Die Diagnose ist niederschmetternd, die Kristofer (Egill Ólafsson) erhält: Er leidet an Demenz im Anfangsstadium. Während die Welt aufgrund der sich entwickelnden Corona-Pandemie beginnt, sich immer mehr abzuschließen, entscheidet der Witwer, seine Heimat Island hinter sich zu lassen und nach London zu fliegen. Dort hatte er als junger Mann (jetzt: Palmi Kormákur) studiert, bis er alles an den Nagel hing und in dem japanischen Restaurant von Takahashi (Masahiro Motoki) arbeitete. Dort war er auch Miko (Kōki) begegnet, der Tochter Takahashis. Schnell entwickelte er Gefühle für die junge Frau, obwohl sie bereits vergeben war. Tatsächlich kamen sie sich näher, bis sie spurlos verschwand. Mehr als 50 Jahre später will Kristofer herausfinden, was aus seiner großen Liebe geworden ist – und wenn es das Letzte ist, was er tut …
Eine Liebesgeschichte und viel mehr
Bald 30 Jahre ist es inzwischen her, dass der isländische Regisseur Baltasar Kormákur sein Debüt vorgelegt hat. Seither wechselte zwischen Produktionen in seiner Heimat und solchen, die in Hollywood entstanden sind. Letztere sind dann oft actionreicher, ob es zuletzt nun der Survivalthriller Beast – Jäger ohne Gnade (2022) war oder die Actionkomödie 2 Guns (2013). Mit großen Stars suchte er dann das große Kino. Im Vergleich dazu waren seine heimischen Produktionen oft ruhiger und intimer. Und doch ist Touch in der Hinsicht noch einmal ein ganz anderes Klaiber. Statt der Spannung, wie man es von seinen Filmen meist gewöhnt ist, sucht er das Zwischenmenschliche und erzählt von diesem in ganz leisen Tönen und einem unerwarteten Sinn für Zärtlichkeit.
Zugrunde liegt dem Drama dabei der 2022 veröffentlichte Roman von Ólafur Jóhann Ólafsson, der in Island ein enormer Erfolg wurde. Der Schriftsteller, der aufgrund seiner Arbeit für die Sony PlayStation selbst viel in Japan unterwegs war, ist auch an dem Drehbuch beteiligt. Und er hat eine Menge zu erzählen. Zunächst sieht es danach aus, als ginge es um den in die Jahre gekommenen Kristofer und was er mit seiner verbleibenden Zeit anfängt. Das wird sehr schnell mit einem Porträt der 1960er verbunden, als London zu einem Schmelztiegel wurde, in dem alles möglich schien. Daraus wird dann eine Liebesgeschichte. Aber noch viel mehr, im Laufe der zwei Stunden spricht Touch unzählige Themen an, von der Corona-Pandemie über die Krankheit und Kristofers schwieriges Verhältnis zur Tochter bis zur japanischen Geschichte. Das ist dann zwar alles interessant, aber zu viel für den Rahmen – zumal einiges gar nicht zu Ende erzählt wird.
Ein Kino der tiefen Gefühle
Die einzelnen Themen sind dabei oft von einer sehr universellen Natur. Natürlich ist manches ziemlich spezifisch, wenn es etwa um die japanische Kultur geht oder das Lebensgefühl im London der 1960er. Anderes bietet aber viel Identifikationsfläche. Da ist die Sehnsucht nach der Vergangenheit und die Aufarbeitung einer alten Liebe. Streitigkeiten innerhalb der Familie dürfen einem ebenso bekannt vorkommen wie die Absurdität während der Pandemie. Touch baut dann und wann auch Humor ein, gerade zu Beginn lebt der Film von einer eher lockeren Atmosphäre. Kormákur fängt dabei schön das Gefühl einer beginnenden Liebe ein. Aber auch die Begegnung zweier Kulturen, die so unterschiedlich sind, ist dazu geeignet, die Herzen des Publikums zu erwärmen.
Der Abschlussfilm vom Filmfest München 2024 lebt dabei auch von der Besetzung. Eine Entdeckung ist dabei Hauptdarsteller Palmi Kormákur, der Sohn des Regisseurs, der als zurückhaltender, aber ausdauernder Verehrer die Sympathien der Zuschauer und Zuschauerinnen erhält. Die gemeinsamen Szenen mit seiner japanischen Kollegin Kôki funktionieren gut. Auch der Rest des Ensembles trägt dazu bei, dass die Geschichte eine sehr menschliche Note erhält. Touch nimmt uns mit auf eine Reise, sowohl eine durch die Zeit wie auch über die ganze Welt, auf die Suche nach dem Glück und dem, was uns ausmacht. Das ist berührend, ohne kitschig zu werden, und ein Tipp für Leute, die im Kino tiefe Gefühle sehen möchten, selbst wenn diese sich unter der Oberfläche abspielen.
OT: „Touch“
Land: Island, UK
Jahr: 2024
Regie: Baltasar Kormákur
Drehbuch: Ólafur Jóhann Ólafsson, Baltasar Kormákur
Vorlage: Ólafur Jóhann Ólafsson
Musik: Högni Egilsson
Kamera: Bergsteinn Björgúlfsson
Besetzung: Egill Ólafsson, Kôki, Palmi Kormákur, Yoko Narahashi, Masahiro Motoki, Yôko Narahashi, Ruth Sheen, Masatoshi Nakamura, Meg Kubota
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir haben uns mit Regisseur Baltasar Kormákur getroffen. Im Interview zu Touch sprechen wir über nicht gelebte Leben, die Herausforderungen der Liebe und lehrreiches Kino.
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