Bird 2024
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Bird (2024)

Inhalt / Kritik

An Familie mangelt es Bailey (Nykiya Adams) eigentlich nicht gerade. Mehrere Halbgeschwister hat sie bereits, darunter Hunter (Jason Buda). Bald kommt noch eine Halbschwester hinzu, zumindest wenn es nach ihrem Vater Bug (Barry Keoghan) geht. Der kurz davor ist, seine neue Flamme zu heiraten – sehr zum Missfallen von Bailey. Aber auch mit dem gewalttätigen Partner ihrer Mutter kann sie nur wenig anfangen. Dafür freundet sie sich mit dem etwas seltsamen Bird (Franz Rogowski) an, der eines Tages in der Gegend auftaucht. Sein Vater soll dort irgendwo leben, davon ist er überzeugt, auch wenn er ihn nicht kennt. Bailey beschließt, dem Fremden bei seiner Suche zu helfen und damit für eine Weile ihrem trüben Leben zu entkommen …

Leben in schwierigen Verhältnissen

Man muss schon ein bisschen Geduld bei Andrea Arnold haben. Zwar legte sie bereits 1998 ihren ersten Kurzfilm vor. Die Zahl ihrer Langfilme ist aber bis heute sehr überschaubar, sie lassen sich nach wie vor an einer Hand ablesen. Dieses Mal hat es ganz besonders lang gedauert, bis sich die britische Filmemacherin mit einem neuen Werk zurückmeldete. Ganze acht Jahre dauerte es, bis sie sich nach American Honey mit einem aktuellen Film zurückmeldete. Entsprechend groß waren die Erwartungen an Bird, das 2024 im Wettbewerb von Cannes Premiere feierte, wie die meisten Werke der Regisseurin. Die Resonanz war prinzipiell gut, in der Summe waren die Kritiken wohlwollend. Es gab aber auch ein paar weniger euphorische Reaktionen, aus den unterschiedlichsten Gründen.

Ein Vorwurf an Arnold war, dass sie sich zu sehr an das Bewährte hält. Tatsächlich darf einem einiges bekannt vorkommen, wenn uns die Regisseurin und Drehbuchautorin eine Reihe von Menschen vorstellt, die in prekären Verhältnissen leben. Sie ist selbst in solchen aufgewachsen, mit mehreren Geschwistern, die ihre viel zu junge Mutter allein aufziehen musste. Wenn sie in Bird davon erzählt, wie ein Mädchen in ähnlichen Umständen sich durchschlägt, sich allein in einer perspektivlosen, brüchigen Umgebung behaupten muss, dann greift das mit Sicherheit auch autobiografische Erfahrungen auf. Arnold versteht es, diese so in Szene zu setzen, dass sie einem nahegehen, ohne dabei Mitleid erzwingen zu wollen. Das Drama um eine 12-Jährige auf der Suche verzichtet auf Manipulationen, beschränkt sich auf stille Beobachtungen von gleichermaßen hässlichen wie schönen Momenten.

Zwischen Realismus und Traum

Dieser impressionistisch-dokumentarische Ansatz wird aber mit poetischen Elementen verbunden, die sogar einem magischen Realismus Platz einräumen. Das ist dann auch der zweite Punkt, der hin und wieder bemängelt wurde. Anstatt sich auf den Alltag zu konzentrieren, hat Bird immer wieder etwas Märchenhaftes. Das gilt vor allem für den späteren Teil. Eigentlich ist aber bereits mit dem Auftauchen des Titelhelden das Tor zur Welt der Fantasie ein Stück weit geöffnet worden. Dessen Lebensgeschichte ist zwar durchaus in der Wirklichkeit verankert, ist ein Schicksal, wie es häufiger mal erzählt hat. Franz Rogowski (Passages) bringt aber durch sein unverwechselbares Spiel früh eine Entrücktheit in den Film. Man weiß hier nie so genau, ob das jetzt wirklich stattfindet oder doch nur Teil einer Traumwelt ist, mit dem das Mädchen aus der Realität ausbricht.

Aber auch der Rest des Ensembles überzeugt. Barry Keoghan, der zuvor unter anderem als Dorfidiot in The Banshees of Inisherin und verschlagener Parasit in Saltburn zu sehen war, demonstriert hier als manischer Vater erneut seine Wandelbarkeit. Nykiya Adams wiederum ist eine echte Entdeckung, wenn wir an ihrer Seite eine Welt zwischen Tristesse und Wunder erkunden. Das wird manchen vielleicht etwas zu schwammig sein. Aber wer sich darauf einlassen kann, findet bei Bird jede Menge, wofür sich ein Kinobesuch lohnt. Aufbruch und Abgrund liegen nahe beieinander, man darf hier wieder träumen und hinter den grauen Steinen des Alltags Herz und Hoffnung finden. Das mag dann vielleicht nicht ganz neu sein, die Drückerkolonne von American Honey war da schon das ungewöhnlichere Umfeld. Und doch ist es eine mehr als willkommene Rückkehr der Regisseurin.

Credits

OT: „Bird“
Land: UK, USA, Frankreich, Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Andrea Arnold
Drehbuch: Andrea Arnold
Kamera: Robbie Ryan
Besetzung: Nykiya Adams, Barry Keoghan, Franz Rogowski, Jason Buda

Bilder

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Bird (2024)
fazit
„Bird“ begleitet eine 12-Jährige, die sich durch ihren tristen Alltag träumt und dabei auf einen kuriosen Mann trifft, der seinen Vater sucht. Das neueste Werk von Andrea Arnold kombiniert dabei ein impressionistisch-dokumentarisches Sozialdrama mit einem magischen Realismus und lebt dabei auch von dem starken Ensemble.
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