The Substance
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„The Substance“ // Deutschland-Start: 19. September 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Früher einmal, da war Elisabeth Sparkle (Demi Moore) eine gefragte Schauspielerin, wurde mit einem Oscar gewürdigt, erhielt auch einen eigenen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. Doch davon ist nicht viel geblieben, ihre Filmkarriere ist schon seit einer ganzen Weile vorbei. Immerhin, mit ihrer eigenen Fitness-Fernsehsendung hat sie ein großes Publikum erreicht. Ihre Show hat über die Jahre hinweg treue Fans gewonnen. Dennoch, für ihren Chef Harvey (Dennis Quaid) ist es an der höchsten Zeit, dass das Zugpferd gegen ein jüngeres, frischeres Exemplar ausgetauscht wird. Eine blutjunge, knackige Frau, mit der auch ein männliches Publikum angesprochen wird, das braucht es. Für Elisabeth bricht eine Welt zusammen, als sie von dieser Entscheidung hört. Und so lässt sie sich auf das Angebot ein, eine mysteriöse Substanz zu sich zu nehmen, durch die sie wieder jung wird. Tatsächlich, kurze Zeit später wird aus ihr die schlanke Mittzwanzigerin Sue (Margaret Qualley). Die Sache hat nur einen Haken: Beide müssen sich die Zeit teilen. Und Sue hat keine große Lust aufs Teilen …

Frauen als bloßer Körper

In den letzten Jahren wurde das traditionell von Männern bestimmte Horrorgenre immer wieder durch spannende Regisseurinnen aufgemischt. Ob nun Jennifer Kent (Der Babadook), Rose Glass (Saint Maud) oder Ana Lily Amirpour (A Girl Walks Home Alone at Night), da meldeten sich schon einige vielversprechende Künstlerinnen zu Wort und drückten dem Genre ihren Stempel auf. Nun darf man auch Coralie Fargeat zu dieser Gruppe hinzuzählen. Während die obigen Kolleginnen jedoch mit Horror begannen und sich anschließend anderweitig ausprobierten, geht die Französin einen umgekehrten Weg. So wurde sie 2017 mit dem Thriller Revenge bekannt, der auf mehreren Festivals lief, bevor sie sich mit ihrem lang erwarteten zweiten Langfilm The Substance dem Horror zuwandte und dabei sicher einen der meist diskutierten Genrebeiträge des Jahres geschaffen hat.

Wer das oben genannte Debüt gesehen hat, weiß bereits, dass Fargeat eine Vorliebe dafür hat, bestehende Genrefilme feministisch neu zu erzählen. So machte sie bei Revenge aus einem simplen Rape-and-Revenge-Thriller einen stilvollen Beitrag, bei dem ausnahmsweise ein gut gebauter Mann über lange Zeit nackt umherläuft, während die schwer bewaffnete Protagonistin Jagd auf ihn macht. Nackte Haut gibt es auch in ihrem Zweitlingswerk nicht zu knapp. Und selbst wenn die Frauen etwas anhaben, dann ist das oft so körperbetont, dass man jedem männlichen Regisseur Voyeurismus vorgeworfen hätte. Doch das ist eben Teil der Geschichte von The Substance, wenn es maßgeblich um den männlichen Blick auf Frauen geht. Diese werden von anderen auf ihren Körper reduziert, bis diese das Urteil verinnerlichen. Elisabeth könnte natürlich auch einfach aufhören mit der Fitness-Sendung und sich eine andere Arbeit suchen. Aber sie identifiziert sich so sehr mit körperlicher Schönheit, dass sie das nicht einmal in Erwägung zieht.

Zwischen Body Horror und Satire

Daraus hätte man prinzipiell auch ein ernstes Drama machen können. In ihrem Drehbuch, welches bei der Premiere bei den Filmfestspielen von Cannes 2024 ausgezeichnet wurde, setzt Fargeat jedoch auf eine Mischung aus Body Horror und Satire. Bei Ersterem fließt, wie schon bei Revenge, jede Menge Blut. Wo das Debüt aber bei allem Rausch noch in der Realität blieb, wird The Substance zu einem zunehmend grotesken Werk, das sich regulären Erklärungen entzieht. An manchen Stellen sollte man da schon etwas härter im Nehmen sein, den Zuschauern und Zuschauerinnen wird einiges zugemutet. Auch beim Humor kennt die Filmemacherin kein Pardon, das wird derb und direkt, die Figuren zu Karikaturen reduziert – allen voran Harvey, der bei Dennis Quaid zu einem bemerkenswert schmierigen Widerling wird.

Manchmal ist das eine Zumutung. Das gilt gerade auch wegen der Laufzeit, die nicht minder exzessiv ist: 140 Minuten sind viel zu lang für das, was die Filmemacherin da zu erzählen hat. Gerade zum Ende hin wird es schon etwas zäh, trotz der fortwährenden Eskalation. Denn so richtig viel hat der Film da gar nicht mehr hinzuzufügen. Aber auch wenn der immense Hype vielleicht ein bisschen übertrieben ist, darf man The Substance schon als ein Ereignis bezeichnen. Die Mischung aus erneut stylischen Aufnahmen, ungeniertem Ekelfaktor und bissiger Anklage gegenüber einem Showgeschäft, welches Menschen zu einer reinen Ware reduziert, hinterlässt Eindruck und macht auf jeden Fall neugierig darauf, welche Wege Fargeat in Zukunft wohl noch einschlagen wird. Schauspielerisch ist die Horrorsatire ebenfalls ein Triumph, der gerade auch Demi Moore wieder zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen dürfte.

Credits

OT: „The Substance“
Land: UK, USA, Frankreich
Jahr: 2024
Regie: Coralie Fargeat
Drehbuch: Coralie Fargeat
Musik: Raffertie
Kamera: Benjamin Kracun
Besetzung: Demi Moore, Margaret Qualley, Dennis Quaid

Bilder

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The Substance
fazit
„The Substance“ kombiniert Body Horror mit Showgeschäftsatire, wenn eine kriselnde Ex-Schauspielerin dem Jugendwahn zuliebe Grenzen überschreitet. Das ist in vielerlei Hinsicht exzessiv, mal im positiven, mal im negativen Sinn. Doch auch wenn dem Genremix zum Ende hin deutlich die Luft ausgeht, ist er doch ein Ereignis, an dem man kaum vorbeikommt.
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