Seit seiner Geburt ist Tony an sein Zuhause gebunden, immer wieder wird ihm gesagt, er solle das Mehrfamilienhaus nicht verlassen. Und das ist nicht die einzige Regel, die ihm seine Eltern auferlegen. Er soll zudem immer eine Maske tragen, sobald er die Wohnung verlässt. Aus gutem Grund: Tony leuchtet. Sein ganzer Körper gleicht einer Lampe, was die anderen im Haus nicht sehen sollen, damit er nicht deswegen gehänselt wird. Doch während der Junge auf diese Weise vor der Welt geschützt werden soll, führt dies nur dazu, dass er sich sehr einsam fühlt. Das ändert sich erst, als Shelly in das Haus einzieht. Denn auch das Mädchen hat eine besondere Gabe: Sie kann mit ihrer Taschenlampe Fantasiewelten erschaffen. Schnell schließen die beiden Freundschaft. Eine Freundschaft, die jedoch immer wieder auf die Probe gestellt wird – darunter durch ein seltsames Schattenmonster, das für Angst und Schrecken sorgt …
Animationsfilm zwischen Licht und Schatten
Stop-Motion lebt! Auch wenn die altehrwürdige Animationstechnik, bei der Objekte mit viel Aufwand Frame für Frame bewegt werden, immer wieder tot gesagt wird, finden sich nach wie vor erfreulich viele neue Filme, die auf diese zurückgreifen. Vor allem auf Festivals kann man solche Titel immer wieder bewundern, kürzlich etwa die Ökofabel Savages oder das herzzerreißende Geschwisterporträt Memoir of a Snail, die auf unterschiedliche Weise zeigen, wie bewegend solche Puppenfilme sein können. Ebenfalls auf zahlreichen Festivals zu Gast war Tony, Shelly und das magische Licht, wo er das Publikum zu verzaubern wusste. Umso schöner ist, dass es die kleine europäische Coproduktion nun auch offiziell in die deutschen Kinos schafft, wo sie hoffentlich von möglichst vielen Besuchern und Besucherinnen entdeckt wird.
Von Anfang an macht das Werk neugierig, da es zunächst nicht wirklich verrät, was denn Sache ist. Wir erfahren zwar, dass der Titelheld vor der Welt geschützt werden soll, weshalb er auch zu Hause unterrichtet wird. Aber es dauert einige Minuten, bis wir auch sehen, was genau los ist, als wir den Jungen das erste Mal leuchten sehen. Überhaupt spielt Licht und Dunkelheit eine große Rolle, im wörtlichen wie übertragenen Sinn. So hat auch Shelly eine Fähigkeit, die mit Licht zu tun hat. Der Gegenspieler wiederum ist das besagte Schattenwesen, das umherstreift und für Schrecken sorgt. Dabei ist dieses gar nicht böse. Die Dunkelheit, so wird später verraten, ist nicht auf finstere Absichten zurückzuführen. Vielmehr ist es das Ergebnis der Menschen in dem Haus, die sich alle gegenseitig das Leben schwermachen oder unglücklich sind, was auf das Wesen abgefärbt hat.
Charmant, warmherzig und bezaubernd
Wo es in Filmen, die für eine jüngere Zielgruppe produziert werden, oft darum geht, dass die jungen Figuren etwas lernen müssen, trifft das hier mehr oder weniger auf das gesamte Haus zu. Ob es die Eltern sind, die ihren Jungen gehen lassen müssen, die ehemalige Ballerina oder auch ein anderes Mädchen, das Tony ständig mobbt: Ihnen stehen Erkenntnisreisen bevor, ohne je das Haus zu verlassen. Tony, Shelly und das magische Licht bringt auf diese Weise eine Reihe von Themen zusammen, von der Akzeptanz von Andersartigkeit über die Bedeutung von Freundschaft bis zur Schönheit von Fantasie. Tatsächlich kann man sich darüber streiten, was genau der Film eigentlich erzählen möchte, da mehrere Schicksale miteinander verwoben werden, die nur durch das gemeinsame Setting zusammengehalten werden.
Dennoch ist es natürlich willkommen, wenn sich die tschechisch-slowakisch-ungarische Coproduktion für ein Miteinander stark macht – gerade in Zeiten von Spaltung und Misstrauen. Dass sie so sehenswert ist, liegt aber auch an der wunderbaren Optik. Mit großem Einfallsreichtum geht Regisseur Filip Pošivac an die Arbeit, arbeitet mit einer Liebe für Details und ungewöhnlichen Designs, macht – vergleichbar zu Shelly – Alltägliches zu etwas Besonderem. Tony, Shelly und das magische Licht mag vielleicht nicht die ganz große Spannung erzeugen, vor allem bei einem erwachsenen Publikum, das früh durchschaut, worauf das alles hinauslaufen wird. Aber der Animationsfilm ist so charmant, warmherzig und bezaubernd, dass man selbst mit leuchtenden Augen davor sitzt – auch ohne Spezialfähigkeit.
OT: „Tonda, Slávka a Génius“
IT: „Tony, Shelly and the Magic Light“
Land: Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn
Jahr: 2023
Regie: Filip Pošivac
Drehbuch: Jana Šrámková
Musik: Ádám Balázs
Kamera: Denisa Buranová
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur Filip Pošivac zu unterhalten. Im Interview zu Tony, Shelly und das magische Licht sprechen wir über die Arbeit an dem Film, seine Einflüsse und Hoffnungen.
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