Wyatt Earp and the Cowboy War

Sie erfreuen sich beim Netflix-Publikum immer wieder größerer Beliebtheit: Dokumentationen über historische Ereignisse oder Personen. Dieses Jahr gab es da beispielsweise Hitler und die Nazis: Das Böse vor Gericht, das den Lebensweg des ideologischen Massenmörders nachzeichnete. Geheimnisse der Neandertaler wagte sogar eine ganz weite Reise in die Vergangenheit und brachte uns unsere ausgestorbenen Verwandten etwas näher. Wendepunkt: Die Bombe und der Kalte Krieg erinnerte an den jahrzehntelangen Kalten Krieg, als die Welt in zwei große Blöcke zerfielt. Nicht minder konfrontativ geht es in Wyatt Earp and the Cowboy War zu, auch wenn die Kämpfe dort natürlich deutlich lokaler begrenzt waren und für die Weltgeschichte weniger bedeutend.

Die Geschichte einer großen Fehde

Im Mittelpunkt der sechsteiligen Serie steht dabei, wie der Titel bereits ankündigt, Wyatt Earp. Dieser gehört sicherlich zu den großen Legenden des Wilden Westens, wobei er anders als etwa Jesse James oder Billy the Kid auf Seiten der Guten stand. Zumindest ist es das, was in Filmen immer wieder gesagt wird, ein Medium, das der US-Amerikaner selbst zu Lebzeiten noch zu beeinflussen versuchte. Nun muss man bei Heldengeschichten, gerade auch solchen, wie sie in der Traumfabrik Hollywood entstehen, immer etwas skeptisch sein. Wyatt Earp and the Cowboy War ist dann auch der Versuch, ein wenig hinter die Kulissen zu blicken und mehr über das tatsächliche Leben zu verraten, weniger über die geschönte Saga, wie sie schon früh etabliert wurde.

Diese Demaskierung geschieht hier aber nur nebenbei. Hauptschwerpunkt der Dokumentation ist der im Titel bereits vorweggenommene Krieg. Genauer handelte es sich dabei um eine Fehde zwischen ihm und Ike Clanton, einem bekannten Outlaw. Beide waren auch, neben jeweiligen Brüdern und anderen Leuten, Teil des berühmten Kampfes am O.K. Corral 1881, der ebenfalls mehrfach in Filmen dargestellt wurde. Die Bösen waren damals, anders als man heute vielleicht denken könnte, die Cowboys, ein loser Verbund von Gesetzlosen. Wyatt Earp and the Cowboy War nimmt diesen Kampf aber nicht als Höhepunkt, wie es oft in Western der Fall war, sondern erzählt primär die Geschichte, die sich daran anschloss. Schließlich ging die Fehde anschließend noch einige Jahre weiter und nahm unterschiedlichste Formen an, darunter auch eine Gerichtsverhandlung.

Detailreiches Zeitporträt

Interessant ist dabei, wie die Serie diese Feindschaft mit einem allgemeinen Zeitporträt verknüpft. So erfährt man viel über die damalige Gesellschaft, Vorstellungen von Ehre und Moral, aber auch eine Form der Spaltung. Der Amerikanische Bürgerkrieg lag damals zwar schon einige Jahre zurück. Die Auswirkungen waren aber noch immer zu spüren. Beispielsweise dürfen die Zuschauer und Zuschauerinnen lernen, dass es durchaus Sympathien gab für die Cowboys. Es war auch nicht zwangsläufig so, dass diese und die Gesetzeshüter Gegner waren. Letztendlich führt Wyatt Earp and the Cowboy War vor Augen, wie letztendlich schon damals knallharte Eigeninteressen und auch Stimmungen in der Bevölkerung ausschlaggebend sein konnten. Da mischen sich dann schon mal die Wirtschaft oder Banken ein.

Natürlich braucht es ein Interesse an diesen Themen, um der Serie etwas abgewinnen zu können, da sie zum Teil schon sehr ins Detail geht. Und auch wenn es sich anbietet, diesen Stoff etwas filmischer darzustellen und ein richtiges Ensemble zu engagieren, um die Geschichte zu erzählen: Diese mit realen Schauspielern nachgestellten Szenen gehen so weit, dass man sich fragen darf, ob man nicht gleich eine „richtige“ gespielte Serie daraus hätte machen sollen, anstatt diesen Mix aus Vorführen und Voice-over-Erzählung. Wen das nicht stört, für den kann Wyatt Earp and the Cowboy War schon ganz spannend sein, gerade eben als erweiterte Geschichtsstunde, die mehr will als die üblichen Heldenlieder.