Shahid
© LeonieHuber, Michael Kalb Filmproduktion
Shahid
„Shahid“ // Deutschland-Start: 1. August 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Eigentlich hatte Narges Shahid Kalhor (Baharak Abdolifard) alle Unterlagen dabei, als sie bei der Behörde auftauchte, um dort den Namen Shahid abzulegen, der ihr von ihrem Urgroßvater beschert wurde und übersetzt Märtyrer bedeutet. Dachte sie zumindest. Doch auf dem umfangreichen Stapel fehlt ein wichtiges Dokument, wie ihr erklärt wird. Sie bräuchte auch ein psychologisches Gutachten. Also bleibt ihr nichts anderes übrig, als bei dem Therapeuten Herr Ribbentrop (Thomas Sprekelsen) vorbeizuschauen, der herausfinden soll, was es mit der Geschichte auf sich hat. Während Kalhor versucht, diesen und andere von ihrem Wunsch zu überzeugen, scheitert sie immer wieder an der Bürokratie. Und dann wären da ja auch noch die tanzenden Männer, die ihr unentwegt folgen und sie an ihr Vermächtnis erinnern …

Identitätssuche jenseits aller Grenzen

In den letzten Jahren hat es im deutschen Kino eine Reihe von Filmen gegeben, in denen sich Iraner und Iranerinnen mit ihrer Heimat auseinandersetzen müssen. Da war etwa das tragikomische The Persian Version, bei dem die Protagonistin Gemeinsamkeiten mit ihrer Mutter feststellt, die vor Jahren mit ihrer Familie in die USA ausgewandert ist. Im Gegensatz zu dem versöhnlichen Familienporträt ist der kürzlich gestartete Sportthriller Tatami deutlich düsterer, wenn eine Judoka ins Visier ihres Regimes gerät und sie eine schwierige Entscheidung zu treffen hat. Nun kommt mit Shahid ein weiterer Beitrag, der in diesem Themenumfeld spielt. Dabei geht die deutsche Produktion in eine komplett andere Richtung und ist allgemein nur wenig mit dem zu vergleichen, was derzeit in den hiesigen Lichtspielhäusern zu sehen ist. Wie so oft bei Filmen, die in der Berlinale Sektion Forum laufen.

Das fängt schon damit an, dass man hier gar nicht sagen kann, was das Genre sein soll. Das eigene Presseheft spricht von Drama und Komödie. Falsch ist das sicher nicht. So werden hier durchaus ernste Themen verhandelt. Gleichzeitig zeigt sich Regisseurin und Co-Autorin Narges Kalhor, die hier von ihrer eigenen Geschichte erzählt, von einer spöttischen Seite, wenn sie die deutsche Bürokratie aufs Korn nimmt. Zwischendurch kommt es immer wieder zu grotesken Musical-Einlagen, die Protagonistin wird von einer Gruppe Tänzern verfolgt, gekleidet in langen, schwarzen Gewändern. Außerdem wird die Grenze zwischen dem Fiktionalen und dem Dokumentarischen immer wieder aufgehoben, weshalb der Film auch beim DOK.fest München zu sehen war. Dort passt Shahid genauso gut rein wie bei anderen Festivals. Möglich ist alles, nur das mit dem Namen nicht.

Persönliches auf Distanz

Klingt gewöhnungsbedürftig? Ist es auch. Kalhor zeigt sich von einer sehr verspielt-experimentellen Seite, legt mit dem Film ein Werk vor, das dem Publikum einerseits viel zumutet, dabei aber gleichzeitig unterhalten will. Einiges ist kunstvoll wie etwa die besagten Tanzeinlagen. Anderes ist eher plakativ, wenn beispielsweise die verschiedenen benötigten Dokumente als Überschrift das Bild derart überlagern, bis kaum noch etwas anderes zu sehen ist. Und dann wäre da noch der Sprachenwirrwarr, wenn Shahid zwischen Deutsch, Englisch und Farsi hin und her springt, je nach Situation. Darauf muss man sich natürlich einlassen können, wer einen „normalen“ Film sehen möchte, ist hier fehl am Platz.

Zuweilen überdeckt dieses Spielerisch-Experimentelle den Inhalt. So witzig es beispielsweise ist, diesen tanzenden Männern zuzusehen, oder auch bei der bürokratischen Odyssee dabei zu sein, manchmal würde man sich eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Themen wünschen. Shahid geht einem durch die seltsamen Verfremdungen auch nicht so nahe, wie man es bei der Geschichte eigentlich vermuten würde. So persönlich das Schicksal der Filmemacherin ist, sie hält einen auf Distanz. Wen das nicht stört, findet hier eine originellen Genremix, der eine Vielzahl von Themen anschneidet und einen ganz eigenen Zugang zu bekannten Motiven wie Selbstbestimmung und Heimat bietet.

Credits

OT: „Shahid“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Narges Kalhor
Drehbuch: Narges Kalhor, Aydin Alinejadsomeeh
Musik: Marja Burchard
Kamera: Felix Pfliege
Besetzung: Baharak Abdolifard, Nima Nazarinia, Thomas Sprekelsen, Narges Kalhor, Saleh Rozati

Bilder

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Shahid
fazit
„Shahid“ folgt einer Exil-Iranerin, die in Deutschland einen Teil ihres Namens ablegen möchte, dabei aber an der hiesigen Bürokratie scheitert. Das autobiografische Werk wechselt dabei kontinuierlich das Genre, zeigt sich von einer verspielt-experimentellen Seite. Das ist interessant und sehenswert, auch wenn dabei manchmal der Inhalt auf der Strecke bleibt und einem die Geschichte nicht so nahe geht, wie man es vielleicht erwartet hätte.
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