TWST – Things We Said Today
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TWST – Things We Said Today

TWST – Things We Said Today
„TWST – Things We Said Today“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Manche Momente unseres Lebens sind immer noch sehr präsent und wir können jederzeit zu ihnen zurückkehren, auch wenn sie schon längst der Vergangenheit angehören. Was lange nur ein Bereich war, der unserer Erinnerung möglich war, wurde durch Malerei, Fotografie und schließlich Filme zu einer Möglichkeit, Zeit festzuhalten, die vergangen ist. Der russische Filmemacher Andrei Tarkowski (Der Spiegel, Nostalghia) spricht daher vom Filmemachen als „die versiegelte Zeit“ und dem Regisseur als eine Art Bildhauer, der aus der Zeit eine Skulptur formt. Hinzu kommt die Setzung von Akzenten, wenn wir uns erinnern, oder vielmehr die Idee, das wir gewisse Ereignisse ausblenden, während andere, oberflächlich vielleicht banale, Momente als wichtig angesehen werden. In den Fotos von beispielsweise Vivian Maier finden wir hunderte solcher Augenblicke, die auf den ersten Blick alltäglich erscheinen, aber durch die Erinnerung der Fotografie eine höhere Bedeutung erhalten. Erinnerung und Zeit sind essentielle Bestandteile der Kunst und haben seit jeher Fotografen, Maler oder Regisseure wie den rumänischen Filmemacher Andrei Ujică beschäftigt.

Während er in seinem letzten Film sich mit der Diktator Nicolae Ceausescu befasste, ist seine neue Dokumentation  TWST – Things We Said Today eine Art Zeitkapsel, an der er über zehn Jahre arbeitete. Ausgehend von dem ersten Konzert der Beatles 1965 im New Yorker Shea Stadium entwirft Ujică das Porträt einer Zeit, die sich im Umbruch befindet, erzählt aus der Perspektive zweier Teenager. Wie schon in seinen vorherigen Dokumentationen nutzt Ujică vor allem Archivmaterial, welches er durch Voice-Over sowie Animationssegmente erweitert. Hierbei werden die beiden Teenager in die Bilder eingefügt, sodass eine Vermischung des kollektiven Narrativs des Jahres 1965 entsteht sowie der Biografie der beiden Figuren. TWST – Things We Said Today, der unter anderem auf den diesjährigen Filmfestspielen in Venedig gezeigt wird, ist eine Dokumentation über die politischen, kulturellen und sozialen Stimmungen des Jahres 1965 und zugleich eine Meditation über das Vergehen der Zeit und welche Spuren sie bei den Menschen hinterlässt.

Der Sound einer Zeit

Die beiden Hauptfiguren heißen Geoffrey O’Brien (gesprochen von Tommy McCabe) und Judith Kristen (gesprochen von Therese Azzara). Während der eine als Sohn eines populären Radio-DJs zu der Zeit ist, ist Kristen eine von vielen Beatles-Fans, die sich vor dem Hotel, in dem die Band  während ihres Aufenthalts in New York wohnt, versammelt haben. Kristen wird nicht nur das vorhin angesprochene Konzert im Shea Stadium besuchen, sondern noch viele weitere Auftritte der Fab Four. Augenscheinlich sind die Jugendlichen wie so viele, also junge Menschen, die in der Menge untergehen und sich auch weitestgehend unauffällig verhalten. Sie schwimmen im Strom mit, werden teils von ihm getragen und teils reißen sie aus, um vielleicht einen Tag am Strand zu verbringen oder die Stadt zu erkunden. Sie sind Bestandteil des „Sounds einer Zeit“, wie es an einer Stelle heißt, und stehen mitten im Zentrum eines Sturms, dessen Höhepunkt noch nicht erreicht zu sein scheint.

Mittels ihrer Eindrücke sowie der entsprechenden Archivaufnahmen sieht der Zuschauer nicht nur den Aufruhr rund um die Ankunft der bekannten Band, darüber hinaus machen wir Ausflüge in die Straßen Harlems und der Bronx, zu einer Radiostation oder nach Los Angeles, wo die Aufstände im Stadtbezirk Watts einen traurigen Höhepunkt erreicht hatten. Aus der Perspektive der beiden Figuren erhalten wir einen Einblick in die Konflikte der Zeit sowie den seltsamen Widerspruch zwischen der Hysterie um eine Band und der niederschmetternden sozialen Realitäten einer Metropole wie New York. Die Plötzlichkeit der Ereignisse ist überwältigend und sogar die Reporter der Radiostation scheinen überfordert von der Flut der Nachrichten. Das Persönliche vermischt sich mit dem Kollektiven in TWST – Things We Said Today und der Zuschauer kann sich dem Sog und der Narration nur schwer entziehen, sodass man die Dokumentation wie einer Trance erlebt. So muss es wohl auch den beiden Teenagern ergangen sein, die mitten im reißenden, aufregenden und teils auch tragischen Strom der Zeit versuchen, Akzente zu setzen und sich selbst zu finden.

Credits

OT: „TWST – Things We Said Today“
Land: Frankreich, Rumänien
Jahr: 2024
Regie: Andrei Ujică
Drehbuch: Andrei Ujică

Bilder

Trailer

Filmfeste

Venedig 2024

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TWST – Things We Said Today
fazit
„TWST – Things We Said Today“ ist eine Dokumentation oder vielmehr eine Zeitkapsel zu dem Jahr 1965, angefangen bei der Ankunft der Beatles in New York im August. Andrei Ujică fängt den Sound einer vergangenen Zeit ein, ihrer kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Spannungen und Veränderungen, was den Film zu einem faszinierenden Erlebnis macht.
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