Das Unglück – Staffel 1

Die Stimmung ist ausgelassen, als die Nachbarschaft, Familie und Freunde zusammenkommen, um den Geburtstag des kleinen Rodrigo zu feiern. Dessen Vater Emiliano (Sebastián Martínez) ist jedoch nur zum Teil bei der Sache, schließlich steht der Abschluss eines wichtigen Geschäfts an, bei dem es um die Errichtung eines Vergnügungsparks geht. Doch schon bald ist an Vergnügen nicht mehr zu denken: Eine Windböe erfasst die Hüpfburg, die eigens für den Geburtstag errichtet wurde, und bläst diese davon – mitsamt den Kindern, die sich darauf befanden. Für drei von ihnen, darunter Rodrigo, endet die Feier tödlich, ein viertes wird im Anschluss vermisst. Die Hinterbliebenen, etwa Emilianos Frau Daniela (Ana Claudia Talancón), haben anschließend mit dem Schmerz zu kämpfen. Charro (Alberto Guerra) reicht das nicht. Der brutale Gangster und seine Frau Lupita (Eréndira Ibarra) wollen einen Schuldigen. Und mit dem einfachen Hausangestellten Moncho (Silverio Palacios) scheinen sie den Passenden schnell gefunden zu haben …

Todesfalle Hüpfburg

Ein paar Wochen ist es her, dass es hierzulande eine Hüpfburg in die Nachrichten schaffte: Bei einem Fest in Magdeburg wurde diese von einer Windböe erfasst und fiel später in die Elbe, mehrere Menschen wurden dabei verletzt. Dabei handelt es sich um keinen Einzelfall, sowohl im Inland wie auch im Ausland kommt dies immer mal wieder vor. Besonders tragisch waren die Ereignisse in Australien, wo mehrere Kinder ums Leben kamen. Ein ähnliches Schicksal ereignete sich in Spanien, auch der Vorfall war in unseren Nachrichten. Bei der hohen Zahl an Vorkommnissen war es nur eine Frage der Zeit, bis auch einmal ein fiktionales Werk mit einer solchen Geschichte arbeitet. Nun ist es so weit, mit der mexikanischen Netflix-Serie Das Unglück wird das Thema aufgegriffen. Auch hier führt der Wind dazu, dass die Hüpfburg fortfliegt und mehre Kinder sterben. Dies geschieht bereits am Anfang: Wo andere den Unfall als Höhepunkt genommen hätten, bildet er hier den Auftakt für die Handlung.

Prinzipiell hätte man daraus ein einfühlsames Drama machen können, welches sich mit Trauerarbeit befasst. Auch das Thema Schuld spielt eine große Rolle, als sich herausstellt, dass der Unfall teilweise selbstverschuldet war. Schließlich war die Hüpfburg nicht fachgerecht befestigt, womit sie chancenlos gegen den Wind war. Wie geht man damit um, sein Kind verloren zu haben? Was macht es mit einem zu wissen, dass man Schuld an dem Tod dieser Kinder ist? Offensichtlich wollte man das aber nicht. An manchen Stellen werden diese Punkte zwar schon angesprochen. Das Unglück ist aber stärker daran interessiert, die Ereignisse immer weiter eskalieren zu lassen, wenn sich die Überlebenden gegenseitig an die Gurgel gehen. Tatsächlich ist die Serie mehr Thriller als Drama, wenn es nicht bei den drei Todesfällen bleibt. Von Anfang an ist die Aggression groß, die Gewaltbereitschaft ebenso.

Schamlos übertrieben

Grundsätzlich hätte auch das spannend werden können, wenn die Betroffenen zur Selbstjustiz übergehen. Das Problem ist aber, dass die Serie dermaßen übertrieben ist, dass man schon bald gar nichts mehr glaubt. Wenn beispielsweise Alberto Guerra (Griselda) den brutalen Gangster spielt, der schamlos seine Frau betrügt, aber ein zu zartes Selbstbewusstsein hat, um den Betrug durch seine Frau zu verkraften, dann ist das nicht mehr als eine Karikatur. Hinzu kommt, dass sich Das Unglück gar nicht mit dem titelgebenden Unglück aufhält, sondern lauter andere Geschichten einbaut, die eher in einer Seifenoper ein Zuhause finden sollten. Dazu zählen neben besagten Ehebrüchen noch Familiengeheimnisse und eine Variante von Romeo und Julia, dazu noch die Sache mit dem großen Deal.

Dass das unglaubwürdig ist, wäre noch geschmeichelt. Tatsächlich ist vieles hier dermaßen absurd, dass man sich nie ganz sicher sein kann, ob die Serie nicht eine Satire im Stil von The Woman in the House Across the Street From the Girl in the Window sein soll. Wenn beispielsweise Charro – Vorsicht Spoiler – einen Mann krankenhausreif schlägt und dessen Haus anzündet, während die Kinder drin sind, aber nicht einmal angeklagt wird, darf man sich schon fragen: In welcher Parallelwelt leben die eigentlich? Zumal die Nachlässigkeit beim Aufbau der Hüpfburg dann als Mord gewertet werden soll. Selbst die gut gemeinte Gesellschaftskritik, wenn es um die Zweiklassengesellschaft geht, überzeugt in diesem Umfeld nicht. Ein weiteres Problem ist, dass die Erwachsenen in Das Unglück praktisch durch die Bank weg so grauenvolle Menschen sind, dass Anteilnahme unmöglich ist. Vielmehr würde man sich wünschen, dass sie alle in der einen oder anderen Form bestraft werden. Im Rahmen einer schwarzen Komödie hätte das funktionieren können. So aber ist die Serie eine Zumutung, bei der man von Minute zu Minute mehr verblödet.