Didi
© 2024 Talking Fish Pictures

Dìdi

Didi
„Dìdi“ // Deutschland-Start: 15. August 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Der 13-jährige Chris Wang (Izaac Wang) lebt mit seiner aus Taiwan eingewanderten Familie in der kalifornischen Stadt Fremont. So richtig harmonisch ist das Zusammenleben dabei nicht. Seine Mutter Chungsing (Joan Chen) etwa geht ihm tierisch auf die Nerven, zumal er ihr insgeheim vorwirft, dass sein Vater nicht bei ihnen lebt. Mit seiner älteren Schwester Vivian (Shirley Chen) gibt es sowieso dauernd Krach. Und dann wäre da noch seine Oma Nai Nai (Chang Li Hua), die Mutter seines Vaters, die sich ständig in die Erziehung einmischt. Dabei hat Chris, der von allen nur Dìdi genannt wird, nun wirklich andere Themen, die ihn beschäftigen. Beispielsweise wechselt er auf die High School, was für ihn eine große Umstellung bedeutet. Er versucht sich am Skateboarden und Filmemachen, um bei einer coolen Clique aufgenommen zu werden. Vor allem aber träumt er von seiner Mitschülerin Madi (Mahaela Park) und versucht alles, um ihr nahezukommen …

Ein Familienleben zwischen zwei Kulturen

Mit Familiengeschichten kennt sich Sean Wang aus. So wurde sein dokumentarischer Kurzfilm Nai Nai & Wài Pó über seine beiden Großmütter, die gemeinsam in einem Haus in Fremont leben, dieses Jahr für einen Oscar nominiert. Kurze Zeit vorher hatte sein erster Spielfilm Dìdi bereits auf dem Sundance Film Festival den Publikumspreis in seiner Kategorie gewonnen. Und auch in diesem befasst er sich mit seinem Familienleben. Genauer nimmt er hier seine eigene Jugend als Vorlage und erzählt, was es heißt, als Kind einer taiwanesischen Einwandererfamilie in den USA der mittleren 2000er aufzuwachsen. Eine seiner beiden Großmütter ist sogar wieder mit von der Partie, auch wenn sie in dem Langfilm die Rolle der anderen spielt – schließlich ist sie zehn Jahre jünger und damit näher an dem damaligen Alter dran.

Der Film erzählt dann auch einerseits eine sehr spezifische Geschichte, die zugleich als Zeitporträt fungiert. Da geht es zum einen um die Erfahrung, als Kind einer Einwandererfamilie aufzuwachsen und zwischen zwei Kulturen zu stehen. Immer wieder wechselt die Sprache dann auch im Original zwischen Englisch und Mandarin hin und her. Schon der Titel Dìdi verweist darauf, das chinesische Wort für kleiner Bruder. Chris wäre eigentlich gern wie die anderen bei seinem Versuch, einen Platz für sich zu finden, verleugnet dann auch schon mal seine Herkunft. Verbunden wird das mit Elementen, die man mit der damaligen Zeit in Verbindung bringt. Soziale Medien steckten noch in den Kinderschuhen, YouTube war keine reine Algorithmusmaschine, das Internet war noch nicht mit so viel Gefallsucht und Hass verbunden. Ein älteres Publikum, das diese Zeit selbst miterlebt hat, darf sich da voller Nostalgie zurückerinnern.

Die ganze Bandbreite an Gefühlen

Gleichzeitig ist vieles hier von einer sehr universellen Natur. Wenn Chris mit jedem Emoji kämpft auf der Suche nach der perfekten Antwort, er nach Gemeinsamkeiten mit Madi fahndet, sich mit der Familie streitet oder von den älteren, coolen Jungs angenommen werden will, dann kann man sich ganz losgelöst vom eigenen Alter darin wiederfinden. Vieles hätte auch vor rund 70 Jahren ähnlich erzählt werden. Das ist dann auch eine der Qualitäten, welche Dìdi auszeichnen: Sean Wang, der auch das Drehbuch geschrieben hat, versteht es, auf ganz wundersame Weise diesen Abschnitt zwischen der Kindheit und der Jugend lebendig und spürbar zu machen. Er zeigt dabei die ganze Bandbreite an Gefühlen, gewährt seinen Figuren auch die notwendigen Nuancen, um sie wirklich menschlich werden zu lassen. Einerseits kann man sehr gut mit dem Jungen mitfühlen, der sich nirgends zu Hause fühlt. Er hat aber auch genügend schlechte Eigenschaften, wenn er beispielsweise seine Mutter brutal wegstößt.

Es sind dann auch diese Familienszenen, die einem sehr zu Herzen gehen. Die schwierigen Verhältnisse, wenn das Verständnis für die anderen fehlt, man sich gegenseitig wehtut, ohne es zu wollen. Aber da sind eben auch versöhnliche Momente, vor allem später, wenn die mit ihrem Auszug beschäftigte Vivian erkennt, wie ihr Bruder mit allem zu kämpfen hat. Vor allem aber die späte Annäherung von Mutter und Sohn dürfte im Publikum die eine oder andere Träne erzeugen. Das Zusammenspiel zwischen dem Newcomer Izaac Wang (Clifford der große rote Hund) und Veteranin Joan Chen (Der letzte Kaiser) funktioniert dabei sehr gut, verbindet Emotionalität und Humor. Das Ergebnis ist einer der schönsten Comig-of-Age-Filme der letzten Jahre, wenn Wang in brutaler Ehrlichkeit die hässlichen Seiten des Aufwachsens aufzeigt und zugleich den Halt zelebriert, wie er in Familien und anderen Figurenkonstellationen zu finden ist.

Credits

OT: „Dìdi“
Land: USA
Jahr: 2024
Regie: Sean Wang
Drehbuch: Sean Wang
Musik: Giosue Greco
Kamera: Sam A. Davis
Besetzung: Izaac Wang, Shirley Chen, Chang Li Hua, Joan Chen, Raul Dial, Aaron Chang, Mahaela Park, Chiron Denk, Sunil Maurillo, Montay Boseman

Bilder

Trailer

Filmfeste

Sundance Film Festival 2024
SXSW 2024
Filmfest München 2024

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Dìdi
fazit
„Dìdi“ nimmt uns mit in die 2000er Jahre und erzählt von dem Sohn einer taiwanesischen Einwandererfamilie, der in den USA einen Platz für sich sucht. Die autobiografisch gefärbte Tragikomödie erzählt brutal ehrlich von den hässlichen wie schönen Aspekten, kombiniert dabei Spezifisches mit Universellem zu einem der besten Coming-of-Age-Filme der letzten Jahre.
Leserwertung0 Bewertungen
0
8
von 10