The Beast La Bête
© Carole Bethuel / Grandfilm
The Beast La Bête
„The Beast“ // Deutschland-Start: 10. Oktober 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Gabrielle (Léa Seydoux) hat Angst. Sie weiß nicht so wirklich wovor, es ist eher ein unbestimmtes Gefühl. Sie weiß jedoch, dass eine Katastrophe bevorsteht. Das ist nicht gut, denn im Jahr 2044 sind Gefühle verpönt. Eine allmächtige Künstliche Intelligenz hat diese so gut es geht abgeschafft. Für Gabrielle bedeutet dies, dass sie sich emotional reinigen muss, sprich von allem Ballast befreien. Sonst fehlt es ihr an der notwendigen Rationalität, um beruflich voranzukommen. Sie lässt sich tatsächlich darauf ein, was zur Folge hat, dass sie sich mit ihren vergangenen Erfahrungen auseinandersetzen muss, die sie in den Jahren 1910 und 2014 gemacht hat. Und sie muss sich mit Louis (George MacKay) auseinandersetzen, dem sie in diesen Jahren in unterschiedlichsten Visionen begegnet …

Zukunftsängste und vergangene Traumata

Bertrand Bonello ist einer dieser Regisseure, bei denen man nie genau weiß, was er als nächstes drehen wird. Zwar sind seine Filme meistens Dramen. Aber es ist schon beachtlich, wie unterschiedlich die Themen und Settings in seinen Werken sind. So erzählte er 2014 in Saint Laurent von dem exzessiven Lebensstil der Modeikone Yves Saint Laurent. Bei Zombi Child wechselte er 2019 in den fantastischen Bereich, wenn Jugenddrama, Voodoo-Religion und Kolonisation zusammenkommen. Bei The Beast, dem neuesten Werk des französischen Filmemachers, hebt er nun völlig ab, wenn er gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft reist, Grenzen zwischen Epochen durchlässig sind. Und das ist noch der einfachste Teil bei einem Film, das sich auf kein Genre eingrenzen lassen möchte.

Klar, The Beast ist Science-Fiction. Es geht um eine künstliche Intelligenz, die so sehr das Leben der Menschheit bestimmt, dass 67 Prozent aller Leute keine Arbeit mehr haben. Denn dafür sind sie nicht effizient genug. Eine typische Dystopie eben, mit einem Thema, das in den letzten Jahren von vielen entdeckt wurde. Es geht aber auch um das Überwinden von Traumata, die gewissermaßen von Generation zu Generation weitergegeben werden. Nur dass hier jede Generation aus denselben beiden Figuren bestehen: Gabrielle und Louis tauchen in jeder der Epoche auf, werden auch immer von Seydoux und MacKay gespielt. Sie führen aber ganz andere Leben, haben zum Teil auch sehr unterschiedliche Leben. Manche werden da vielleicht an Cloud Atlas denken. Beide Filme eint, dass es um eine Verbundenheit geht und wie alles mit allem zusammenhängt.

Sehenswerter Trip, der bekannt und fremd zugleich ist

Der Unterschied: Bei The Beast werden diese Zusammenhänge nie ganz greifbar. Auffällig ist auch, dass dieser Aspekt der Zukunftsangst weniger ausgeprägt ist als bei Das Tier im Dschungel. Beide Werke sind von der Novelle The Beast in the Jungle von Henry James inspiriert, bei der es um zwei Menschen geht, die sich mehrfach im Leben begegnen und von einer diffusen Überzeugung geprägt werden, dass eine Katastrophe bevorsteht. Bonello nimmt das wörtlich, erzählt von Erdbeben und Überschwemmungen. Er erzählt aber auch von zwischenmenschlichen Katastrophen, wenn in dem Jahr 2014 das Unglück von einem jungen Mann ausgeht, der sich ungeliebt fühlt. Mit künstlicher Intelligenz hat das dann weniger zu tun, kommt aber zumindest der Idee von James nahe, sein Leben unnötig wegzuwerfen, anstatt es einfach mal zu leben und den Moment zu genießen.

Das Ergebnis ist weniger emotional als der oben genannte Film. Selbst in den Szenen, in denen sich die Figuren näherkommen, gleich auf welcher Zeitebene, ist das seltsam distanziert und lässt das Publikum nicht wirklich heran. Das wird vielen vermutlich nicht gefallen, wenn hier vieles gestreift wird, ohne je konkret zu werden. Und doch ist dieser eigenwillige Genremix, der 2023 bei den Filmfestspielen von Venedig Premiere feierte, nicht minder sehenswert. Ob es inszenatorische Spielereien sind, etwa bei dem Finale des psychotischen jungen Mannes, die Vielzahl an Themen, die oftmals surreale Atmosphäre oder auch die Optik, die an manchen Stellen mit geringen Mittel viel Eindruck hinterlässt: The Beast packt jede Menge in die zweieinhalb Stunden. Man muss sich jedoch auf diesen sonderbaren Trip einlassen können, der gleichzeitig verkopft und irrational ist, der in die geheimsten Tiefen der Menschen herumstöbert, wo einem alles bekannt und doch auch sehr fremd vorkommt.

Credits

OT: „La Bête“
Land: Frankreich, Kanada
Jahr: 2023
Regie: Bertrand Bonello
Drehbuch: Bertrand Bonello
Vorlage: Henry James
Musik: Bertrand Bonello, Anna Bonello
Kamera: Josée Deshaies
Besetzung: Léa Seydoux, George MacKay, Guslagie Malanda, Dasha Nekrasova, Martin Scali, Elina Löwensohn, Marta Hoskins, Julia Faure, Kester Lovelace, Félicien Pinot, Laurent Lacotte

Bilder

Trailer

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The Beast
fazit
„The Beast“ wechselt zwischen mehreren Zeitebenen, Genres und Themen umher, während eine angstgestörte Frau in einer KI-Zukunft in die Vergangenheit reist, um sich von Gefühlen zu befreien. Dabei gibt es zahlreiche Ansätze für Gedanken, faszinierende Bilder und eine surreale Atmosphäre, die gleichzeitig viele unbefriedigt zurücklassen wird, da beim ständigen Umherschwirren nichts wirklich greifbar ist.
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