Als Bärbel (Annette Frier) nach einem passenden Geburtstagsgeschenk für ihren Mann Lutz (Henning Baum) sucht, fällt die Wahl aufgrund akuter Ideenlosigkeit auf ein Hemd. Zu ihrer Überraschung findet sie in diesem eine Nachricht, die ein Mann in Bangladesch geschrieben hat und in der er um Hilfe für sich und seine Familie bittet. Unschlüssig, was sie damit anfangen soll, wendet sie sich an eine Hilfsorganisation und lernt dabei Noah (Matti Schmidt-Schaller) kennen, der ihr unterstützend zur Seite steht. Dabei steigert sie sich immer mehr in ihre Rettungsaktion hinein und verliert dabei ihre Familie aus dem Blick, obwohl auch ihre Kinder Ben (Nico Liersch), Leonie (Greta Geyer) und Johnny (Charlie Schrein) ihre Probleme und Sorgen haben. Und dann wäre da noch Bärbels Mutter Lis (Jutta Speidel), die sich gern mal einmischt …
Die unbeholfene Helferin
Die Sommerpause war lang, mehrere Monate war im öffentlich-rechtlichen Fernsehen keine neue Eigenproduktion mehr zu sehen. Nachdem bereits diverse Krimireihen sich zum Herbstanfang zurückgemeldet haben, zieht nun auch die sonntägliche ZDF-Programmschiene Herzkino nach. Anders, als man vielleicht hätte erwarten können, macht aber keine der alteingesessenen Serien den Anfang. Stattdessen wird ein Einzelfilm ausgestrahlt. Die sind eher selten auf diesem Sendeplatz. Dieses Jahr gab es mit Dein perfektes Jahr bislang nur ein Beispiel dafür. Die Bestselleradaption erzählte von drei Menschen, die durch einen selbstgebastelten Kalender zurück ins Leben finden. Mit So weit kommt’s noch kommt nun ein zweiter Solotitel. Eine bekannte Vorlage gibt es diesmal nicht, dafür aber diverse bekannte Gesichter.
Im Mittelpunk steht dabei Annette Frier, die gerade erst in Merz gegen Merz: Geheimnisse zu sehen war und dem Herzkino-Publikum durch ihre langjährige Reihe Ella Schön bekannt ist. Sie spielt in der Komödie eine Mutter, deren Leben in sehr geregelten Bahnen verläuft, wie mit einem Tempomat, wie sie an einer Stelle sagt. Bis eben ein unerwarteter Hilferuf bei ihr ankommt und damit alles durcheinanderbringt. Plötzlich ist sie mit dem Elend der Welt konfrontiert und weiß nicht so recht, was sie damit anfangen soll. Im Unterschied zu vielen anderen deutschen Fernsehfilmen, in denen überzeugte und oft belehrende Figuren die Welt retten wollen, beschreibt So weit kommt’s noch jemanden, der mit der Situation völlig überfordert ist und die sich dadurch zum ersten Mal bewusst wird, wie privilegiert sie bislang war. Ob sie nun aus Schuldgefühl oder Altruismus handelt, wird dabei nicht klar. Das weiß sie selbst nicht so genau. Sie weiß nur, dass sie diesen Drang verspürt, tätig zu werden.
Ernstes Thema, komisch verpackt
Manche werden dabei vielleicht an Die Kunst der Nächstenliebe denken. Auch dort wollte eine Frau die Welt verbessern und richtete damit jede Menge Chaos an. In beiden Fällen wird hinterfragt, warum man sich für andere einsetzt und ob das überhaupt empfehlenswert ist. Da wird dann nicht ausschließlich belehrt, was es für das Publikum leichter macht, sich in die Figuren hineinzuversetzen. Wobei So weit kommt’s noch auch kein reiner Themenfilm ist, sondern die Zuschauer und Zuschauerinnen erheitern will. Ernstes mit Komischem verbinden, lautet das Ziel. Das klappt manchmal, aber nicht immer. Einige Stellen arbeiten schon mit einem sehr platten Humor. Außerdem ist das mit den Figuren so eine Sache: Die meisten werden auf eine Eigenschaft reduziert, man hat nicht unbedingt das Gefühl, es mit realen Menschen zu tun zu haben.
Dafür dürfen sie alle irgendwelche Macken haben. Regisseur und Drehbuchautor Rupert Henning (Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein) scheut dabei auch nicht davor zurück, dass sie dadurch nervig sind. Da sind immer mal wieder Szenen dabei, die eher zum Ausschalten motivieren. Wer hier eine höhere Toleranzgrenze hat, kann es einmal mit dem Film versuchen. Die Komödie, die auf dem Festival des deutschen Films 2024 Premiere hatte, ist ein netter Zeitvertreib mit kleineren Denkanstößen für das Publikum. Wahnsinnig viel Tiefgang hat das Ergebnis nicht, zudem ist da der TV-Zwang zur Versöhnlichkeit. Innerhalb des Herzkinos gehört So weit kommt’s noch aber sicher zu den besseren Titeln, allein schon weil Frier zuverlässig wie immer eine Frau in der Sinnkrise spielt.
OT: „So weit kommt’s noch“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Rupert Henning
Drehbuch: Rupert Henning
Musik: Elisabeth Kaplan, Florian Hirschmann
Kamera: Josef Mittendorfer
Besetzung: Annette Frier, Henning Baum, Jutta Speidel, Matti Schmidt-Schaller, Nico Liersch, Greta Geyer, Charlie Schrein, Eva Verena Müller, Nicole Johannhanwahr, Heiner Hardt
Die sonntags auf dem ZDF ausgestrahlte Reihe Herzkino gehört zu den Dauerbrennern des Senders. Seit 1987 laufen, damals noch unter dem Titel Der große ZDF Sonntagsfilm, deutsche Dramen, die sich meistens mit Familien- und Liebesgeschichten befassen. Mehrere Hundert Titel wurden so im Laufe der letzten Jahrzehnte produziert. Unten findet ihr alle unsere bisherigen Rezensionen zu diesem Thema auf einen Blick.
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