Das geheime Leben der Orang-Utans

Auch wenn das Thema vielleicht nicht ganz so oft aufkommt wie andere, mit denen Netflix sein Publikum bedient, gehören Dokumentationen rund um Tiere doch fest zum Geschäft. Gerade erst hatte der Streamingdienst Was Hunde denken ins Programm aufgenommen, wo es unter anderem um die besondere Beziehung zwischen Menschen und Hunden ging. Leben mit Leoparden brachte uns vor einigen Monaten die Raubkatzen näher, am Beispiel einer Familie. Mit Das geheime Leben der Orang-Utans wird nun einer anderen Tierart Tribut gezollt. Genauer stehen in dem rund 80 Minuten langen Film die gleichnamigen Menschenaffen im Mittelpunkt, die uns wie kaum eine andere Art in der Entwicklung nahestehen und doch sehr unter uns zu leiden haben, wenn der Mensch ihnen die Lebensräume stiehlt.

Zu Besuch bei verwandten Baumbewohnern

Letzteres wird hier aber kaum erwähnt. Es handelt sich nicht um eine dieser moralinsauren Tierdokumentationen, die missionarische Ziele verfolgen und damit weit über das bloße Informieren hinausgehen. Vielmehr ist die Absicht des Films, dem Publikum diese Tiere näherzubringen, denen kaum einer von uns jemals begegnen wird. Das liegt nicht nur an deren geringen Anzahl, die Primatengattung lebt ausschließlich auf den südostasiatischen Inseln Sumatra und Borneo. Sie leben zudem in Bäumen, haben sich im Gegensatz zu anderen Menschenaffen darauf spezialisiert, ständig irgendwo herumzuklettern. Das bedeutet zwangsläufig, dass wir viel Natur zu sehen bekommen. In Das geheime Leben der Orang-Utans dominiert die Farbe Grün, unterbrochen nur durch das typische Rot des Fells.

Diese Idylle bedeutet aber nicht, dass alles schön und gut ist. So ist ein großes Thema in dem Film der ständige Konkurrenzkampf zwischen ausgewachsenen Männchen. Dieser wird zum Teil sehr brutal ausgetragen. Zwar zeigt Das geheime Leben der Orang-Utans diese Kämpfe nicht direkt, mehr als ein Rascheln in den Bäumen ist nicht zu sehen. Dafür aber das Ergebnis: Einer der Affen trägt eine blutende Wunde im Gesicht davon, zudem verlor er beim Duell auch einen Daumen. Eng damit verbunden ist die Suche nach einem passenden Weibchen, was mit sehr viel weniger Gewalt einhergeht. Der Film wechselt dabei zwischen mehreren Exemplaren, zeigt mal Jungtiere, mal die Ausgewachsenen, um auf diese Weise zu demonstrieren, was wir über das Sozialverhalten der Tiere wissen.

Unterhaltsam und toll bebildert

Das ist alles ganz interessant, besonders für Zuschauer und Zuschauerinnen, die bislang wenig über Orang-Utans wussten. Eine wissenschaftliche Abhandlung sollte man dabei nicht erwarten, da steht schon eher der Unterhaltungsfaktor im Vordergrund. Das sieht bzw. hört man an der Musik, die mit fröhlich-flotten Klängen kein Interesse daran hat, dokumentarisch zu arbeiten. Nur wenn die imposanten Rufe der Affen ertönen, wird es mal etwas stiller. Ein bisschen irritierend ist die Untermalung schon, stört aber nicht weiter. Dafür verzichtete man bei Das geheime Leben der Orang-Utans darauf, die Tiere zu sehr vermenschlichen zu wollen, wie man es in diesem Segment viel zu oft hat. Das braucht es auch gar nicht, die Identifikationsfläche ist auch so groß genug, selbst wenn es nicht immer einfach ist, die einzelnen Individuen wirklich voneinander zu unterscheiden.

Beeindruckend dabei ist, wie nah der Film den Tieren gekommen ist, die Kameras sind immer mit dabei. Am Beispiel von drei Generationen einer Familie – jeweils ein Weibchen – sehen wir den Alltag, erfahren, wie sie aufwachsen oder begleiten sie bei der Nahrungssuche. Das ist kurzweilig, profitiert im englischsprachigen Original auch von der gewohnten Stimme von David Attenborough, der bekannten Ikone von Tierdokumentationen. Wer sich für solche interessiert und sich nicht daran stört, dass Das geheime Leben der Orang-Utans zuweilen einen flapsigen Ton anschlägt, sei der Neuzugang im Netflix-Zoo empfohlen.