Frank Michalka (Jürgen Vogel) hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich und soll nun unter anderem wegen Bankraub vor Gericht. Sein Pflichtverteidiger Dr. Weilandt (Thomas Thieme) kann sich kaum für den Fall motivieren, da er sich lieber um Klienten kümmert, die auch Geld einbringen. Die Referendarin Sophie Kleinschmidt (Paula Kalenberg) allerdings versucht äußerst ambitioniert, zu Michalka durchzudringen – der hat nämlich seit seiner Verhaftung kein einziges Wort gesprochen.
Gerichtsverhandlung nach von Schirach
Wenn ein deutscher Film als zentrales Element eine Gerichtsverhandlung aufzuweisen hat, wird nur ein geringes Risiko eingegangen, wenn auf Ferdinand von Schirach als Vorlagenlieferant getippt wird. Terror – Ihr Urteil basiert auf einem von ihm geschriebenen Theaterstück, Der Fall Collini auf seinem gleichnamigen Roman, für Sie sagt. Er sagt. verfasste er gleich selbst das Drehbuch. Diese Filme haben alle, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität sein mögen, ihren festen Platz in der deutschen Fernsehgeschichte. Der weiße Äthiopier ist sicher lange nicht so bekannt wie die vorgenannten, geht aber auch auf ihn zurück, basiert auf einer seiner Kurzgeschichten.
Der Anfang von Der weiße Äthiopier ist wunderbar gespielt und flott in mehreren Plansequenzen aufgelöst. Erst als der Film den Kernpunkt der Handlung, nämlich die Gerichtsverhandlung, erreicht, kommt alles etwas ins Stocken. Dem Zuschauer wird viel suspension of disbelief abverlangt, denn so interessant, wie der Film es ihm weismachen will, ist Michalkas Geschichte leider gar nicht. Darüber hinaus erscheint es unglaubwürdig, dass die Richterin (Nina Proll) immer mehr Überraschungszeugen oder ausschweifende Erzählungen derselben zulässt. Auch dass der geldorientierte Rechtsanwalt sich des „aussichtslosen Falles“ annimmt, nachdem er die Hintergründe kennen lernt, ist sehr konstruiert. Warum Sophie Kleinschmidt derart engagiert an die Sache herangeht, als sie noch gar nichts über Michalka weiß, und sich über einige Regeln hinwegsetzt, bleibt auch fraglich. Ihre Rolle ist zudem etwas riskant geschrieben, mit einer schwächeren Besetzung hätte es hier teilweise mehr zu kritisieren gegeben. Kalenberg sorgt mit ihrem Elan und ihrer charmanten Art jedoch dafür, dass der Zuschauer sich nur allzu gerne auf ihre Seite ziehen lässt.
Besser als viele Fernsehfilme
Der Anfang hat unbestritten Kinoqualität, alsbald macht sich allerdings deutlich bemerkbar, dass es sich eben doch nur um einen Fernsehfilm handelt. Bei knapp zwei Stunden Laufzeit hätten gerade die Gerichtsverhandlung und die langatmige Nacherzählung der ersten Überraschungszeugin gerafft werden müssen. Am Ende mag der ein oder andere Zuschauer auch etwas ratlos zurückbleiben und sich fragen, ob die Vorgeschichte nun wirklich die Straftaten erklärt.
Generell ist Der weiße Äthiopier für einen deutschen Film überdurchschnittlich gut gespielt und weitgehend interessant inszeniert, mit bei dem Format verzeihbaren Logiklücken. Thomas Thieme und Paula Kalenberg geben als Rechtsanwalt und Referendarin so ein wunderbares Duo ab, dass sich die Frage aufdrängt, wieso noch niemand auf die sicher einträgliche Idee gekommen ist, eine Vorabendserie mit den beiden und Fällen aus der Kanzlei ins Leben zu rufen.
OT: „Der weiße Äthiopier“
Land: Deutschland
Jahr: 2015
Regie: Tim Trageser
Drehbuch: Heinrich Hadding
Vorlage: Ferdinand von Schirach
Musik: Andreas Weidinger
Kamera: Eckhard Jansen
Besetzung: Jürgen Vogel, Thomas Thieme, Paula Kalenberg, Sayat Demissie, Selam Tadese, Nina Proll, Robert Gwisdek, Julius Nitschkoff, Cederic Joel Koch
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