Erika Mann, Ellen Schwanneke, Charlotte Witthauer
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