Barcelona, 1991. Als Juanjo in der Schule sitzenbleibt, platziert ihn sein Lehrer ihn in die letzte Reihe neben Miquel. Der ist davon gar nicht begeistert, will mit dem Neuen eigentlich nichts zu tun haben. Letzten Endes bleibt ihm aber gar nichts anderes übrig, zumal sie zusammen auch Projektarbeit machen müssen. Dabei kommen sie irgendwann auch auf das Thema Musik zu sprechen. Eigentlich sind die zwei da so unterschiedlich, wie sie es auch sonst bei allem sind, eine Gemeinsamkeit ist da nicht zu entdecken. Während Juanjo begeistert Heavy Metal hört, hatte es Miquel bislang eher mit poppigen Sachen. Doch Letzterer findet gefallen an der Iron Maiden Schallplatte, die ihm Juanjo ausgeliehen hat. Tatsächlich bedeutet das für ihn das Tor zu einer neuen Welt, die er mehr und mehr zu lieben lernt, und der Anfang einer großen Freundschaft. Und die können beide Jungen derzeit gut gebrauchen …
Musik als Identifikation
Sag mir, was du hörst, und ich sag dir, wer du bist. Die meisten Menschen hören in ihrer Freizeit Musik. Natürlich gibt es dabei Unterschiede, nicht nur im Hinblick auf die gewählte Stilrichtung, sondern auch die Bedeutung. Während für die einen Musik nur eine Hintergrundbeschallung ist, identifizieren sich andere sehr mit dem, was sie sich anhören. Das wird auch immer wieder in Filmen aufgegriffen, wenn Musik zu einem festen Teil der Identität gehört. Da war beispielsweise das isländische Drama Metalhead um eine junge Außenseiterin, die Halt im Heavy Metal findet. Sehenswert ist auch der Animationsfilm (S)KiDS, der Anfang der 1990er spielt und eine Freundesgruppe in den Mittelpunkt rückt, die Punkrock hört und sich damit von anderen abhebt. Und das gilt ebenfalls für Tender Metalheads, das eine Art Mischung aus den beiden genannten Filmen darstellt.
So geht es hier um Freunde Anfang der 1990er, für die Heavy Metal zu einem Bindeglied wird. Die Musik wird aber auch zu einem Weg für die beiden, ihrem jeweiligen Alltag zu entkommen. Juanjo tut sich schwer damit, bei anderen Anschluss zu finden, ist oft zu schüchtern. Miquel ist der Coole von den beiden, was sich aber immer wieder als Fassade entpuppt. Vor allem seine familiäre Situation macht ihm zu schaffen und sorgt im Lauf von Tender Metalheads für einige bittere Momente. Hinzu kommt sein Stottern, was ihm schon mal Spott einbringt. Selbst wenn er das zunächst nicht eingestehen will, auch er ist einsam und kann deshalb einen Freund gut gebrauchen. Der Film zeigt die jeweiligen Situationen der beiden Protagonisten, gibt einiges aber erst mit der Zeit frei. Da ist etwa die Sache mit Miquels Vater, die erst spät konkreter wird.
Sympathisches Coming-of-Age-Drama
Der Animationsfilm kombiniert dabei schöne mit traurigen Momenten. Immer wieder sieht es so aus, als könnten die Jungs endlich vorankommen und Träume erfüllen, bevor sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Das betrifft mal die Familie, mal wird die Freundschaft selbst auf eine harte Probe gestellt. Und dann ist da noch die Liebe, wie in den meisten Coming-of-Age-Geschichten. Tender Metalheads bietet dabei dem Publikum viel Identifikationsfläche, in vielen Szenen kann man sich als Zuschauer und Zuschauerin selbst wiederfinden, losgelöst vom Setting und dem Musikgeschmack. Gleichzeitig funktioniert das hier aber auch sehr gut als eine Art Zeitporträt, wenn wir in die frühen 1990er zurückkehren. Das Regieduo Joan Tomas Monfort und Carlos Pérez-Reche erinnert etwa daran, wie es war, damals in Plattenläden herumzustöbern, bevor Spotify und Empfehlungsalgorithmen übernahmen. Wie einzelne Scheiben zu wahren Schätzen wurden, die nicht so ohne Weiteres ersetzt werden konnten.
Visuell wurde das recht schlicht umgesetzt. Der Animationsfilm, der 2023 in Annecy debütierte, verwendet Zeichnungen, die eher nach Kindergekritzel aussehen. Da wird dann schon mal auf Augen und Münder verzichtet, die Perspektiven sind schräg, es gibt nur wenige Farben. Und doch trägt das zu dem speziellen Charme des Werks bei. Tender Metalheads bedeutet eine Rückkehr zu vermeintlich einfacheren Tagen, deren Komplexität sich erst beim genaueren Hinsehen zeigt. Auch wenn der Film letztendlich nichts erzählt, was man nicht von anderen bereits kennt, ist das hier doch markant genug, um aus der Masse an Coming-of-Age-Produktionen hervorzustechen. Die Kombination aus Heavy Metal, dem Setting und der Optik sorgt dafür, dass das spanische Werk eine Menge Persönlichkeit hat und sehr sympathisch ist.
OT: „Heavies tendres“
Land: Spanien
Jahr: 2023
Regie: Joan Tomas Monfort, Carlos Pérez-Reche
Drehbuch: Yago Alonso, Natalia Durán, Enric Pardo, Mario Torrecillas
Annecy 2023
Sitges 2023
DOK Leipzig 2023
Fantoche 2024
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