Eigentlich hatte Adam Vollmann (Niels Schneider) mit seinem Leben in der kleinen Bergarbeiterstadt Guerches-sur-Isoire im Norden Frankreichs abgeschlossen. Seit vielen Jahren schon lebt er in Paris, wo er für eine große überregionale Tageszeitung arbeitet. Doch als er im Fernsehen von einem Mordfall erfährt, der dort stattgefunden hat, überzeugt er seinen Chefredakteur, ihn dorthin zu schicken und vor Ort zu ermitteln. Dabei verschweigt er jedoch, dass der Hauptverdächtige Axel Challe (Thomas Debaene) sein großer Schwarm war und er deshalb auch ein persönliches Interesse an der Geschichte hat. Als Adam wieder in der Heimat ist, stellt er fest, dass an der Sache etwas faul ist. Doch er wird auch von Erinnerungen heimgesucht, wie er als Jugendlicher (jetzt: Roman Villedieu) von anderen gemobbt und misshandelt wurde …
Mördersuche in der Heimat
Es ist ein in Krimis immer wieder gern verwendetes Motiv: Die Hauptfigur kehrt in die alte Heimat zurück, wo sie entweder in einen Fall verwickelt wird oder diesen aufklären muss. Da war gerade etwa Wäldern: Das verschwundene Mädchen über eine Pianistin, die in ihrer Heimatstadt die verschwundene Nichte sucht. Bei Dunkle Wasser war es ein Chefinspektor, der in dem kleinen Ort, in dem er aufgewachsen ist, nach dem Mörder einer Jugendfreundin sucht. Insofern befindet sich Die Welt existiert nicht in guter Gesellschaft. Hier ist es zwar ein Journalist, der ermittelt, was aber am Szenario nicht viel ändert. Die Serie weckt daher gewisse Erwartungen, zumal sie am Donnerstagabend auf arte läuft. Und auf dem Sendeplatz waren schon viele, oft sehr sehenswerte Krimiserien zu sehen.
Zumindest anfangs scheint die französische Produktion diese Erwartungen auch erfüllen zu wollen. Man findet hier die üblichen Elemente, die in diesem Genre immer verwendet werden: Spurensuche, Befragungen, Nachforschungen. Dabei kommen Ungereimtheiten ans Tageslicht, Leute verhalten sich seltsam und verschweigen offensichtlich etwas. Doch diese regulären Bestandteile werden von Anfang an mit Rückblicken auf die Jugend des Protagonisten verbunden. Das ist in solchen Heimkehrergeschichten zwar nicht unüblich, eine Form der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit findet immer wieder statt. Bei Die Welt existiert nicht ist das aber deutlich ausgeprägter. Wo andere Krimis die inneren Zeitreisen als ausschmückendes Detail betrachten, schiebt sich das hier zunehmend in den Mittelpunkt. So sehr, dass die Frage nach dem Mord gar nicht mehr so dringend ist.
Zwischen Krimi, Traumadrama und skurrilem Witz
Das ist ein Grund, weshalb die Serie manche enttäuschen wird. Der andere ist, dass die Adaption eines Romans von Fabrice Humbert mit der Zeit auch die Grenzen auflöst zwischen Realität und Einbildung. Mitunter wird das sehr seltsam, geradezu surreal. Wer Regisseur und Co-Autor Erwan Le Duc kennt, wird das vielleicht nicht überraschen. Sein Film The Bare Necessity war eine skurrile Komödie um nackte Anarchisten und einen Polizisten, dessen Leben auf den Kopf gestellt wird. Manche Passagen in Die Welt existiert nicht sind ebenfalls amüsant, vor allem als Fafa (Julien Gaspar-Oliveri) auftaucht, ein eigenwilliger Typ, der behauptet, ein alter Schulfreund zu sein, an den sich Adam aber gar nicht erinnern kann. Mit seiner exaltierten Art sorgt er immer wieder für Komik, gerade auch durch den starken Kontrast zum Protagonisten, der die meiste Zeit sehr stoisch agiert.
Als Krimi ist das reichlich seltsam, für manche vielleicht auch unbefriedigend, obwohl es zum Ende der vierteiligen Miniserie Antworten gibt. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich stärker auf einen Aspekt zu konzentrieren, anstatt zwischen klassischer Mördersuche, schmerzhafter Traumaarbeit und skurrilem Witz zu wechseln. Wer sich aber auf den eigenwilligen Mix einlassen kann, findet hier eine sehenswerte Serie, die sich wohltuend von dem Krimieinerlei des deutschen Fernsehens abhebt. Die Welt existiert nicht kann sich dabei auf Hauptdarsteller Niels Schneider (Ein Glücksfall) verlassen, der zunächst zwar vor allem durch seine steinerne Mimik auffällt, im weiteren Verlauf aber auch sein schauspielerisches Talent unter Beweis stellen darf.
OT: „Le monde n’existe pas“
Land: Frankreich
Jahr: 2024
Regie: Erwan Le Duc
Drehbuch: Erwan Le Duc, Mariette Désert
Vorlage: Fabrice Humbert
Musik: Julie Roué
Kamera: Nicolas Mesdom
Besetzung: Niels Schneider, Maud Wyler, Julien Gaspar-Oliveri, Anne Rotger, Saadia Bentaïeb, Nicolas Chupin, Georgia Scalliet, Mwanza Goutier, Roman Villedieu
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