Frankreich, 2039: Julia Bombarth (Adéle Exarchopoulos) ist Teil einer aktivistischen Vereinigung, die immer wieder für eigene Überzeugungen auf die Straße geht und auch den Konflikt mit dem Staat nicht scheut. Schließlich haben sie die Hoffnung aufgegeben, dass die Regierung von sich aus einlenkt. Doch bei einer ihrer Aktionen geht etwas schief, ein Polizist kommt dabei ums Leben. Für den Staat bedeutet das, dass sie nun mit aller Härte durchgreifen und Jagd auf die Mitglieder machen müssen. Bei Julia hatten sie Erfolg. Oder doch nicht? So ganz weiß sie nicht, was los ist, als sie in einer fremden Welt zu sich kommt, in der vieles nicht zu stimmen scheint. Vor allem kann sie diese ebenso wenig verlassen wie die anderen, die in ihr gefangen sind. Und das aus gutem Grund …
Die Folterkammer der Zukunft
Mehr als fünf Jahre ist es inzwischen her, dass Aude Léa Rapin nach mehren Kurzfilmen bzw. dokumentarischen Werken mit Heroes Don’t Die ein vielbeachtetes Langfilmdebüt vorlegte. In der tragikomischen Mockumentary erzählte sie von einem Mann, der davon überzeugt ist, die Reinkarnation eines toten Soldaten zu sein, was zu einer sehr ungewöhnlichen Reise in die Vergangenheit wird. Mit ihrem überfälligen zweiten Spielfilm schlägt sie eine völlig unerwartete Richtung ein und legt ein Werk vor, das zwar nicht minder ungewöhnlich ist, von dem man auf den ersten Blick aber kaum glauben würde, dass es auf dieselbe Filmemacherin zurückgeht.
Während sich Rapin, die erneut das Drehbuch geschrieben hat, beim letzten Mal noch mit dem unterdrückten gestern beschäftigte, richtet sie den Blick hier in die Zukunft. Das Setting liegt dabei vergleichsweise nah auf dem Zeitstrahl, 15 Jahre trennen das dortige Szenario von der Gegenwart. Man merkt auch auf Anhieb nicht, was genau an dem Film denn Science-Fiction ist. Erst nach einer Weile stellt sich heraus, dass – Vorsicht Spoiler – der titelgebende Planet B gar kein Planet ist, sondern eine rein virtuelle Welt, die als Gefängnis konzipiert wurde. In dieser ist so ziemlich alles möglich, was sich auch an den stetig wechselnden Szenerien deutlich macht. Und auch an den richtig hässlichen Momenten, wenn diese Welt zu einer Folterkammer wird.
Ambitioniert, aber nicht wirklich spannend
Der Gedanke ist ebenso faszinierend wie erschreckend: In Planet B sind die Menschen dem Staat mehr oder weniger hilflos ausgeliefert, man kann mit ihnen alles tun, was man möchte. Einiges greift aber natürlich auch aktuelle Ereignisse auf. Gerade der Umgang mit aktivistischen Gruppen, die das Land lahmlegen können, sei es die Letzte Generation oder die Gelbwesten in Frankreich, bieten sich als Vergleich an. Als Ökoterroristen werden Julia und die anderen beschimpft, was dann dafür ausreicht, den Rechtsstaat außer Kraft zu setzen. Dass dies in Demokratien möglich ist, ist kein Geheimnis. Filme wie The Report sprachen offen über die Folter in den USA, wenn es gegen Terroristen ging und damit für das vermeintlich Gute. Niemand erfährt bei der französischen Variante, wohin die Mitglieder gebracht wurden oder was mit ihnen geschieht. Aus diesem Grund ist der Film auch eine Art Polithriller, wenn in einer Parallelhandlung die Journalistin Nour (Souheila Yacoub) der Geschichte auf der Spur ist.
Leider ist das der sehr viel weniger interessante Teil. Es führt auch dazu, dass der Film sich in zu viele Richtungen gleichzeitig bewegt. Diese Grenzüberschreitungen waren in Rapins Debüt noch reizvoll. Bei ihrem Folgewerk führt es eher zu Frust und diversen Längen. Zwei Stunden dauert der Science-Fiction-Thriller, der 2024 in der Settimana Internazionale della Critica in Venedig Premiere feierte. Zwei Stunden, die man auch deutlich spürt, wenn sich vieles im Kreis dreht und die interessanten Gedanken nicht weiterentwickelt werden. Visuell geschieht da ebenfalls nichts Erwähnenswertes mehr, obwohl die virtuelle Welt eigentlich ein Freischein gewesen wäre. Bemerkenswert ist Planet B ohne Zweifel. Aber auch eine Enttäuschung, wenn der Alptraum zur Geduldprobe wird.
OT: „Planète B“
Land: Frankreich, Belgien
Jahr: 2024
Regie: Aude Léa Rapin
Drehbuch: Aude Léa Rapin
Musik: Bertrand Bonello
Kamera: Jeanne Lapoirie
Besetzung: Adèle Exarchopoulos, Souheila Yacoub, Eliane Umuhire, India Hair, Paul Beaurepaire, Jonathan Couzinié, Théo Cholbi, Amine Hamidou
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