Pelikan Blue
© Umbrella Entertainment
Pelikan Blue
„Pelikan Blue“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Eigentlich sollte man meinen, dass sich Dokumentarfilme und Animationsfilme gegenseitig ausschließen. Denn während die einen die Realität abzubilden versuchen, dient das Medium der Animation oft dazu, etwas zu verbildlichen, was nicht real ist. Und doch gibt es immer wieder Beispiele, wie beides zusammenkommt. Bei Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield wurde Animation beispielsweise genutzt, um sich dem gleichnamigen Künstler anzunähern, der zwischen den 1920ern und 1950ern als Maler, Grafiker, Fotomontagekünstler und Bühnenbildner tätig war. Das für mehrere Oscars nominierte Flee wiederum erzählte die wahre Geschichte eines afghanischen Flüchtlings. Ob es bei Pelikan Blue ebenfalls für bedeutende Filmpreise bzw. Nominierungen reichen wird, bleibt abzuwarten. Zumindest wird der Titel seit dem Debüt beim Black Nights Film Festival in Tallinn von Filmfest zu Filmfest weitergereicht.

Die Reise in die Freiheit

Das liegt auch daran, dass die Geschichte sowohl originell wie auch universell ist. So nimmt uns Regisseur und Drehbuchautor László Csáki auf eine Reise in die Vergangenheit mit. Genauer erzählt er in seinem Langfilmdebüt von drei jungen Männern, die in den 1990ern einen Weg entdeckten, Zugtickets zu fälschen. Damals war ihre Heimat Ungarn wie viele der sozialistischen Länder auf dem Weg in den Kapitalismus, öffneten sich auf vielfache Weise. Nur weil es theoretisch möglich war, in den Westen zu reisen, heißt das aber nicht, dass dies auch in der Praxis funktioniert. Denn dafür bräuchte man Geld, was gerade bei den Jüngeren kaum der Fall war. Pelikan Blue beschreibt, wie die Protagonisten herumprobierten und tatsächlich einen Weg fanden, wie sie Tickets nachmachen konnten. Das war natürlich mit Trial-and-Error verbunden, niemand wusste zunächst, wie das geht.

Obwohl wir die Protagonisten nie direkt sehen, sondern nur in der animierten Form, gelingt es dem Film, Sympathien für die jungen Männer zu wecken. Natürlich begehen sie dabei ein Verbrechen, auch wenn ihnen das Bewusstsein dafür fehlt. Aber sie tun das mit der Unbekümmertheit von Kindern, die im Laden Kaugummis mitgehen lassen und auf dem Weg nach draußen nervös zu dem Mann an der Kasse blicken. Tatsächlich gibt es in Pelikan Blue immer wieder Szenen, in denen die drei oder andere mit den Tickets unterwegs sind und bei der Ticketkontrolle Blut und Wasser schwitzen. Und man selbst gleich mit, wenn die jungen Menschen zu Identifikationsfiguren geworden sind. Diese Mischung aus Unschuld und Aufbruchsstimmung verleiht der Geschichte einen ganz eigenen Reiz, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Eigensinnig und nostalgisch

Der simple Betrug Marke Eigenbau findet in der Optik ein passendes Pendant. Die Bilder sind insgesamt einfach gehalten, nennenswerte Effekte sucht man vergebens. Aber sie haben Charme, sind oft stimmungsvoll. Pelikan Blue gefällt auch durch markante Designs: Wo viele Animationsfilme völlig austauschbar sind und die Charaktere nach Schablonen angefertigt werden, da haben die Figuren tatsächlich Persönlichkeit. Schön ist zudem, wie Csáki mit verschiedenen Stilen experimentiert, zwischendurch beispielsweise auch Realbilder einbaut. Das geht zwar nicht so weit wie bei Olivia & the Clouds neulich, wo gefühlt in jeder Szene etwas Neues ausprobiert wurde. Aber es ist doch recht abwechslungsreich, was der ungarische Filmemacher da auf die Leinwand gebracht.

Dabei ist sein Debüt von einer nostalgischen Atmosphäre geprägt. Damals schien noch alles möglich sein. Basierend auf einer Reihe von Interviews und Gesprächen, sowohl mit den Betrügern wie auch anderen Beteiligten, wird Pelikan Blue zu einem Zeitporträt, das eine ganz bestimmte Phase der neueren europäischen Geschichte lebendig werden lässt. Hier darf man sich zurücklehnen und gleichzeitig von einer Zukunft und einer Vergangenheit träumen. Auch das unterscheidet den Dokumentarfilm von vielen anderen: Man ist sich hier bewusst, einen sehr persönlichen Zugang zu wählen, erzählt nicht nur, was gewesen ist, sondern auch, wie es sich anfühlte, damals dabei zu sein.

Credits

OT: „Kék Pelikan“
Land: Ungarn
Jahr: 2023
Regie: László Csáki
Drehbuch: László Csáki
Musik: Miklós Preiszner, Ambrus Tövisházi

Bilder

Trailer

Filmfeste

Tallinn Black Nights Film Festival 2023
Annecy 2024
Fantoche 2024
DOK Leipzig 2024

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Pelikan Blue
fazit
„Pelikan Blue“ erzählt von drei jungen Männern, die im Ungarn der 1990er Zugtickets für sich und andere fälschten, um die weite Welt kennenlernen zu können. Die Mischung aus Dokumentation und Animation wird zu einem sympathischen Zeitporträt mit einer nostalgischen Note, wenn wir hier an eine Ära erinnert werden, als auf einmal alles möglich schien.
Leserwertung0 Bewertungen
0
7
von 10