Als Lifestyle-Influencerin ist es Jo (Noémie Merlant) gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen und anderen aus ihrem Leben zu erzählen. Doch jetzt heißt es erst einmal, sich um ein anderes Leben zu kümmern. Schließlich steht sie kurz davor Mutter zu werden. Die Vorfreude ist groß bei ihr und ihrem Partner Spencer (Kit Harington). Doch als Baby Ruby endlich da ist, ist die Freude getrübt. Immer wieder ist Jo genervt von dem Geschrei, ist oft von der Situation überfordert. Schlimmer noch, sie hat das Gefühl, von ihrer Tochter gehasst zu werden und dass diese ihr bewusst schaden will. Zwar ist Spencers Mutter Doris (Jayne Atkinson) nie weit weg und bietet ihre Hilfe an. Aber auch das sorgt nicht wirklich für Entspannung, da Jo anfängt, alles und jedem in ihrer Umgebung zu misstrauen …
Nicht viel Mystery
Nachdem Netflix die letzten Monate nur wenig für Horrorfans getan hat, hat der Streamingdienst dieses Wochenende für vergleichsweise viel Nachschub gesorgt. Die größte Aufmerksamkeit dürfte dabei das Original The Deliverance erhalten haben, bei dem eine dysfunktionale Familie zunehmend unheimliche Beobachtungen macht. Außerdem lizenzierte man zwei Titel, die bislang nicht anderweitig erhältlich sind. Da ist Disquiet, bei dem eine Gruppe von Menschen aus einem Krankenhaus zu fliehen versucht, in dem eindeutig etwas nicht stimmt. Und auch Baby Ruby versucht, mit düsteren Szenen und alptraumhaften Visionen Zuschauer und Zuschauerinnen für sich zu gewinnen und rätseln zu lassen, was da genau vorfällt.
Theoretisch. Praktisch tut der Film aber nicht so wahnsinnig viel dafür, das Publikum auf eine falsche Spur zu kriegen. Sicher, zwischendurch gibt es schon Situationen, in denen sich andere Figuren ein wenig seltsam verhalten. Vor allem Shelly (Meredith Hagner), der Jo in einem Babyladen begegnet ist, darf einem verdächtig vorkommen. Warum will sie ihr Kind nicht zeigen? Was genau will sie von Jo? Dennoch, der Mystery-Faktor hält sich stark in Grenzen. Die wichtigste Frage in Baby Ruby dürfte noch sein, wie viel von dem, was die Protagonistin erlebt, real ist. Schließlich ist es eindeutig, dass sie eine angeknackste Psyche hat, was sie zu einer chronisch unzuverlässigen Erzählerin macht. An manchen Stellen ist nicht einmal klar, ob sie gerade etwas tatsächlich erlebt oder es nur träumt. Die typischen Bestandteile von Psychothriller und Horrorfilmen.
Der Horror einer Mutterschaft
Weniger typisch ist das eigentliche Thema des Films. So wird eigentlich relativ schnell klar, worüber Regisseurin und Drehbuchautorin Bess Wohl, die eigentlich im Theater zu Hause ist und viel selbst schauspielert, bei ihrem Regiedebüt will. Es geht – Vorsicht kleiner Spoiler – darum, wie Frauen nach der Geburt eines Kindes in eine persönliche Krise rutschen können. Vor allem ist es ihr ein Anliegen, diese Abgründe zu enttabuisieren. Würde offener damit umgegangen, wären viele nicht einfach sich selbst überlassen und könnten leichter Hilfe in Anspruch nehmen. Baby Ruby ist also einer dieser Horrorfilme, die das Genre letztendlich nutzen wollen, um sich an gesellschaftlich relevanten Stoffen zu versuchen. Verkehrt ist das nicht, es hat in den letzten Jahren eine Reihe von Beispielen gegeben, wo die Kombination aus Schrecken und inhaltlichem Anspruch funktioniert hat.
Hier überzeugt das Ergebnis weniger. Die Absicht ist gut. Noémie Merlant (Black Friday for Future, Tár) kann man ebenfalls keinen Vorwurf machen, als zunehmend labile Mutter hat sie schon schauspielerisch gelungene Szenen. Der Genremix, der 2022 auf dem Toronto International Film Festival Premiere hatte, schafft es aber nicht, aus dem Ganzen auch wirklich Spannung zu erzeugen. Tatsächlich ist Baby Ruby zwischendrin sogar ein recht langweiliges Werk, das bereits alles Pulver verschossen hat und nicht mehr wirklich etwas zu erzählen hat. Das ist schade, weil die Idee, den Alptraum einer postnatalen Depression mit Horrorelementen zu verbinden, nicht schlecht war. Aber es sprang eben nur ein durchschnittlicher Film heraus, der nicht unbedingt dafür geeignet ist, Hochspannung zu erzeugen. Dass die Protagonistin eine Influencerin ist, wird ebenfalls kaum genutzt.
OT: „Baby Ruby“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Bess Wohl
Drehbuch: Bess Wohl
Musik: Erik Friedlander
Kamera: Juan Pablo Ramírez
Besetzung: Noémie Merlant, Kit Harington, Meredith Hagner, Jayne Atkinson
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