Quiet Life
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Quiet Life
„Quiet Life“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Sergei (Grigory Dobrygin), seine Frau Natalia (Chulpan Khamatova) und ihre beiden Töchter Alina (Naomi Lamp) und Katia (Miroslava Pashutina) haben in Schweden Asyl beantragt. Wegen seiner systemkritischen Aussagen und Veröffentlichungen wurde Sergei in seiner Heimat Russland angefeindet und zuletzt sogar bedroht, sodass er um sein Leben und das seiner Familie fürchtet. Da sie der schwedischen Einwanderungsbehörde keinerlei Zeugen und Beweise dafür vorlegen können, wird ihr Antrag abgelehnt und es bleibt ihnen nur wenig Zeit, um eine Abschiebung nach Russland zu verhindern. Katia, die einzige Zeugin des Anschlags auf ihren Vater, soll nun doch aussagen, doch auch dazu kommt es nicht. In der Schule bricht das Mädchen ohnmächtig zusammen und liegt von nun an im Koma. Laut der behandelnden Ärzte ist Katia von einem mysteriösen Syndrom betroffen, was mit der schweren Krise in ihrer Familie und dem Wegfall jeglicher Sicherheiten zu tun hat. Wenn Sergei und Natalia weiterhin das Besuchsrecht für ihre Tochter haben wollen, müssen sie alle kritischen oder negativen Themen vermeiden, während sie nun ihre Hoffnungen auf Alina setzen, deren Aussage über ihren Asylantrag entscheiden soll.

Resignation

In seinem neuen Film Quiet Life, der im Programm der diesjährigen Filmfestspiele in Venedig vertreten ist, greift Regisseur Alexandros Avranas ein Thema auf, das besonders in Schweden für eine hitzige Debatte über das Thema Einwanderung gesorgt hat. Beim Resignationssyndrom kommt es vor, dass Kinder von geflüchteten Familien aufhören zu essen, zu trinken oder sich zu bewegen und in ein Koma fallen. Es handelt sich hierbei um eine Folge aus den traumatisierenden Belastungen der Flucht, vor allem dem Wegfall jeglicher Sicherheiten. In Quiet Life wird das Syndrom zu einer psychologischen Probe für eine ohnehin schon belastete Familie und zugleich Teil einer Geschichte über eine Einwanderungspolitik, die nicht für den Menschen entscheidet und diesen sich selbst überlässt.

Sicherheiten gibt es kaum welche im Leben der Familie, die Alexandros Avranas in Quiet Life zeigt. Paradoxerweise ist die Unsicherheit die einzige Konstante in einem Leben, das eigentlich nur auf Zeit ist und das nur an der Oberfläche normal erscheint. In ruhigen Kameraeinstellungen sehen wir für das Familiendrama typische Bilder – die Familienmitglieder beim Essen, die Kinder in der Schule und im Schwimmverein – doch ist dies alles nur temporär, wie schon die elektronischen Vorrichtungen in der Wohnung der Familie zeigen. Jeder leider hier still und hat seine Wut und/oder Traurigkeit hinter eine Maske verborgen, die den Beamten der Einwanderungsbehörde etwas suggerieren wollen, was das System verlangt, die Erwachsenen aber sich selbst und ihren Töchtern schon lange nicht mehr geben können. Als dann eine Tochter ins Koma fällt, sich keine Erklärungen finden lassen und man abermals die Schuld bei den Eltern sucht, bekommt die Geschichte eine bizarr-absurde Note, beispielsweise als Sergei und Natalia Lächeln üben müssen, um das Wohl ihrer Tochter nicht zu gefährden. Diese Tragödie ist aber nicht das Ende um das Bangen um Sicherheit und das ersehnte Asyl, denn das Martyrium beginnt nun erst.

„Schauen sie mich an.“

Die Konflikte innerhalb der Familie treffen immer wieder auf Repräsentanten eines Systems, die kein Auge für den Menschen haben. Frustriert von einer für ihn demütigenden Existenz in einem Land, das ihn und seine Familie anscheinend nicht haben will, insistiert Grigory Dobrygins Sergei darum, wahrgenommen zu werden. Als man ihm aufgrund fehlender Zeugen abspricht, verfolgt und bedroht worden zu sein, zeigt er die Wunde eines Messerangriffs, doch abermals erfolgt nur eine kühle Reaktion, ein maschinenartiger Kommentar, er solle sich wieder hinsetzen und sich beruhigen. Das ruhige Leben, wie es im Titel heißt, wird zu einer Sehnsucht nach Normalität auf der einen Seite und zugleich einem Leben, in dem ein konformistischer Standard gefordert wird.  Naomi Lamp und Miroslava Pashutina spielen sehr beeindruckend zwei Kinder, die gelernt haben, stumm zu leiden, doch deren Erschöpfung spürbar ist. Avranas stellt in seiner Inszenierung klugerweise diese schauspielerischen Leistungen in den Vordergrund, die Situation der Familie und versucht dies nicht durch andere Mittel zu betonen oder zu erweitern. Durch diese Herangehensweise erhält Quiet Life eine außerordentliche Wucht, selbst wenn man dann gegen Ende hin etwas Kitsch hinzukommt.

Credits

OT: „Quiet Life“
Land: Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Schweden
Jahr: 2024
Regie: Alexandros Avranas
Drehbuch: Alexandros Avranas, Stavros Pamballis
Musik: Tuomas Kantelinen
Kamera: Olympia Mytilinaiou
Besetzung: Chulpan Khamatova, Grigory Dobrygin, Naomi Lamp, Miroslava Pashutina, Eleni Roussinou

Trailer

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Venedig 2024

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Quiet Life
fazit
„Quiet Life“ ist ein Familiendrama um das Fehlen von Sicherheit, über Resignation und Erschöpfung aufgrund eines Kampfes gegen ein mitleidloses System. Alexandros Avranas gelingt ein mitreißender Film, dessen Schauspieler und bedachte Inszenierung überzeugt und die absurd-tragische Situation der Figuren auf den Punkt bringt.
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