Olivia & the Clouds Olivia & Las Nubes
© Locarno Film Festival
Olivia & the Clouds Olivia & Las Nubes
„Olivia & the Clouds“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

So richtig will sich Ramon beim Gespräch mit einem Kollegen nicht festlegen, ob er jemanden sieht. Er lässt nur durchschimmern, dass es da jemanden gibt. Aus gutem Grund. Sicher, er ist nicht der Einzige, der mit Pflanzen spricht. Doch während andere das in dem Glauben tun, dass diese dadurch besser wachsen, sieht Ramon in ihr das Mädchen, das ihm nicht mehr aus dem Kopf geht und dem die Pflanze zunehmend ähnlich sieht. Olivia, so hat er seine Topfpflanze genannt, spricht dabei auch mit ihm, wenn sie nicht gerade Wolken anschaut oder davon träumt, auf den Jupiter zu fliegen. Dabei ist Ramon nicht der Einzige, der sich mit komplizierten Gefühlen herumplagt, auch die echte Olivia, Barbara und Mauricio haben auf ihre Weise mit der Liebe zu kämpfen …

Alltägliche Themen, ungewöhnlich verpackt

Wer anhand der obigen Beschreibung erst einmal ein wenig verwirrt ist, sollte sich besser ebenso warm anziehen wie die botanische Olivia, die Kleidung braucht, weil ihr kalt ist. Denn die Geschichte um eine Mann-Pflanze-Beziehung ist nur einer von mehreren Strängen in Olivia & the Clouds, die sehr eigenwillig sind. Der Animationsfilm aus der Dominikanischen Republik nimmt zwar im Grunde sehr alltägliche Themen, wenn es um Liebe geht, um unerwiderte Gefühle, aber auch den Umgang mit unseren Erinnerungen und wie diese uns prägen. Er tut dies aber auf eine Weise, die alles andere als alltäglich ist. Stattdessen ist der Film, der auf dem Locarno Film Festival 2024 Premiere feierte, ein Feuerwerk aus Ideen.

Das betrifft einerseits den Inhalt, den man nur schwer zusammenfassen kann. Regisseur und Drehbuchautor Tomás Pichardo-Espaillat kombiniert in seinem Langfilmdebüt mehrere Stränge, die sich alle irgendwie mit der Liebe befassen. Das erinnert ein wenig an Our Crazy Love, das einige Wochen zuvor Premiere feierte. In beiden Animationsfilmen geht es um Beziehungen, reale wie eingebildete, geht es um Vergessen und Selbstsuche. Während der brasilianische Kollege aber einen humorvollen Ton pflegt, geht es bei Olivia & the Clouds melancholischer zu. Da mag dann zwar auch einiges irgendwie witzig sein, ohne dass daraus jedoch eine Komödie würde. Außerdem verzichtet Pichardo-Espaillat darauf, diese Stränge unbedingt zu einem Happy End zusammenfügen zu müssen. So kommt es zwar zu Berührungspunkten, der Film ist aber mehr eine Anthologie als durchgängige Geschichte.

Experimentelle und emotionale Reise

Visuell ist Olivia & the Clouds ebenfalls fragmentarisch, wenn Pichardo-Espaillat die unterschiedlichsten Techniken und Stile verwendet. Da trifft klassischer Zeichentrick auf Stop-Motion oder auch Realaufnahmen. Die Grenzen sind dabei fließend, sowohl innerhalb einer Szene wie bei den Übergängen. Nicht einmal die Figuren sind dabei zwangsläufig konstant, können sich vom einen Moment zum nächsten verändern. Der Film richtet sich damit eindeutig an ein Publikum, das Gefallen an eher experimentellen Werken hat, die schon mal ins Surreale gehen können. Er zeigt auf, dass es mit genügend Einfallsreichtum und Kreativität gar nicht so viel braucht, um ungewöhnliche Bilder zu erzeugen. Wer genug hat von den vielen gleichförmigen CGI-Abenteuern, die in den Kinos laufen, sollte diesem Geheimtipp eine Chance geben.

Wer hingegen ein klares narratives Werk braucht, könnte hiermit überfordert sind. Immer wieder hat man den Eindruck, dass die visuellen Spielereien im Vordergrund stehen, es also mehr um das Experimentieren als das Erzählen geht. Obwohl einige der Geschichten durchaus emotional sind, kann es schon passieren, dass durch die gewöhnungsbedürftige Optik der Zugang versperrt bleibt. Das ist schade, weil die Themen ganz losgelöst von dem Äußeren interessant und spannend sind. Aber auch wenn Olivia & the Clouds kein Film für das große Publikum ist, eher auf Festivals ein Zuhause finden wird als in regulären Kinos, ist Pichardo-Espaillat ein sehr interessantes Debüt geglückt, das neugierig darauf macht, wie seine filmische Reise weitergehen wird.



(Anzeige)

Olivia & the Clouds
Leserwertung0 Bewertungen
0
fazit
„Olivia & the Clouds“ erzählt in mehreren lose miteinander verbundenen Strängen von der Liebe, Erinnerungen und Sehnsüchten. Der Animationsfilm ist dabei visuell sehr abwechslungsreich und auch inhaltlich spannend, aufgrund seiner surreal-experimentellen Art jedoch weniger für ein großes Publikum gedacht.
summary
“Olivia & the Clouds” tells of love, memories and longings in several loosely connected stories. The animated film is visually very varied and also exciting in terms of content, but due to its surreal, experimental nature it is less intended for a large audience.
7
von 10