Gyaku-funsha Kazoku Crazy Family – Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb
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Crazy Family – Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb

„Crazy Family – Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb“ // Deutschland-Start: 29. August 1985 (Kino) // 15. August 2024 (Kino, Wiederaufführung)

Inhalt / Kritik

Jahrelang haben die Kobayashis eisern gespart und gearbeitet, sodass sie sich nun endlich ein Eigenheim leisten können. Am Tag des Umzugs sind Vater Katsukuni Kobayashi (Katsuya Kobayashi), seine Frau Saeko (Mitusko Baisho) sowie Sohn Masaki (Yoshiki Arizono) und Tochter Erika (Yuki Kudo) voller Vorfreude auf das Haus, das mehr Raum zu bieten hat als das vorherige, enge Apartment. Katsukuni hofft, dass seine Familie nun nicht mehr die Verlierer sind, die sie vorher waren. Die ersten Tage beginnen recht hoffnungsvoll, und sogar Großvater Yasukune (Hitoshi Ueki), der ebenfalls das neue Heim seines Sohnes und dessen Familie sehen will, ist voll des Lobes für Katsukuni. Als Erikas Proben für einen Gesangsauftritt und Masaskis Lernen für eine Prüfung zu Obsessionen werden und auch seine Frau immer seltsamer wird, ist Katsukuni jedoch klar, dass die „Krankheit“ seine Familie wieder eingeholt hat und es an ihm liegt, ein schlimmes Schicksal abzuwenden. Mit Unterstützung seines Vaters macht er sich an die Arbeit, noch mehr Raum im Haus zu schaffen und für das Glück seiner Familie zu sorgen.

Plötzlich auftretender Irrsinn

Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb ist der erste Film, den Regisseur Gakuryu Ishii (Sogo Ishii) unter dem Banner der Director’s Company verwirklichte, einer Produktionsfirma, die, wie der Name schon andeutet, Filmemacher die Möglichkeiten gab, Filme nach ihren Vorstellungen zu machen. Mit Werken wie Burst City bewies Ishii seine Nähe zur Punk-Bewegung, besonders der damit verbundenen Anti-Establishment-Haltung, die sich bis heute durch seine Filme zieht. Gegen den Konformismus, das Untertanentum sowie die Ignoranz richten sich seine Geschichten, wobei er nicht selten Unterstützung erhält von japanischen Punkbands, die in seinen Filmen auftreten oder zumindest zu deren Soundtrack beisteuern. Crazy Family oder Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb bildet keine Ausnahme, denn sie beißende Satire auf Familien- und Rollenbilder ist eine anarchische Komödie, die mit der Zeit immer weiter aus dem Ruder läuft und nichts weniger als eine Dekonstruktion dieser Bilder anstrebt.

Das Familiendrama ist eines der beliebtesten Genres im japanischen Kino. Bis in die heutige Zeit, wenn man beispielsweise die Filme eines Hirokazu Kore-eda (Shoplifters – Familienbande, Die Unschuld) betrachtet, finden sich im Familiendrama Geschichten, die als eine Art Panorama der japanischen Gesellschaft dienen können und so unterschiedliche Themen wie Globalisierung oder Technisierung behandeln. Die Familie in Ishiis Film ist, wie der Titel anzeigt, jedoch alles andere als normal, denn eine Krankheit hat sich ganz tief in ihren Zellkern eingeschlichen und beginnt diese mehr und mehr zu zerfressen, ähnlich der Termiten, welche der Familienvater im Haus zu vertreiben versucht. Familienoberhaupt Katsukuni meint, diese Krankheit, das Makel der ewigen Verlierer, sei mit dem Erwerb des Hauses ausgemerzt, nur um immer mehr Spuren für den Irrsinn bei seiner Frau, den beiden Kindern und seinem eigenen Vater zu erkennen.

Der Besitz des Hauses hat die Familie in eine neue Position gebracht, sowohl wirtschaftlich wie auch gesellschaftlich, wobei sie nun auf dem Prüfstand zu stehen scheinen, ob diese diese überhaupt verdienen (so scheint es zumindest Katsukuni zu vermuten). Ishii zeigt den Konflikt, der mit diesen neuen Status einhergeht, als einen Prozess des psychologischen und teils auch physiologischen Verfalls, als einen Verlust der Freiheit, was er mit teils sehr drastischen, teils sehr humorvollen Bildern umsetzt.

Krankheiten und wie man sie bekämpft

Das Haus als Spiegelbild des mentalen und körperlichen Zustands der Familie wird mehr und mehr zu einem chaotischen Bild der Zerstörung. Katsuya Kobayashi als Katsukuni spielt einen Arbeiter, der die Hülle des „Verlierers“ ablegen will und in seinem Drang, seine Liebsten zu beschützen, ganz übersieht, in was er sich eigentlich hineinsteigert. Mit großer körperlicher Komik stürzt er wie auch der Rest des Ensembles sich in die bizarren Szenen, bei denen Ishii zwischen brachialer und subtiler Komik changiert. Das Bild der Termiten, die nach und nach das Fundament des Hauses aushöhlen, nutzt er als Metapher für einen Geisteszustand, der zugleich Heilsbringer und Unheil sein kann.

Ein besonderes Highlight bilden dabei die Interaktionen zwischen Katsukuni und dessen Vater, dem er auf der einen Seite imponieren will und zugleich ihn nicht vor den Kopf stoßen möchte. Besitz- und Statusdenken haben gleich zwei Generationen ruiniert, scheint Ishii sagen zu wollen, oder zumindest dafür gesorgt, dass man eigentlich nie wirklich zufrieden ist. Immer sucht man einen Makel und immer strebt man weiter, ohne zu ahnen, dass man sich immer weiter in die selbstauferlegte Unfreiheit bringt, und die Familie gleich mit.

Credits

OT: „Gyaku-funsha Kazoku“
Land: Japan
Jahr: 1984
Regie: Gakuryu Ishii
Drehbuch: Yoshinori Kobayashi, Fumio Konami, Gakuryu Ishii
Musik: 1984
Kamera: Masaski Tamura
Besetzung: Katsuya Kobayashi, Mitsuko Baisho, Yoshiki Arizono, Yuki Kuso, Hitoshi Ueki

Bilder

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Crazy Family – Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb
fazit
„Crazy Family – Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb“ ist eine radikale Satire auf Besitzdenken, Familienbilder und Konformismus. Gakuryu Ishii zeigt in drastischen, verstörenden und herrlich komischen Bildern, wie sich eine Familie selbst zerfleischt, angesteckt von Irrsinn, man könne immer noch besser und erfüllter leben.
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