In den USA mögen Blur nie so richtig Fuß gefasst haben. Doch wer in den 1990ern in Europa Musik hörte, dürfte früher oder später etwas von ihnen gehört haben. Vor allem in ihrer Heimat England waren sie früh große Stars, landeten regelmäßig in den Top 10. Neben Oasis, die oft als deren Feinde bezeichnet wurden, Pulp und Suede waren sie die Galionsfiguren des Britpop, der damals seine Hochphase hatte. Lieder wie Girls & Boys oder Country House waren Gute-Laune-Ohrwürmer aus einer unbeschwerteren Phase. Irgendwann ist aber alles mal vorbei, selbst erfolgreiche Bands lösen sich auf. Sie kommen aber eventuell auch wieder zusammen. So war es auch bei dem britischen Quartett, das sich 2023 mit dem neuen Album The Ballad of Darren zurückmeldete.
Nachdenklicher Neuanfang
Der Dokumentarfilm Blur: To The End setzt zu dieser Zeit an und begleitet die vier Jungs, die schon längst keine Jungs mehr sind, bei diesem späten Comeback. Ein Aufhänger des Films ist der geplante Auftritt im legendären Wembley-Stadion, der in dem parallel festgehaltenen Konzertfilm Blur: Live At Wembley Stadium sowie einem gleichnamigen Album festgehalten wurde. Das hier ist dann sozusagen das Prequel, liefert einen Blick hinter die Kulissen, während es um die Vorbereitungen geht. Da gibt es beispielsweise Szenen, in denen sie proben und aus dem Nähkästchen plaudern, was das für sie bedeutet. Sie freuen sich darauf, auf die Bühne zu steigen und vor einem großen Publikum aufzutreten. Am Ende werden es 150.000 Menschen sein, die ihre alten Helden anfeuern.
Der Film blickt dabei aber auch immer wieder zurück. Wenn die vier noch einmal zusammenkommen, um die teils dreißig Jahre alten Lieder anzustimmen, bleibt eine gewisse Nachdenklichkeit nicht aus. Blur: To The End nutzt den Anfang eines neuen Kapitels, um sich noch einmal an die vorangegangenen zu erinnern. Dabei wird oft auch die Vergangenheit mit der Gegenwart kontrastiert. An einer Stelle ist beispielsweise von Knieschmerzen die Rede, die drei der vier Mitglieder plagt. Klar, auch ein Berufsjugendlicher wie Damon Albarn geht inzwischen auf die sechzig zu. Solche kleinen Einblicke gibt es immer mal wieder, die dürfen dann auch nachdenklich sein, ein bisschen ernster. Nur weil Blur immer poppige Lieder gemacht haben, die schon mal als Anti-Grunge bezeichnet wurden, heißt das nicht, dass sie nur Flausen im Kopf haben.
Film für Fans
Vermutlich dürften sie damit auch einigen aus dem Publikum von der Seele sprechen. Schließlich werden viele Fans parallel zu den Bandmitgliedern gealtert sein. Und an diese richtet sich auch die Doku. Tatsächlich setzt Blur: To The End schon einiges an Vorwissen voraus. Zwar werden zwischendurch zahlreiche Informationen mit den Zuschauern und Zuschauerinnen geteilt. Wer gar nichts über die Gruppe weiß, bekommt also schon einen Einblick in den Verlauf der Karriere. Anders als aber Let the Canary Sing, bei dem Cyndi Lauper auf ihre Laufbahn zurückblickte und diese chronologisch nachzeichnete, interessiert man sich hier nicht wirklich dafür, das alles Revue passieren zu lassen. Wer damals dabei war, darf in Erinnerungen schwelgen, der Rest bleibt etwas außen vor. Als Einführung ist das denkbar ungeeignet.
Das heißt dann aber nicht, dass man hier nichts Interessantes erfährt. Gerade die persönliche Note wertet den Dokumentarfilm auf, wenn sich die vier von ihrer menschlichen Seite zeigen. Das hier sind keine Überflieger, selbst wenn sie in den europäischen Charts vorne mitmischten und dies bis heute tun. Da wird dann am Anfang beim Besuch im Landhaus über Hühner gesprochen, nicht unbedingt das große Glamour-Thema. Aber das macht Blur: To The End ganz sympathisch. Auch wenn der Film natürlich schon als Promomaterial gedacht ist, ist es näher an den Menschen dran, versucht erst gar nicht, mit Lobhudeleien und Superlativen das Publikum zu beeindrucken. Wer bis heute Blur treu geblieben ist, weiß auch so, was er an ihnen hat.
OT: „Blur: To The End“
Land: UK
Jahr: 2024
Regie: Toby L.
Musik: Michael Smith
Kamera: Sebastian Cort, Rhys Warren
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