Vital
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Vital

Vital
„Vital“ // Deutschland-Start: 31. März 2006 (DVD)

Inhalt / Kritik

Als Folge eines verheerenden Unfalls verliert der Student Hiroshi (Tadanobu Asano) sein Gedächtnis. Zudem kam seine Freundin Ryoko (Nami Tsukamoto) bei dem Unfalls ums Leben, was ein zusätzlicher emotionaler Schlag für den jungen Mann ist, der mit großer Mühe sich zu erinnern versucht, was er vor dem schicksalhaften Ereignis überhaupt gemacht hat. Schließlich findet er seine Bücher über Medizin und Anatomie, sodass er sich aus Kummer voller Eifer in deren Studium sowie seine Kurse an der Universität vertieft. Er wird zu einem der Besten seines Jahrgangs und ignoriert völlig seine Mitstudentin Ikumi (Kiki), die sich für ihn interessiert. Eines Tages jedoch wird er mit seiner Vergangenheit konfrontiert, als er erkennt, dass der Leichnam, an dem er gerade arbeitet, der von seiner verstorbenen Freundin Ryoko ist. Er vertieft sich noch mehr in das Studium des menschlichen Körpers und droht dabei, die Bindung zu Wirklichkeit zu verlieren.

Das letzte Tabu

Der menschliche Körper als Spiegelbild der Moderne ist eines der Hauptthemen im Schaffen von Filmemacher Shinya Tsukamoto. Bereits in seinem ersten Film Tetsuo: The Iron Man beleuchtete er die Beziehung des Körpers zur Moderne als einen Prozess der schrecklichen, aber auch befriedigenden Symbiose. Als er sich mit Leonardo da Vincis Skizzen zur menschlichen Anatomie auseinandersetzte, entstand daraus die Idee eine Geschichte über das letzte Tabu in unserer Gesellschaft zu erzählen, wie Tsukamoto in Interviews betont. In Vital geht es, so der Regisseur, darum, dass der Mensch in der technologisierten Moderne es geschafft hat, den Körper zu ignorieren, oder zumindest unausweichliche Prozesse wie den Tod auszublenden.

Generell sind Tsukamotos Filme in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung für den Zuschauer, jedoch gebührt Vital ein besonderer Platz innerhalb des Schaffens seines Regisseurs. Die Themen mögen einem bekannt vorkommen, gerade wenn man die Tetsuo-Filme, Gemini oder A Snake of June kennt, jedoch die Herangehensweise des Filmemachers bei Vital ist selbst für Tsukamotos Verhältnisse sehr speziell. Dies hängt unter anderem mit der Ausgangslage des Hauptcharakters zusammen, dessen körperliche Identität nach einem schrecklichen Ereignis einen Paradigmenwechsel unterläuft.

Tadanobu Asano (Ichi – The Killer) spielt einen jungen Mann, der lernen muss, die Sicherheit über seinen Körper zurückzuerlangen, was zunächst über das Zurückerlangen des Gedächtnisses geht und schließlich über seine Studien zur Anatomie. Hiroshi ist so etwas wie eine Mischung aus Figuren wie Victor Frankenstein oder der Gebrüder Mantle aus David Cronenbergs Dead Ringers – Die Unzertrennlichen. Das Studium alleine, das weltliche Wissen und die Analyse verschiedener Körper an sich reicht Hiroshi nach einer Weile nicht mehr, sodass er sich verliert in einer Suche nach dem, was man darüber hinaus noch erfahren kann. Das Überschreiten des Tabus inszeniert Tsukamoto als visuelle tour-de-force, innerhalb derer man nachverfolgen kann, wie Hiroshi sich verändert, welche Freude er empfindet, doch ebenso wie weit der Prozess der Entfremdung von einer Umwelt schon fortgeschritten ist.

Individuum und Körper

Es gibt viele Gründe, warum Asano einer der besten Schauspieler Japans ist und auch international gefragt ist. Seine Gabe, eine komplexe Rolle wie Hiroshi in Vital mit Leben zu füllen, ist einer dieser Gründe. Etwas hat sich verschoben in dem jungen Mann, seinem Umgang mit der Welt und seiner Sicht auf diese, was schwer in Worte zu fassen ist. Tsukamoto liefert uns auch keine Worte, sondern löst dies durch die für ihn typischen eindrucksvollen und erschreckenden Bildern, die den Zuschauer mit hineinziehen in die Perspektive des Medizinstudenten, der nichts weniger anstrebt als den neuen Körper und eine Überwindung der physischen Grenzen. Jegliche Sicherheiten, über die eigene Person, die Biografie und die Zeit generell, scheinen aufgehoben, was das Individuum in einem Zustand der Auflösung zeigt. Wie in Tetsuo beobachtet man als Zuschauer diesen Prozess mit einer Mischung aus Faszination und Erschrecken. Einfach ist dies nicht, denn auch Vital ist eine Erfahrung, die dem Publikum einiges abverlangt und auf die sich nicht jeder einlassen wird.

Credits

OT: „Vital“
Land: Japan
Jahr: 2004
Regie: Shinya Tsukamoto
Drehbuch: Shinya Tsukamoto
Musik: Chu Ishikawa
Kamera: Shinya Tsukamoto
Besetzung: Tadanobu Asano, Nami Tsukamoto, Kiki, Kazuyoshi Kushida, Lily, Jun Kunimura, Hana Kino, Ittoku Kishibe

Trailer

Filmfeste

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Vital
fazit
„Vital“ ist eine Mischung aus Drama und Horror, in dem es um die Aufhebung der Grenzen des Körpers geht. Shinya Tsukamoto liefert einer seiner schwierigsten, aber auch traurigsten Filme ab, in dem ein Medizinstudent versucht, die letzten Tabus zu überschreiten und dabei den Bezug zur Wirklichkeit verliert.
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