Googoosh - Made of Fire
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Googoosh – Made of Fire

Googoosh - Made of Fire
„Googoosh – Made of Fire” // Deutschland-Start: 10. Oktober 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

21 Jahre wurde sie zum Schweigen gebracht. Aber seit sie wieder singen darf, füllt sie erneut die großen Hallen. Die iranische Pop-Ikone Googoosh ist ein moderner Mythos, selbst wenn sie hierzulande fast ausschließlich von Exil-Iranern und anderen Menschen aus dem Nahen Osten gefeiert wird. Bei ihren Konzerten singt und spricht sie Farsi, ihre Fans rührt das zu Tränen. Denn Googoosh verkörpert all das, was sie verloren haben: eine moderne Version ihrer Heimat und ein emanzipiertes Frauenbild. Die inzwischen 74-Jährige ist eine Sehnsuchtsfigur für viele, auch für die deutsch-iranische Dokumentarfilmerin Niloufar Taghizadeh. Sie hat Googoosh zwei Jahre lang begleitet. Ihr Porträt der charismatischen Sängerin umreißt zugleich die tragische Geschichte eines Landes, das auf dem Weg in die Moderne war und von den Mullahs in einen diktatorischen Gottesstaat zurückgezwungen wurde.

Widmung an Masha Amini

September 2022 in der Frankfurter Jahrhunderthalle: Die Band spielt schon, der Saal tobt, aber Googoosh steht noch im seitlichen Bühneneingang. Die ganz in schwarz gekleidete Frau mit der blonden Langhaarperücke schüttelt den Kopf. Sie ist den Tränen nahe und fragt ratlos einen Begleiter: „Wie soll ich singen“? Kurz vor dem Konzert war der Tod Mahsa Aminis bekannt gegeben worden, der 22-jährigen kurdischen Iranerin, die von der Sittenpolizei wegen eines angeblich schlecht sitzenden Kopftuchs festgenommen und totgeprügelt worden war. Googoosh tritt trotzdem ans Mikrophon und erzählt, dass sie das Konzert eigentlich absagen wollte. Dann widmet sie sämtliche Lieder der getöteten Unschuldigen.

Mahsa und Googoosh, das sind zwei völlig verschiedene Generationen und zwei unterschiedliche Schicksale. Aber es eint sie die Verfolgung durch das totalitäre Mullah-Regime. Googoosh, Jahrgang 1950, erhielt nach der Revolution von 1979 Berufsverbot und später Hausarrest. Und das, obwohl sie schon seit den 1960er Jahren als erste iranische Popsängerin zur nationalen Ikone aufgestiegen war. Bereits als Kind stand sie auf der Bühne, denn ihr Vater war Artist und bezog die erst Dreijährige in seine Shows mit ein. Schnell lernte sie singen, wurde ein Kinderstar und später auch Schauspielerin. In den 1970ern traf die Mischung ihrer Lieder von persischer Dichtung mit modernen Jazz-, Rock- und Popelementen einen Nerv des Zeitgeistes. Selbst nach dem Berufsverbot verstummte ihre Stimme im Land nicht, die alten Platten und Kassetten wurden heimlich weiter gehört. Im Jahr 2000 bot sich ihr die Chance, in den USA einen Film zu drehen und erstmals wieder vor Publikum zu singen. Sie nutzte die Gelegenheit und kehrte nicht wieder zurück. Heute lebt Googoosh, die mit bürgerlichem Namen Faegheh Atashin heißt, in Los Angeles.

Auch Regisseurin Niloufar Taghizadeh (Jahrgang 1979) ist im Iran mit Googooshs Songs aufgewachsen. „Mit ihr konnten wir träumen und uns vorstellen, wie Freiheit sein könnte“, schreibt sie in ihrem Regiekommentar. Trotzdem ist ihr Film keineswegs eine bloße Heldinnenverehrung, sondern eher ein Konzentrat aus Gefühlen, die sie mit Googoosh und allen anderen Exil-Iranerinnen und – iranern teilt: Verlust, Wut, Sehnsucht, aber auch Kampfgeist und die Hoffnung, dass das mörderische Regime irgendwann einmal für alle die Verbrechen bezahlen muss, die es an freiheitsliebenden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen beging und weiter begeht.

Privates und Politisches

Für ihren Film konnte Niloufar Taghizadeh (Nilas Traum im Garten Eden, 2023) wie selbstverständlich zwei Erzählfäden miteinander verknüpfen: die private Geschichte Googooshs und das politische Schicksal des Irans. Denn die Sängerin, die zum Zeitpunkt der Revolution politisch noch völlig unbeleckt war, setzt sich seit ihrem Comeback im Exil leidenschaftlich für die vielen Freiheitsbewegungen ihrer Heimat ein, die immer wieder mit größter Brutalität niedergeschlagen werden. Dabei kommt es dem Film sehr zugute, dass Googooshs Leben nahezu lückenlos in Fotos, Videos und Filmen dokumentiert ist. Die Montage (Catharina Kleber) verbindet mit leichter Hand Gegenwart und Vergangenheit, Archivmaterial und selbst Gedrehtes. Sie legt einen chronologischen Faden, ohne sich bieder an Jahresdaten entlang zu hangeln.

Und sie räumt einem langen Gespräch mit der Sängerin in ihrem Haus in L.A. den ihm gebührenden Platz ein. Hier erzählt Googoosh in ihrer Muttersprache Farsi (deren Übersetzung ins Deutsche von Iris Berben eingesprochen wird) offen, selbstbewusst und manchmal den Tränen nahe, wie sie die abenteuerlichen Geschehnisse ihres Lebens in ihrem Herzen empfand. Sicherlich einer der Höhepunkte: Wie sie den ersten Auftritt nach 21 Jahren Gesangsverbot beschreibt, damals in Toronto vor mehr als 15.000 begeisterten Zuschauern. „Niemand hat so etwas je erlebt“, sagt sie im Film über ihre Emotionen. Sie findet keine Worte dafür und weiß nur, dass sie die ganze Zeit über zitterte. Das Video von damals zeigt sogar, wie sie das körperliche Symptom mit dem Publikum teilte. Es ist einer der vielen Gänsehautmomente des Films.

Credits

OT: „Googoosh – Made of Fire“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Niloufar Taghizadeh
Drehbuch: Niloufar Taghizadeh
Kamera: James Rodney Stolz, Steffen Bohnert

Bilder

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Googoosh – Made of Fire
fazit
„Googoosh – Made of Fire“ verbindet das Porträt der ersten iranischen Pop-Ikone mit dem Schrei nach Freiheit eines unterdrückten und ins Exil gedrängten Volkes. Regisseurin Niloufar Taghizadeh begegnet ihrem Idol aus Kinder- und Jugendtagen, ohne in Heldinnenverehrung zu verfallen. Dass der Film trotzdem ein Herzensprojekt ist, spürt man in jeder Sekunde.
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