Italien im frühen 16. Jahrhundert: Leonardo da Vinci gilt als begabter Künstler und Erfinder. Dennoch gerät er immer wieder mit der Kirche aneinander, die seinem Wissensdurst skeptisch gegenübersteht. Vor allem seine Beschäftigung mit der menschlichen Seele und den Geheimnissen des Lebens stößt beim Papst auf wenig Gegenliebe, da dies die Arbeit Gottes sei und kein Mensch sich einzumischen habe. Erst als da Vinci den Papst überzeugt, mit dem französischen König Frieden zu schließen, wendet sich für ihn selbst das Blatt. So wird er von dem König nach Frankreich eingeladen, wo er bei der Errichtung des Schlosses in Remorantin beratend zur Seite stehen soll. Während der Erfinder offiziell an der idealen Stadt arbeitet, führt er im Geheimen jedoch seine existenziellen Forschungen fort …
Solodebüt eines Animationsveteranen
Die bisherige Filmografie von Jim Capobianco ist sicherlich beeindruckend. So wurde er für seine Arbeit an dem Drehbuch von Ratatouille (2007) für einen Oscar nominiert. Allgemein war er inhaltlich an vielen namhaften Animationsfilmen beteiligt, sei es durch Storyboards oder als Story Consultant. Unter anderem finden sich auf diese Weise so unterschiedliche Titel wie Der König der Löwen (1994), Die Monster AG (2001) oder Wolfwalkers (2020). Doch er blieb dabei ein Mann aus der zweiten Reihe, einen eigenen Film suchte man bei ihm lange vergebens. Umso neugieriger durfte man sein, wie The Inventor ausfallen würde. Nachdem er zuvor bereits eine Handvoll Kurzfilme gedreht hatte, gab er mit seinem eigenwilligen Porträt des legendären Erfinders und Künstlers sein Langfilmdebüt.
Dabei zeigt er visuell eine Vorliebe für das Traditionelle. So sucht man CGI, wie es bei Pixar angewendet wurde, vergeblich. Stattdessen setzt er primär auf die altehrwürdige Stop-Motion-Animation, wenn er uns auf eine Zeitreise ins Italien des 16. Jahrhunderts mitnimmt. Die Ausstattung ist dabei um einiges simpler, als man es von den Platzhirschen Aardman und Laika gewohnt ist. Die Settings sind spärlicher, es wird auf vergleichbare Spezialeffekte verzichtet. Aber: Es ist schon charmant, was der US-Amerikaner hier mit seinem Team auf die Beine gestellt hat. Außerdem sorgt er für Abwechslung, wenn er diese Optik in The Inventor immer mal wieder mit Zeichentricksequenzen verbindet, wenn es beispielsweise um imaginäre Szenen geht. Und von denen gibt es einige, wenn der Protagonist seiner Fantasie freien Lauf lässt.
Schöner Geheimtipp
Um ein reines Biopic handelt es sich hier dann auch nicht. Zwar greift Capobianco, der auch das Drehbuch geschrieben hat, durchaus reale Figuren auf und erzählt deren Geschichten. Man sollte von dem Film aber nicht erwarten, dass er viele greifbare Informationen mit dem Publikum teilt, nach denen man mehr über die damalige Zeit erfahren hat. Bei The Inventor soll es lieber humorvoll zugehen, dazu kindgerecht. Der Film richtet sich insgesamt schon eher an eine jüngere Zielgruppe, die mit kauzigen Figuren an das Thema herangeführt wird. Es macht dann auch durchaus Spaß, wenn der neugierige Erfinder im Geheimen seinen Forschungen nachgeht, während er nach außen hin irgendwelche absurden Sachen kreiert, um die Gunst zu bewahren. Der König will schließlich andere beeindrucken.
Das Ergebnis ist ein unterhaltsames Werk, welches visuellen Einfallsreichtum mit Witz verbindet. Das Animationsabenteuer, welches 2023 auf dem Annecy Festival Premiere feierte, ist ein schöner Geheimtipp für die ganze Familie. Umso bedauerlicher ist, dass dieser hierzulande nicht den Weg in die Kinos fand. Er wurde nicht einmal auf DVD veröffentlicht oder von einem der Streamingdienste aufgegriffen. Dafür ist The Inventor seit einiger Zeit digital erhältlich und es wäre zu wünschen, dass der Film dort sein Publikum findet. Zudem macht er neugierig, was Capobianco nach seinem gelungenen Einstand als Regisseur als nächstes angehen wird. Zumindest hat er hiermit bewiesen, dass er auch eigene Geschichten schreiben kann, anstatt sich nur um die von anderen zu kümmern.
OT: „The Inventor“
AT: „Léo, la fabuleuse histoire de Léonard de Vinci“
Land: USA, Frankreich, Irland
Jahr: 2023
Regie: Jim Capobianco, Pierre-Luc Granjon
Drehbuch: Jim Capobianco
Musik: Alex Mandel
Kamera: Marijke Van Kets
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