Das Ende des Ersten Weltkriegs naht. Das bedeutet, dass sich die deutschen Truppen nach und nach aus den besetzten Gebieten zurückziehen, so auch aus dem kleinen französischen Ort Marville. Zuvor lassen sie jedoch eine Bombe zurück, als tödliches Abschiedsgeschenk. Als die Bevölkerung davon erfährt, macht sie sich aus dem Staub, um bloß kein Risiko einzugehen. Zuvor beschließen sie jedoch, die Insassen der lokalen psychiatrischen Anstalt freizulassen. Diese stört es nicht weiter, dass der Ort verlassen ist, sie nutzen die Gelegenheit lieber, um ihre Freiheit ausgiebig zu feiern. Dabei treffen sie auf den schottischen Soldat Charles Plumpick (Alan Bates), der mit der Aufgabe betreut wurde, die Sprengfalle zu entschärfen. Sie küren ihn zu ihrem Herzkönig, auch er schließt die Menschen nach und nach in sein Herz. Doch dabei läuft ihm die Zeit davon …
Antikriegskomödie mit Kultstatus
Mit Komödien kannte sich Philippe de Broca natürlich aus. Unter anderem gehen Pack den Tiger schnell am Schwanz (1969) über eine verarmte Adelsfamilie sowie die Krimiposse Ein verrücktes Huhn (1977) auf ihn zurück. Historische Stoffe waren ihm sowieso vertraut, allein schon durch seine diversen Abenteuerfilme. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Film ein Volltreffer wurde. So war die Resonanz auf Herzkönig 1967 ziemlich schwach, sowohl im Hinblick auf die Kritiken wie auch die Einspielergebnisse. Erst im Laufe der Jahre fand das Werk sein Publikum, entwickelte gerade in den USA Kultstatus. 1978 folgte dort auch ein Musical, um von dem späten Ruhm profitieren zu können. Doch dieses war ebenfalls wenig erfolgreich, trotz einiger Nominierungen. In Deutschland dürften viele den Film gar nicht kennen, der bis heute nicht auf DVD erhältlich ist.
Dabei hat Herzkönig unbestreitbare Qualitäten mit seiner klaren Antikriegsbotschaft. Im Gegensatz zu den meisten Filmen, die eine solche Aussage mit großem Ernst verfolgen und den realen Horror zeigen, da ist die französisch-italienische Coproduktion mit viel Humor verbunden. Zudem ist das mit der Realität hier so eine Sache. Die Geschichte spielt natürlich in einem historischen Kontext, wenn wir uns auf das Ende des Ersten Weltkriegs hinbewegen. Doch dabei ersetzt das Surreale das Reale, wenn die Menschen aus der psychiatrischen Anstalt die Realität imitieren. Oder das, was sie für die Realität halten, waren sie doch zuvor nicht Teil davon. Das wird dann schnell absurd, so als sein man in einer Parallelwelt gelandet. Manchmal hat man das Gefühl, der Film sei das männliche Pendant zu Alice im Wunderland, wenn Regeln aufgehoben werden und alles irgendwie fremd ist.
Der doppelte Wahnsinn
Das wird manche sicherlich irritieren. Selbst wenn man akzeptiert, dass Kriegsfilme auch komisch sein können, ist diese geballte Albernheit, die zuweilen eher an die Looney Tunes erinnert, mindestens gewöhnungsbedürftig. Dabei hat Drehbuchautor Daniel Boulanger, mit dem de Broca wiederholt zusammenarbeitete, durchaus etwas über den Schrecken des Kriegs zu sagen. Er tut dies jedoch, indem er die Verrücktheit der Insassen mit dem Wahnsinn des Kriegs kontrastiert. Die Absicht ist dabei offensichtlich: Herzkönig stellt die Frage, was verrückt überhaupt bedeuten soll in einer Welt, in der die Menschen sich gegenseitig bekämpfen, aus Gründen, die die meisten gar nicht verstehen werden. Die man vielleicht auch nicht verstehen muss.
Größere Erkenntnisse werden daraus trotzdem nicht abgeleitet. Herzkönig ist kein Film, den man sich anschaut, um im Anschluss geistreiche Diskussionen zu führen. Entsprechende Ambitionen fehlen da. Vielmehr ist die Komödie ein Fall für reine Unterhaltung: Man soll mit diesem doppelten Wahnsinn Spaß haben. Das funktioniert tatsächlich, die schräge bis satirische Kriegsposse ist eine gute Gelegenheit, um einmal abzuschalten, ohne sich einer austauschbaren Berieselung hinzugeben. Austauschbar ist nämlich nur wenig bei dieser etwas anderen Zeitreise. Insofern sollte man die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, wenn die Komödie mal wieder im Fernsehen läuft, da es nur wenige Möglichkeiten gibt, ihn sich noch anzuschauen.
OT: „Le Roi de coeur“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 1966
Regie: Philippe de Broca
Drehbuch: Daniel Boulanger
Musik: Georges Delerue
Kamera: Pierre Lhomme
Besetzung: Pierre Brasseur, Geneviève Bujold, Adolfo Celi, Jean-Claude Brialy, Françoise Christophe, Alan Bates, Michel Serrault, Micheline Presle
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)