Offenburg, 1949: Franz Burda (Fritz Karl) hat es mit seiner Druckerei und seinem Verlag zu etwas gebracht, er macht genug Geld, um seiner Familie ein angenehmes Leben zu bereiten. Und so bringt er wenig Verständnis dafür auf, dass seine Frau Anna (Katharina Wackernagel) arbeiten möchte, wo sie das doch überhaupt nicht nötig hat. Ihre Idee, ein eigenes Modemagazin auf den Markt zu bringen, bei dem die Leserinnen Vorlagen zum Selbernähen finden, nimmt er nicht ernst. Sie ist hingegen davon überzeugt, dass die Frauen sich nach ein wenig Schönheit im Alltag sehnen. Denn während andere Modezeitschriften unerschwingliche Kleider zeigen, will sie gezielt ein Publikum mit kleinem Geldbeutel ansprechen. Doch erst, als sie von den Affären ihres Mannes erfährt und sie dadurch ein Druckmittel erhält, kann Anna ihren Traum wahrmachen …
Die Geschichte einer doppelten Pionierin
Der Name Burda ist wie kaum ein anderer mit der deutschen Verlagsbranche verbunden. Mit Zeitschriften wie Bunte, Freundin oder Focus gehört Hubert Burda Media zu den wichtigsten deutschen Medienunternehmen überhaupt. Nicht ganz auf dem Niveau der genannten Magazine ist Burda Style mit einer Auflage von rund 55.000 Exemplaren. Dabei hat es historisch gesehen einen großen Anteil an den Erfolgen des Verlags. In den 1950ern war es eine Zeit lang das wichtigste Produkt der Druckerei, welche der Familie gehörte. Allein deshalb schon ist ein Blick auf die Geschichte dieser Zeitschrift interessant, zumal der Aufstieg mit einer Reihe wichtiger gesellschaftlicher Themen einhergeht. Themen, die auch die ARD-Produktion Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau immer wieder anspricht.
Genauer sind es zwei Hauptthemen, welche der Fernsehzweiteiler in den 180 Minuten regelmäßig unterbringt. Da ist zum einen die Demokratisierung der Mode. Damals war diese noch ein Vorrecht der Reichen und Schönen, nichts für das einfache Volk. Burda Moden, wie das Magazin anfangs noch hieß, trug dazu bei, dass sich auch Frauen aus einfacheren Verhältnissen schöne Kleider leisten konnten – Schnittmustern sei Dank. Dass das nicht allen gefiel, ist klar. Die Modebranche rümpfte die Nase. Gleichzeitig erzählt der Film von der Selbstverwirklichung der Protagonistin Aenne Burda. Die ist anfangs noch in den damaligen Geschlechterrollen gefangen, muss sich das Recht auf eine eigene Arbeit erst noch erarbeiten. Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau hat damit eine stark feministische Ausprägung, feiert eine Pionierin, die sich auf verschiedenste Weisen in einer Männerwelt durchsetzt und damit Geschichte schrieb.
Zu einseitig und bieder
Dass das beeindruckend ist, steht außer Frage. Allerdings ist Drehbuchautorin Regine Bielefeldt (Tatort: Unter Gärtnern) so sehr von dieser Figur fasziniert, dass der Film zu einer reinen Heldinnenverehrung verkommt. Das einzige, was man der Protagonistin vorwerfen könnte, ist, dass sie durch ihren unerbittlichen Einsatz zuweilen ihre Kinder vernachlässigt – das bekannte Problem von der Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf eben. Ansonsten hat Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau aber alle Ecken und Kanten sorgfältig weggeschliffen. Das Bedürfnis, Burda zu einer Powerfrau zu machen, war so groß, dass völlig vergessen wurde, ihr auch eine interessante Persönlichkeit mitzugeben. Hauptdarstellerin Katharina Wackernagel (Mord mit Aussicht) spielt das dann zwar mit großem Einsatz, kann aber nicht verhindern, dass die Unternehmerin aufgrund fehlender Nuancen und Ambivalenzen langweilig geworden ist.
Und auch sonst ist der Film arg glatt geworden. Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau lässt die nötige Lebendigkeit vermissen, um eine wirklich mitreißende Geschichte zu erzählen. Das biografische Drama ist bieder und mutlos, hat nichts von der Energie und Eigensinnigkeit der Hauptfigur. Zudem lässt es Authentizität vermissen: Das wirkt hier alles viel zu künstlich, hat mehr von einer Ausstellung als einem Einblick in ein reales Leben. Die spannende Aufsteigergeschichte rechtfertigt zwar schon einen Blick auf das Porträt. Aber sie ist nicht genug, um auf diese Weise wirklich drei Stunden auszufüllen, mehr als Durchschnitt ist diese TV-Zeitreise nicht.
OT: „Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau“
Land: Deutschland
Jahr: 2018
Regie: Francis Meletzky
Drehbuch: Regine Bielefeldt
Musik: Martin Lingnau, Ingmar Süberkrüb
Kamera: Bella Halben
Besetzung: Katharina Wackernagel, Fritz Karl, Luise Wolfram, Annika Olbrich, Jean-Yves Berteloot, Hansa Czypionka, Martina Eitner-Acheampong
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