Mit harter Hand herrscht Franco (Francesco Di Leva) über seine Familie, wird sowohl seiner Frau Licia (Barbara Ronchi) wie auch den beiden Söhnen gegenüber gewalttätig. Lange sieht Licia dem tatenlos zu, bis sie doch versucht, sich Hilfe zu suchen und ihn bei der Polizei meldet. Diese Entscheidung wird sie zunächst bereuen, da ihr daraufhin die Kinder weggenommen werden. Doch es bedeutet, dass die drei im Anschluss einen Neustart versuchen können. Jahre später sind aus Luigi (Francesco Gheghi) und Alessandro (Marco Cicalese) junge Männer geworden, die noch immer bei der Mutter leben. Noch immer leiden sie unter den traumatischen Erfahrungen. Luigi, von allen nur Gigi genannt, ist inzwischen in rechtsextremen Kreisen unterwegs. Der Schock ist groß, als eines Tages Franco wieder da ist und zurück ins Leben der Familie drängt …
Gewalt in der Familie
Während der Corona-Pandemie rückte das Thema kurzzeitig in den Fokus: Gewalt in der Familie. Damals hatte sich durch die Lockdowns das Problem verschärft, dass vor allem Frauen und Kinder misshandelt wurden, diese hilflos ausgeliefert waren. Inzwischen wird darüber kaum noch gesprochen, obwohl das Thema nicht weniger aktuell geworden ist. Insofern ist es nicht verkehrt, wenn Familia eine solche Geschichte erzählt. Hier lernen wir eine Mutter und ihre beiden Söhne kennen, die Gewalt durch den Vater erleiden und sich nicht von diesen Erfahrungen wirklich lösen können. Auch Jahre später sind sie in der Opferrolle gefangen, wissen nicht so wirklich, wie sie damit umgehen und die Situation besser machen können.
Wobei die Reaktionen sehr unterschiedlich ausfallen. Licia ist letztendlich nicht mehr als die misshandelte Ehefrau. Weder zeigt sie im späteren Verlauf eine wirkliche Widerwehr, noch macht sich der Film die Mühe, sie näher zu charakterisieren. Sie definiert sich durch die doppelte Rolle als Gattin und Mutter. Mehr wird sie nicht, der Widerspruch zwischen den beiden Rollen wird kaum behandelt. Das liegt auch daran, dass Familia deutlich mehr Interesse an den beiden jungen Männern hat. Aus gutem Grund: Die Vorlage des Dramas ist der Roman Non sarà sempre così – It won’t be like this forever von Luigi Celeste, der darin seine eigenen Erfahrungen beschreibt. Die Ereignisse sind daher größtenteils aus seiner Perspektive erzählt. Auch wenn es Szenen ohne ihn gibt und er nur selten treibende Kraft ist, Regisseur und Co-Autor Francesco Costabile erzählt seine Geschichte.
Die (Nicht-)Suche nach einem Ausweg
Er ist dabei auch nicht zimperlich, seine Figur wird sehr ambivalent beschrieben. Während Alessandro als Einziger offen dagegen protestiert, dass sein Vater wieder Teil des Lebens wird, sehnt sich Gigi nach der Anerkennung durch den Mann, der ihn kaputtgemacht hat. Zumindest wird impliziert, dass der Abstieg in rechtsextreme Kreise damit zusammenhängt, dass er nach dem Fortgang des Oberhaupts Halt durch andere braucht. Später wird das etwas konstruktiver geschehen, durch eine Beziehung. Aber er fällt selbst durch einen Hang zur Gewalt auf, die ihm auch juristische Probleme beschert hat. Familia bietet sich damit für eines dieser Läuterungsdramen an, bei denen die Hauptfigur lernt, ein besserer Mensch zu werden. Aber die Realität hält sich nicht immer an solche filmischen Konventionen.
Das macht das Drama, welches 2024 in Venedig Weltpremiere hatte, zu einem sehr düsteren Werk. Nur selten gewährt Costabile dem Publikum etwas Hoffnung, einen Lichtblick inmitten der Dunkelheit. Denn sobald der Vater wieder da wird, ist die Atmosphäre angespannt, man wartet geradezu darauf, dass da etwas Schlimmes geschieht. An Konflikten mangelt es nicht, sie werden häufiger und körperlicher. Familia ist dabei gut gespielt, sowohl die brenzligen wie auch die harmonischen Szenen überzeugen. Dabei wird die Gewalt selbst kaum gezeigt, vieles wird zudem nicht direkt verarbeitet und besprochen. Aber das passt dann irgendwie auch zu einem Film, bei dem zwei von drei Opfern das Trauma verdrängen und heile Familie spielen, während der Dritte fassungslos danebensitzt. Ein bisschen erklärungsbedürftig ist das schon, zeigt aber auch, wie Menschen in solchen toxischen Beziehungen feststecken können, sei es aus Angst, Leugnung oder Gewohnheit.
OT: „Familia“
Land: Italien
Jahr: 2024
Regie: Francesco Costabile
Drehbuch: Francesco Costabile, Vittorio Moroni, Adriano Chiarelli
Vorlage: Luigi Celeste
Musik: Valerio Vigliar
Kamera: Giuseppe Maio
Besetzung: Francesco Gheghi, Barbara Ronchi, Francesco Di Leva, Marco Cicalese
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