Touch (Kinostart: 8. August 2024) erzählt die Geschichte des Isländers Kristofer (Egill Ólafsson), der zu Beginn der Corona-Pandemie eine niederschmetternde Diagnose erhält: Er hat Alzheimer. Trotz der widrigen Umstände beschließt er daraufhin, eine Reise nach London anzutreten, wo er als junger Mann (Palmi Kormákur) in einem japanischen Restaurant gearbeitet hatte. Bei dieser Reise in die Vergangenheit geht es ihm vor allem darum, herauszufinden, was mit Miko (Kōki), der Tochter des Restaurantbesitzers, geschehen ist, in die er sich seinerzeit hoffnungslos verliebt hatte. Wir haben uns mit Regisseur und Co-Autor Baltasar Kormákur bei der Deutschlandpremiere beim Filmfest München 2024 getroffen und mit ihm über das Drama gesprochen.
Touch basiert auf einem Roman von Ólafur Jóhann Ólafsson. Warum warst daran interessiert, das Buch zu adaptieren?
Mein Bruder gab es mir und ich begann, es zu lesen. Mir gefiel die Geschichte über einen alten Mann, der nach seiner verlorenen Liebe sucht. Am Ende hat es mich total erwischt. Es hat mich in vielerlei Hinsicht überrascht. Ich habe lange nach so etwas gesucht, weil es für einen isländischen Film ganz anders ist. Es ging weder um ein Haustier noch um einen alten Bauern. Ich dachte nur, ich wollte eine Liebesgeschichte erzählen, aber eine echte und etwas, das für mich von Bedeutung ist. Etwas, auf das ich auch einige meiner Beziehungen projizieren könnte. Ich habe den Roman in ein oder zwei Tagen gelesen und dann am dritten Tag rief ich ihn an und fragte ihn, ob er mit mir daran arbeiten wolle. Und er sagte sofort Ja.
Und wie war die Zusammenarbeit mit dem Autor? Schließlich hat er das Drehbuch mit dir geschrieben.
Das stimmt. Zunächst einmal solltest du niemals mit einem Romanautor, einem Tier oder einem Kind arbeiten, oder? Ich habe bereits mit einem Romanautor zusammengearbeitet. Dieses Projekt wurde nie abgeschlossen, weil er nicht das Drehbuch schreiben wollte, das ich machen wollte, und ich nicht das Drehbuch machen wollte, das er geschrieben hatte. Diese Zusammenarbeit hat also nicht funktioniert. Doch bei Touch war es tatsächlich genau das Gegenteil. Und es ist wahrscheinlich die beste Beziehung, die ich überhaupt zu einem Drehbuchautor hatte. Er hat im Grunde alles, jede Idee, die ich vorgeschlagen habe, übernommen, um das Drehbuch zu ändern, weil es einiges gab, auch wenn die zentrale Geschichte dieselbe ist. Tatsächlich lief es so gut, dass wir jetzt gemeinsam an einem Drehbuch arbeiten, das auf einer ursprünglichen Idee basiert, die er hatte.
Eine letzte Frage zum Buch. Der Roman war sehr erfolgreich. Wie erklärst du dir den Erfolg? Warum waren die Leute von der Geschichte so fasziniert?
Erstens ist es für eine isländische Geschichte sehr ungewöhnlich, wie sie von Island nach England und nach Japan wandert und plötzlich auf eine Weise in unsere Geschichte eintaucht, die wir in einem Film wie diesem nicht erwarten würden. Und dann denke ich, dass sich die Menschen emotional damit identifizieren können, wenn sie zurückblicken und denken: Habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen? Warum ist mein Leben so verlaufen? Je älter wir werden, desto wichtiger wird die Vergangenheit tatsächlich. Du fängst an, über deine Entscheidungen in der Vergangenheit nachzudenken, und einige nicht gute Entscheidungen beginnen, dich schwer zu belasten. Wir erzählen die Geschichte eines alten Mannes, der sein Leben nicht in vollen Zügen genoss. Deshalb war es mir wichtig, diese Schnitte von seiner Ex-Frau zu haben. Sie ist eine schöne Frau. Kein Grund, nicht geliebt zu werden. Aber er war nicht da, er war ein schrecklicher Ehemann. Nicht weil er ein schlechter Mensch ist, sondern weil er nicht da war. Und er versucht herauszufinden, warum. Und ein Teil davon ist die Geschichte seiner ersten Liebe, die plötzlich verschwand. Er kommt einfach nicht darüber hinweg. Es ist ein Trauma, mit dem er sich nie auseinandergesetzt hat. Es geht also darum, einen Abschluss zu finden. Gerade als die Welt wegen Covid stillsteht, findet er den Mut, hinauszugehen und nach Antworten zu suchen.
Es liegt aber auch an der Diagnose Demenz. Glaubst du, er wäre ohne diese Diagnose auf die Reise gegangen?
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Vielleicht hätte er gewartet, bis es zu spät ist. Das ist bei Leuten üblich, die nach ihren Eltern suchen. Menschen entscheiden, dass sie es nicht wollen, weil sie lange Zeit wütend waren oder weil sie keine Beziehung hatten. Und sobald sie alt genug sind, um zu vergeben und das Problem zu überwinden, ist die Person gestorben. Das passiert oft. Ich wollte es nicht zu spät für ihn machen. Hoffnung ist sehr wichtig, ohne daraus ein beschönigtes Ende zu machen. Ein Psychiater sagte mir, es sei nie zu spät, die Beziehung zu deinen Kindern oder deinen Eltern zu verbessern. Denn es geht nicht um die verbleibende Zeit, sondern um dich.
Wir haben vor zwei Jahren ein Interview zu Beast – Jäger ohne Gnade geführt. Damals haben wir über deine Erfahrungen mit Survival-Sachen gesprochen, weil du schon mehrere Survival-Filme gemacht hast. Am Ende habe ich dich gefragt, was deine nächsten Projekte sein würden. Du hast bereits über Touch gesprochen und dass es auch eine Art Überlebensgeschichte sein würde, weil es um das Überleben der Liebe geht. Wie überlebt man die Liebe?
Ich denke, es ist eine große Herausforderung. Liebe ist eine große Herausforderung. Ehrlich gesagt bin ich damit nicht besonders gut klargekommen. Ich habe es nicht immer besonders gut behandelt, weißt du. Ich denke, ein Grund für mich, diesen Film zu machen, bestand darin, mich damit auseinanderzusetzen. Damit umzugehen. Um es anzusehen. Es gibt viele Arten von Liebe. Es gibt eine Liebe zu deinen Kindern. Es gibt die Liebe zum Partner. Und es gibt eine Liebe zu dir selbst. Ich habe keine Angst vor Bergen oder Löwen. Aber ich habe Angst vor der Liebe. Dabei mag ich es, mich selbst herauszufordern. Hier fordere ich mich selbst heraus, verletzlich zu sein. Weißt du, ich habe in Island nicht das Image, verletzlich zu sein. Ich bin eher ein böser Junge, ein wilder Junge. Ich habe viel getrunken und war ein Frauenheld, als ich Schauspieler war, im Grunde alle Klischees, die man sich vorstellen kann.
Auch Touch beschäftigt sich mit der japanischen Geschichte, genauer gesagt mit Hiroshima. Wie schwierig war es für dich, tatsächlich über dieses Thema zu sprechen? Hiroshima war eine Erfahrung, die für jeden, der nicht aus Japan kommt, völlig fremd ist. Konntest du tatsächlich nachvollziehen, was mit all diesen Charakteren passiert?
Als ich den Roman las, hatte ich keine Ahnung von diesem Thema und war völlig davon fasziniert. Als ich Der einzige Zeuge im Kino sah, wusste ich nichts über das Volk der Amish. Aber es war so interessant. Ich denke, wenn man es auf eine erfüllende Art und Weise macht und dem Publikum genug bietet, wird es sich gerne weiterbilden und etwas Neues lernen. Aber ich denke, für die meisten Menschen ist es sehr einfach, die Folgen einer Atombombe zu verstehen. Außerdem denke ich, dass es auch an der Zeit ist, die Menschen daran zu erinnern, denn wir könnten wieder in diese Richtung gehen. Die Geschichte handelt ohnehin nicht von Hiroshima. Einen Film über die Folgen von Hiroshima kann man einem Publikum nicht verkaufen. Aber als Teil eines Familiendramas funktioniert es, denn sobald man dort angekommen ist, passt es wirklich.
Vielen Dank für das Gespräch!
Touch tells the story of the Icelandic Kristofer (Egill Ólafsson), who receives a devastating diagnosis at the beginning of the corona pandemic: he has Alzheimer’s. Despite the adverse circumstances, he then decides to travel to London, where he worked in a Japanese restaurant as a young man (Palmi Kormákur). On this trip into the past, his main aim is to find out what happened to Miko (Kōki), the restaurant owner’s daughter, with whom he was hopelessly in love. We met director and co-author Baltasar Kormákur and talked about the drama.
Touch is based on a novel by Ólafur Jóhann Ólafsson. Why were you interested in adapting the book?
My brother gave it to me and I started reading it. I liked the story about an old man who is looking for his lost love. By the end it totally got me. It surprised me in many ways. I’ve been looking for a long time for something like that because it is very different for an Icelandic film. It wasn’t about a domestic animal or about an old farmer. I just thought I wanted to tell a love story, but a real one and something that is meaningful to me. Something that I could project some of my relationships in as well. I read the novel in a day or two and then the third day I called him and asked him if he wanted to work with me on this. And he said yes right away.
And how was the cooperation with the author? He wrote the script with you after all.
Yes. First of all, you should never work with a novelist, an animal or a child, right? I have worked with a novelist before. That project was never finished because he didn’t want to the write the screenplay I wanted to make and I didn’t want to make the screenplay he wrote. So that cooperation didn’t work. But with Touch it actually turned totally the opposite. And it’s probably the best relationship I’ve had with a writer generally. He basically took everything, every idea I suggested to change the script because there was quite a bit, even though the central story is the same. In fact it went so well that now we are working on a script together based on an original idea that he had.
One last question about the book. The novel was very successful. How do you explain the success? Why were people so attracted to the story?
First of all it’s very unusual for an Icelandic story the way it moves from Iceland to England and to Japan and suddenly dips into our history in a way that we don’t expect to see in a movie like this. And then emotionally, I think people can connect with looking back and thinking: Did I make the right choices? Why did my life turn out the way it did? The older we get, the more important the past actually starts to get. You start thinking about your choices in the past and some non-good choices start weighing heavily on you. We’re telling the story of an old man who didn’t live his life to the fullest. That’s why it was important to me to have those cuts of his ex-wife. She is a beautiful woman. No reason not to be loved. But he wasn’t there, he was a terrible husband. And he’s trying to figure out why. And part of that is that story of his first love who suddenly disappeared. He just doesn’t get over it. It’s a trauma he never dealt with. So it’s about finding a closure. Just as the world is shutting down because of Covid he finds the courage to go out and look for the answers.
But it’s also because the diagnosis of dementia. You think he would have gone on the journey without this diagnosis?
Maybe, maybe not. Maybe he would have waited until it’s too late. That’s common with people looking for their parents. People decide they don’t want to because they were angry for a long time or because they didn’t have a relationship. And once they’re old enough to forgive and get over the problem the person died. That happens a lot. I didn’t want to make it too late for him. Hope is very important. Not like a sugarcoated ending. A psychiatrist told me it’s never too late to fix the relationship with your children or your parents. Because it’s not about the time that’s left, it’s about you.
We did an interview on Beast two years ago. Back then we were talking about your experiences with survival stuff because you had done several survival films before. In the the end I asked you what your next projects would be. You already talked about Touch and that it would be a sort of survival story too because it’s about surviving love. How do you survive love?
I think it is a big challenge. Love is a big challenge. I have not been great with it to be honest. I haven’t always treated it greatly, you know. So I think part of me doing this film is to come to terms with it. To deal with it. To look at it. There are many kinds of love. There’s a love of your children. There is the love of partner. And there is a love of yourself even you know. Maybe that’s why I wanted to do this. I’m not scared of mountains or of lions. But I’m scared of love. I like to challenge myself though. So here I challenge myself to be vulnerable. I don’t have that image in Iceland, being vulnerable. I’m more of a bad boy, a wild boy. I drank a lot and was a womanizer when I was an actor, basically all the cliches you could come up with.
Touch also deals with Japanese history, more specifically Hiroshima. How difficult was it for you to actually talk about this topic? Hiroshima was an experience that is completely foreign to anybody who isn’t from Japan and. Could you actually relate to what is happening to all these characters?
I didn’t know anything about that topic when I read the novel and I was totally captured by it. When I saw Witness in the cinemas I didn’t know anything about Amish people. But it was so interesting. I think if you do it in a fulfilling way and give the audience enough they love to get educated and learn about things. But I think it’s very easy for most people to understand the consequences of an atomic bomb. Plus I think it’s also about time to remind people about it because we might be heading in that direction again. The story isn’t about Hiroshima anyway. You couldn’t sell a film about the consequences of Hiroshima to an audience. But it being part of a family drama makes it work because once you get there it’s really fitting.
Thank you for the interview!
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