Favoriten
© Grandfilm / Ruth Beckermann Filmproduktion

Favoriten

„Favoriten“ // Deutschland-Start: 19. September 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Dass die Schulen in Deutschland nicht im besten Zustand sind, das ist kein Geheimnis. Es fehlt überall an allem, insbesondere natürlich an Lehrkräften. An vielen Schulen ist Unterbesetzung Normalzustand. Die Misere um den Bildungsstand in den Klassen wurde ebenfalls oft thematisiert, ohne dass Fortschritte zu erkennen sind. Die Probleme sind bekannt, Lösungen weniger. Insofern ist es fast schon tröstlich, wenn mit Favoriten ein Film in die hiesigen Kinos kommt, bei dem es um solche Probleme geht. Sie werden aber nicht an einer deutschen, sondern an einer österreichischen Schule illustriert, wo es nicht besser ist. Genauer nimmt uns der Dokumentarfilm an eine Wiener Schule, die in eben jenem Viertel steht, welche dem Film seinen Titel gegeben hat.

Schulklasse mit Migrationshintergrund

Dieses Viertel hat nicht den besten Ruf. Früher war es als Arbeiterbezirk bekannt. Heute bringt man es in erster Linie mit dem derzeitiger Aufregerthema Nummer eins in Verbindung, es leben viele Menschen mit Migrationshintergrund dort. Das macht sich auch in Favoriten bemerkbar. Immer wieder sehen wir Kinder, die nur brüchig Deutsch sprechen, manchmal nicht einmal das. Daraus ergibt sich die berechtigte Frage, wie diese Kinder etwas lernen sollen, wenn sie nicht einmal das Grundwerkzeug zur Verfügung haben. Regisseurin Ruth Beckermann (Mutzenbacher, Waldheims Walzer) hat jedoch keinen Film vorgelegt, der Migration als solche problematisiert. Vielmehr ist das nur ein Faktor unter vielen, der die Arbeit der Lehrer und Lehrerinnen erschwert. Ganz weit oben auf der Hitliste sind auch hier fehlende Hilfsmittel und fehlende Lehrkräfte.

Eine, die sich davon nicht abhalten lassen will, ist Ilkay Idiskut. Ihre Klasse ist es, die von Beckmann im Rahmen einer Langzeitbeobachtung in den Mittelpunkt gestellt wird. Drei Jahre lang hat die Regisseurin die Lehrerin und ihre Schüler und Schülerinnen begleitet. Dann und wann sehen wir sie bei Ausflügen. Überwiegend dreht sich das Geschehen aber um den Alltag in der Schule, wo Idiskut engagiert versucht, den ihr anvertrauten Kindern einen Weg in die Zukunft zu zeigen. Favoriten ist dabei ein Film über eine Frau, die ihren Beruf als tatsächliche Berufung versteht. Der Dokumentarfilm erzählt aber auch primär von den Kindern, von ihren Geschichten und Schicksalen. Dabei kommen immer wieder ernste Themen auf, der Krieg spielt beispielsweise eine große Rolle. Einige der Kinder sind mit ihren Familien vor dem Krieg geflohen. Das wird in der Klasse auch angesprochen, um so Verständnis zu wecken.

Von Chancen und Grenzen

Allgemein ist Favoriten ein Film, der sich nicht einseitig dem Wehklagen hingibt. Vielmehr zeigt er, dass diese wild zusammengewürfelte Klasse in eben dieser Vielfalt auch eine Chance ist. Die Schule wird zu einem Ort der Begegnung, wenn Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen zusammenkommen und etwas über andere Länder erfahren dürfen. Ob Syrien oder Serbien, Mazedonien oder die Türkei – zumindest in der Klasse darf Vielfalt gelebt werden, ohne Ressentiments und Ausgrenzung. Die Kinder werden zur Neugierde erzogen, um so einer Welt begegnen zu können, deren Grenzen brüchig geworden sind. Idiskut ist dabei mit ihrer offenen und einfühlsamen Art selbst Vorbild für die Jungen und Mädchen, die später einmal das Land mitgestalten sollen.

Das bedeutet aber nicht, dass der Film eine rosige Zukunft vorhersagt und Probleme unter den Teppich kehrt. Die gibt es, sind in Favoriten kaum zu übersehen. Immer wieder klappt etwas nicht, stoßen die Lehrerin und das Kollegium an Grenzen. Und man hat auch nicht das Gefühl, dass es wirklich besser wird. Wenn das Publikum nach drei Jahren die Klasse der Grundschule verlässt, sind Hoffnung und Resignation nah beieinander. Es geht mehr darum, aus einer schlechten Situation das Beste zu machen, anstatt sie gutzureden. Sehenswert ist der Dokumentarfilm, der auf der Berlinale 2024 Premiere feierte und der die Balance hält aus persönlichen und gesellschaftlichen Einblicken. Der zu Herzen geht und gleichzeitig Stoff zum Nachdenken und Diskutieren gibt.

Credits

OT: „Favoriten“
Land: Österreich
Jahr: 2024
Regie: Ruth Beckermann
Drehbuch: Ruth Beckermann, Elisabeth Menasse,
Kamera: Johannes Hammel

Bilder

Trailer

Filmfeste

Berlinale 2024

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Favoriten
fazit
„Favoriten“ begleitet über drei Jahre hinweg eine Schulklasse, bei der viele Kinder einen Migrationshintergrund haben. Der Dokumentarfilm zeigt im Alltag die vielen Schwierigkeiten und Probleme eines maroden Systems, zeigt aber anhand einer engagierten Lehrerin, wie die Schule auch ein Ort der Begegnung sein kann.
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