Zwei zu eins
Robert (Max Riemelt), Volker (Ronald Zehrfeld) und Maren (Sandra Hüller) entdecken in der Komödie "Zwei zu eins" Millionen versteckter DDR-Mark (© X Verleih AG/Peter Hartwig)

Max Riemelt [Interview 2024]

Stell dir vor, du hättest von einem Tag zum nächsten plötzlich mehrere Millionen. Was würdest du damit anfangen? In der von Natja Brunckhorst inszenierten und geschriebenen Komödie Zwei zu eins (Kinostart 25. Juli 2024) wird dieses Traumszenario wahr, mit einer kleinen Einschränkung: Das Geld ist nichts mehr wert, weil die Umtauschfrist für DDR-Mark abgelaufen ist. Doch dann finden das Ehepaar Maren (Sandra Hüller) und Robert (Max Riemelt), Volker (Ronald Zehrfeld) sowie Markowski (Peter Kurth) eine Möglichkeit, die Geldsäcke, die sie versteckt in einem Schacht gefunden haben, doch noch gewinnbringend einzusetzen, was bald aber zu Meinungsverschiedenheiten und Verteilungskämpfen in ihrem Wohlblock führt. Wir haben uns bei der Premiere auf dem Filmfest München 2024 mit Hauptdarsteller Max Riemelt getroffen und uns mit ihm über seine Erinnerungen an die DDR, sein Verhältnis zu Geld und ein Leben für die Gemeinschaft unterhalten.

Warum hast du Zwei zu eins gedreht, was hat dich an dem Projekt gereizt?

Natja Brunckhorst hatte mich konkret gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihr zu arbeiten. Ich kannte sie natürlich als Schauspielerin und habe sie durch Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo wahnsinnig schätzen gelernt. In dem Alter schon so gut zu sein, das zeigt, wie viel sie gibt für einen Film. Dafür respektiere ich sie. Aber auch für das Buch, das sie geschrieben hat. Dadurch war ich schon sehr früh involviert. Es hat danach eine Weile gedauert, bis es wirklich los ging. Aber für mich war von Anfang an klar, dass ich mit ihr arbeiten will. Natürlich hat mich auch das Thema gereizt. Das ist nicht nur ein Ost-Thema, sondern ein universelles Thema: Geld bzw. die Philosophie des Geldes. Wie wir dem Geld hinterherrennen und was wir daraus machen, das ist schon absurd. Der Satz am Ende, dass Geld gedruckte Freiheit ist, passt schon sehr gut und gibt einem auch zu denken. Gerade in einer Zeit, in der Menschen mit Geld noch mehr Geld anhäufen können, ohne etwas dafür tun zu müssen, während andere überhaupt nichts haben. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander und du merkst, dass das auf Dauer einfach nicht funktionieren kann. Man darf sich vom Geld nicht abhängig machen und sich darüber definieren, was natürlich schwierig ist, wenn man existenzielle Nöte und Ängste hat. Zwei zu eins erzählt aber auch von Zusammenhalt und anderen Werten und davon, wie man auch ohne Geld reich sein kann. Das sind Werte, die einem leicht abhandenkommen, wenn man sich zu sehr auf das Geld fokussiert.

Ist Geld denn ein Thema, über das du überhaupt nachdenkst?

Sicher, das ist immer so. Ich mag es gerne, so viel zu haben, dass ich keine Ängste und Nöte haben muss und mir auch etwas leisten kann. Wenn du so viel hast und dann gar nicht genau weißt, was du damit anfangen sollst, kann das glaube ich schon den Charakter verderben. Gerade bei menschlichen Beziehungen wirst du oft darüber definiert, wie viel du besitzt. Das macht es dann schwieriger zu differenzieren, wer dein Freund ist und wer nur bei dir ist, weil du Statussymbole hast. Leute, die viel Geld besitzen, haben glaube ich auch Angst, dieses wieder zu verlieren. Wenn man sich einmal an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt hat, gerät man auch schnell in eine Abhängigkeit. Du brauchst also schon ein gesundes Verhältnis zum Geld. Dafür zu arbeiten, ist bestimmt auch nicht falsch. Es einfach nur so zubekommen, ist wahrscheinlich nicht so gesund. Das sind alles Themen, die in Zwei zu eins vorkommen, was ich toll finde. Aber ich mag auch dieses Lebensgefühl, die Einfachheit dieser Zeit, bevor die Leute Internet und Smartphones hatten. Wenn dir damals langweilig war, hast du dir noch eine Beschäftigung gesucht und dich mit anderen unterhalten. Es ist sehr interessant, in Erinnerung zu rufen, dass wir früher ganz anders unterwegs waren und dass das alles noch gar nicht so lange her ist. Wir waren nicht die ganze Zeit abgelenkt, unsere Speicher waren nicht ständig voll von Sachen, die wir gar nicht brauchen.

Zwei zu eins
Erinnerung an einfachere Tage: Maren (Sandra Hüller), Janette (Kathrin Wehlisch), Jannek (Anselm Haderer) und Robert (Max Riemelt) sitzen gemütlich in „Zwei zu eins“ gemütlich zusammen. (© X Verleih AG/Peter Hartwig)

Ist das etwas, das du vermisst?

Ja, vielleicht schon. Ich bin auch gar nicht so affin, was Internet und Social Media angeht. Das sehe ich sowieso sehr kritisch, weil es nachweislich nicht gesund ist für die Psyche, wenn du dich ständig mit anderen vergleichst oder Bilder von dir hochlädst, in der Hoffnung, dass jemand sie liked. Ich vermisse auch die Direktheit, dass man sich anschaut, vielleicht auch in sich selbst hineinschaut, wenn einem gerade nichts einfällt, anstatt verlegen auf das Handy zu starren. Auf diese Weise kommen dir vielleicht neue Ideen und du konsumierst nicht nur.

Du hast gemeint, dass Geld Freiheit bedeuten kann, zu viel aber auch schwierig ist. Aber wo liegt die Grenze? Ab wann wird es ungesund und schadet dir?

Ganz oft hängt das damit zusammen, wie du aufgewachsen bist und wie du sozialisiert wurdest. Wenn du mit viel Geld aufwächst, dann kennst du das gar nicht anders. Vielleicht sehnst du dich dann sogar nach der Einfachheit der Dinge. Wer hingegen aus einer extremen Armut kommt, sieht darin vielleicht eine Erlösung und stellt erst später fest, dass das limitiert ist und du dir bestimmte Sachen nicht kaufen kannst. Zeit mit deinen Liebsten um dich herum zum Beispiel. Auch die Qualität der Dinge hängt nicht davon ab, ob du sie dir kaufen kannst, sondern ob du sie genießen kannst. Es gibt Leute, die setzen sich in teure Autos oder zwängen sich in fette Anzüge, um damit zu kaschieren, dass da drinnen etwas fehlt, weil sie vielleicht Angst davor haben, nicht genug für andere zu sein. Das ist dann eine innerliche Armut.

In eurem Film ist es so, dass die Figuren Geld an sich nehmen, das ihnen nicht gehört. Normalerweise würde man sagen, das ist unmoralisch. In dem Fall handelt es sich aber um Geld, das niemandem gehört und das auch nicht mehr verwendet würde. Ist das dann unmoralisch?

Nein, ich finde es überhaupt nicht unmoralisch. Es ist ein Experimentieren mit der neuen Situation, die man vorgefunden hat. Das war auch das Spannende an der Zeit. Ich war noch ein Kind damals zur Wende und ich weiß noch, in Berlin war alles Baustelle. Wir haben da tierisch gern gespielt und sind auch durch Zäune geklettert. Damals haben wir uns keine Gedanken darüber gemacht, wem das gehört und was wir da machen. Das war einfach ein Abenteuer. Und ähnlich sind unsere Figuren unterwegs. Sie finden einen gesetzesneutralen Boden vor, wo noch nichts organisiert ist. Das ist ähnlich wie in der Nachkriegszeit, als die Polizei noch nicht da war und Regeln aufgestellt hat. In Berlin wurden zur Wende leerstehende Häuser besetzt, das war damals nichts Illegales, sondern eine neue Interpretation der Räume. Manche haben die Gebäude zum Wohnen genutzt, andere haben Clubs gegründet. Da wurde niemandem etwas weggenommen, sondern das genutzt, was da war. Vorher hatte dem Staat alles gehört. Den Menschen wurde damals mit der Wende der Boden unter den Füßen weggezogen. Die Lebensleistung in der DDR wurde im Westen kaum anerkannt. Selbst wenn du dein Leben lang gearbeitet hattest und studiert hattest, wurdest du im Westen ungern genommen. Das macht natürlich etwas in der Psyche und sorgt für Minderwertigkeitskomplexe.

In dem Film gibt es auch einen starken Kontrast zwischen den Menschen aus dem Westen und dem Osten. Die aus dem Westen treten alle allein auf und versuchen, alles an sich zu raffen, während die Menschen aus dem Wohnblock als Gemeinschaft auftreten. War das damals wirklich so?

Wenn du so sozialisiert wirst, dass es nur ein Zusammen gibt, dann stellst du das gar nicht in Frage. Was du nicht kennst, kannst du nicht vermissen. Wenn du nicht viel anhäufen konntest, weil es gar nichts zu kaufen gab, hast du entsprechend einfacher gelebt und das, was du hattest, mit anderen geteilt. Ich weiß noch, wie ich mich mit meiner Mutter an irgendwelchen Schlangen angestellt habe, obwohl wir nicht wussten, was es vorne gab. Aber es musste etwas Gutes sein, sonst gäbe es diese Schlange nicht. Wir hatten damals noch eine Art Urvertrauen, das kannst du kaum mit dem Leben vergleichen, wie es heute ist. Vielleicht war das die gesündere Art zu leben.  Wenn du dir die heutigen Zivilisationskrankheiten anschaust, die nur Stress und Überforderung bringen. Wir muten uns zu viel zu, wenn wir denken, dass alles immer mehr werden muss. Die Geschichte mit dem ständigen Wachstum führt in die falsche Richtung. Du brauchst eigentlich nicht viel, um Spaß zu haben. Wir wollten mit dem Film aber nicht die damalige Zeit romantisieren. Uns war es wichtig, einen Zugang zu schaffen zu diesem Lebensgefühl. Der Osten wird oft als trist und trübe beschrieben, als belastend. Dabei werden die schönen Zeiten, die die Menschen auch hatten, ein bisschen außen vor gelassen. Daher bin ich sehr dankbar dafür, dass ich in einem Film mitmachen durfte, der die Möglichkeit gibt, die Dinge einmal anders zu betrachten.

Glaubst du, dass man ein solches Gemeinschaftsgefühl wieder erschaffen kann?

Das glaube ich schon. Du hast in Berlin viele Beispiele dafür, wie Menschen als Kollektiv auftreten und entscheiden, was sie zusammen schaffen wollen. Diese Menschen entwickeln gemeinsam Ideen, inspirieren sich gegenseitig, erbauen sich etwas und leben darin und feiern darin. Das ist glaube ich auch das Stärkste, was du haben kannst, ureigene Ideen gemeinsam zu manifestieren und zu realisieren. Und das am Ende dann miteinander zu teilen. Daran glaube ich ganz fest und das ist für mich auch das bessere und vollere Leben.

Als Schauspieler bist du es auch gewohnt, mit anderen gemeinsam etwas zu erschaffen. Gleichzeitig gibt es bei dem Beruf aber auch eine starke Konkurrenzsituation.

Für mich fühlt sich das nicht so an. Ich bin in diesen Beruf reingerutscht. Ich habe keine Ausbildung gemacht. Vielleicht ist das anders, wenn man von einer Schauspielschule kommt. Vielleicht spürst du dann diese Ellbogenmentalität, weil das mit Eitelkeiten verbunden ist und der Frage, wer besser ist, wer schöner ist. Bei mir war es immer so, dass es nur über Vertrauen funktioniert. Ich habe immer intuitiv entschieden, ob ich mit jemandem arbeiten möchte. Ähnlich ist es mit meinen Kollegen. Ich kann immer besser sein, wenn ich anderen vertraue und es darum geht, ob das zusammen funktioniert. Deine Performance kann noch so toll sein, wenn das nicht ineinander hakt, dann funktioniert das nicht. Dann irritiert das vielleicht sogar und lenkt ab. Deswegen glaube ich fest daran, dass es ein gemeinsames Arbeiten auf Augenhöhe ist. Diese Verbindung ist einfach das Wichtigste für mich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Max Riemelt wurde am 7. Januar 1984 in Ost-Berlin geboren. Als Schüler sammelte er erste Erfahrungen als Schauspieler in der Theatergruppe seiner Schule und auf einer Kindertheaterbühne. Sein erster größerer Kinofilm war die Teeniekomödie Mädchen, Mädchen (2001), die knapp 1,8 Millionen Besucher hatte. Mit deren Regisseur Dennis Gansel drehte er noch mehrere weitere Filme, etwa das Drama Die Welle (2008) über ein Sozialexperiment an der Schule. Später war er verstärkt auch internationalen Produktionen zu sehen, darunter in der Netflix-Serie Sense 8 (2015) über acht Fremde, die eine parapsychische Verbindung haben.



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