In der nahen Zukunft wird der radioaktive Müll der Erde zu dem Jupitermond Kallisto gebracht und abgeworfen. Die Fahrt mit der Raumfähre dorthin dauert zwei Jahre und natürlich noch einmal zwei Jahre zurück. Nur wenige melden sich freiwillig für den zwar attraktiv beworbenen, aber insgesamt eher langweiligen und zermürbenden Job. Für Andriy (Volodmyr Kravchuk) jedoch ist es schon die dritte Fahrt und da er kaum ein erwähnenswertes Sozialleben auf der Erde hat, macht ihm die lange Reise nicht viel aus. Hin und wieder leistet er sich ein paar Wortgefechte mit dem Bordcomputer, der ihn mit einer Litanei leidlich komischer Witze aufheitern möchte, aber ansonsten verläuft jeder Tag auf der Raumfähre nach dem stets gleich Muster.
Eines Tages sieht er durch sein Fenster das grelle Licht einer Explosion und kann die Raumfähre gerade noch hinter dem Jupitermond manövrieren, um schlimmeren Schaden zu verhindern. Nachdem jegliche Kontaktaufnahme mit der Erde erfolglos bleibt, ist ihm klar, dass der Ernstfall eingetreten ist und er tatsächlich der einzige überlebende Mensch im Weltall ist. Doch auch dies stellt sich als Irrtum heraus, denn wenige Wochen später erreicht ihn der Funkspruch einer französischen Astronautin, die auf einer Expedition zum Saturn unterwegs war, als die Katastrophe geschah. Nun muss sich Andriy entscheiden, ob er seine sichere Lage und die knappen Ressourcen an Bord riskieren will, um ihr in ihrer Lage zu helfen.
Allein mit den Gedanken
U Are the Universe ist das Spielfilmdebüt des ukrainischen Regisseurs und Drehbuchautors Pavlo Ostrikov. Das Science-Fiction-Drama, das auf dem diesjährigen Toronto International Film Festival seine Weltpremiere feiert, steht in der Tradition von Meilensteinen des Genres wie Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum oder Duncan Jones’ Moon. Es geht um die großen Fragen, die das Genre schon immer geprägt haben, nämlich die nach der Rolle des Menschen im Kosmos und was es überhaupt heißt, menschlich zu sein und zu agieren. Wie schon die erwähnten Vorbilder gehen Ostrokov und sein Team mit minimalistischen erzählerischen Mitteln, dafür aber einem Fokus auf den Figuren, an diese Fragen heran, sodass U Are the Universe vor allem dann spannend ist, wenn es um die Entwicklung und die Konflikte der Hauptfigur steht.
Natürlich darf bei einem Science-Fiction-Film das Bild des Weltalls nicht fehlen. Das Wundersame, was dieses Bild jedoch noch beispielsweise bei Kubricks Film hatte, ist bei Ostrikovs Films schon lange nicht mehr da. Andriy, ein „Space Trucker“ wie er Buche steht, sieht wie ein Fernfahrer hinaus auf die Planetenkonstellationen und Sternbilder und kann diesen nichts abgewinnen, ebenso wenig den Räumen oder Vorzügen seines Raumschiffs, die in der Werbung (die man zu Beginn des Filmes sieht) noch so attraktiv ausgesehen hatten. Alles hat seine wundersame Aura verloren und Fragen nach dem tieferen Sinn des Ganzen sind ihm schon lange fremd geworden.
Die Katastrophe ist in mehrfacher Hinsicht ein Einschnitt für den Helden, und der Beginn einer Entwicklung vom Individualisten und Hedonisten hin zu einem Menschen, der sich immer mehr der Einsamkeit bewusst wird, wobei die Sicht in das unendliche Dunkel des Alls diese Lage stets bestätigt. Allein mit den Gedanken zu sein ist im Falle Andriys auch ein Blick in den Spiegel, was er bisher vermied, denn neben der Unendlichkeit des Alls schaut da jemand zurück, der einem fremd erscheint und vor dem man vielleicht sogar fliehen will. Volodmyr Kravchuk schafft es durch seine schauspielerische Leistung, den Film zu tragen, diese kantenreiche Figur dem Zuschauer nahe zu bringen und eine nachvollziehbare und irgendwie auch berührende Entwicklung zu zeigen.
Was am Ende bleibt
Das Ende der Menschheit zieht in U Are the Universe auch die Frage nach sich, was denn nun bleibt. Für den Helden wird die Frage immer wichtiger, hatte er sich doch bislang an den Rand der Gesellschaft zurückgezogen und sich durch seine langen Fahrten ins All von ihr zumindest temporär verabschiedet. Pavlo Ostrikovs Drehbuch verbindet bei der Beantwortung dieser Fragen zum einen viel Bekanntes, aber auch Neues, doch ebenso sehr viel Banales. Erst wenn der Held Kontakt mit einer weiteren Überlebenden herstellt, gewinnt der bis dahin etwas träge Film an Fahrt, jedoch scheint das Narrativ nun mehr einer existentialistischen Romanze zu weichen, deren Verlauf nicht unbedingt überrascht. Hinzu kommen noch ein paar Kommentare über die Abhängigkeit des Menschen von der Technik, die ihn umgibt, sowie der damit einhergehende Versuch einer Abnabelung. Am Schluss kommen dann noch ein paar bewegende Momente, ein letztes Bild, was zugleich schön wie auch fatal zu sein scheint.
OT: „U Are the Universe“
Land: Ukraine, Belgien
Jahr: 2024
Regie: Pavlo Ostrikov
Drehbuch: Pavlo Ostrikov
Kamera: Mykyta Kuzmenko
Besetzung: Volodmyr Kravchuk
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