Die junge Architekturstudentin Andrea (Ester Expósito) steckt mitten in den Vorbereitungen zu ihren Prüfungen, als sie erfährt, dass sie adoptiert wurde und ihre Mutter vor etwa einem Monat verstorben ist. Unglücklich und wütend auf ihre Adoptiveltern, stürzt sie in eine tiefe Krise, bei der sie sich mehr und mehr isoliert. Zusätzlich hat sie das Gefühl, verfolgt zu werden und hört immer wieder eine tiefes Schluchzen, wenn sie Musik hört oder telefoniert. Als ihr Verfolger beginnt, ihre Freunde zu bedrohen, beschließt Andrea, dem Ursprung der Bedrohung auf den Grund zu gehen.
Zwanzig Jahre vorher versucht die Filmstudentin Camila (Malena Villa) sich nach vielen von ihren Professoren kritisierten Versuchen, an einem neuen Kurzfilmprojekt. Dabei trifft sie durch Zufall auf die geheimnisvolle Marie (Mathilde Ollivier). Sie zu filmen wird zu einer Obsession für sie, doch eines Tages bemerkt sie, dass Marie von jemandem verfolgt wird, dessen Präsenz sie noch nicht einmal zu merken scheint. Camila will ihr helfen und bringt sich dabei selbst in Gefahr.
Der Tod, das Leben und das Leiden
Wenn man ihn nach den Inspirationen für seine Arbeiten fragt, antwortet Regisseur Pedro Martín-Calero, dass neben anderen Filmemachern wie Orson Welles vor allem klassische Künstler wie Jusepe de Ribera oder Francisco de Goya begeistern. Themen wie Tod, das Leben und das immerwährende Leid des Menschen sind es, die seine Geschichten, seine Figuren und seine Bilder bestimmen, wie der Spanier in Interviews erklärt. Von daher ist es sicherlich keine Überraschung, dass sich diese Themen in seinem Spielfilmdebüt The Wailing, das unter anderem auf dem diesjährigen SLASH Film Festival gezeigt wird, wiederfinden. Die Mischung aus Mystery und Horror wird im Programmtext mit David Robert Mitchells It Follows verglichen, doch abgesehen von der Idee eines unheimlichen Verfolgers gibt es nicht so viel, was die beiden Werke vereint.
Im Kern stehen bei The Wailing drei Frauenfiguren, deren Geschichten zwar in verschiedenen Zeitebenen spielen, die aber durch die geteilte Bedrohung miteinander vereint sind. Ester Expósito, Mathilde Ollivier (Operation: Overlord) und Malena Villa (Der schwarze Engel) spielen Charaktere, die sich an einem Scheidepunkt in ihrem Leben befinden und ihre Identität dabei sind neu zu definieren. Soziale und familiäre Strukturen, die einst noch Halt boten, sind von einem auf den anderen Moment aufgehoben, sodass sie angreifbar werden für eine fremde Bedrohung, die sich zu sich zieht. Ollivier und Villa stechen durch ihre schauspielerischen Leistungen besonders heraus, nicht zuletzt wegen des Kontrast zwischen ihren beiden Figuren, welcher bei manchen Szenen Erinnerungen weckt an Filme wie David Lynchs Blue Velvet.
Die Annäherung durch Bilder weckt den Wunsch, dem Gegenüber näher zu kommen, auch wenn man um die Gefahr weiß, die einen vielleicht bei diesem Schritt erwartet. Speziell die Veränderung, die diese Begegnung bei beiden auslöst, wird zu einem zentralen Element der Dramaturgie des Drehbuchs Pedro Martín-Caleros und Isabel Peñas. Etwas mehr hingegen hätte man bei der Geschichte rund um Expósitos Figur erwartet, die etwas zu kurz kommt und deren Erzählstrang bei weitem nicht so fesselnd ist wie der ihrer beiden Schauspielkolleginnen.
Vergessene Räume
Neben den Figuren legt Martin-Calero in The Wailing sehr viel Wert auf die Inszenierung von Räumen. Der urbane Raum scheint bekannt zu sein und man findet sich schnell in den Strukturen wieder, der Universität, der Vorstadt oder der Bibliothek. Wie in Mitchells Film entsteht durch das Auftreten des Verfolgers ein Moment der Entfremdung, der jeden dieser Räume zu einer potentiellen Bedrohung macht. Auch hier ist speziell der zweite Erzählstrang sehr gelungen, vor allem in visueller Hinsicht, wenn wir beispielsweise Camila bei ihren Beobachtungen begleiten, bei der sie das Leben jener Frau einfängt, die natürlich nicht ahnt, dass sie gefilmt wird. Indem die Gefahr vage gehalten wird und jede Facette des Geheimnisses nur noch mehr Fragen aufwirft, benötigt der Regisseur keinerlei Jump-Scares oder Effekte und verlässt sich ganz auf seine Schauspieler wie auch die Bilder, bis dann im letzten Drittel die Puzzleteile auf einmal alle vorhanden sind.
OT: „El Ilanto“
Land: Spanien, Argentinien, Frankreich
Jahr: 2024
Regie: Pedro Martín-Calero
Drehbuch: Pedro Martín-Calero, Isabel Peña
Musik: Olivier Arson
Kamera: Constanza Sandoval
Besetzung: Ester Expósito, Mathilde Ollivier, Àlex Monner, Tomás del Estal, Malena Villa, Sonia Almarcha
San Sebastian 2024
Sitges 2024
SLASH 2024
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