Eigentlich könnte Yoshii (Masaki Suda) mit seiner Arbeit in der Fabrik zufrieden sein. Er ist gut darin. So gut, dass sein Chef Takimoto (Yoshiyoshi Arakawa) ihm sogar eine höhere Stelle anbietet. Doch davon will er nichts wissen. Warum sich damit die Hände schmutzig machen, wenn er mit dem Verkauf im Internet deutlich mehr Geld machen kann? Dass es dabei immer mal wieder Leute über den Tisch zieht, stört ihn nicht weiter. Und so beschließt er, mit seiner Freundin Akiko (Kotone Furukawa) in eine ländlichere Gegend zu ziehen, wo er genügend Platz hat für all diese Waren und er sich ganz auf den lukrativen Online-Handel konzentrieren kann. Doch so erfolgreich er damit ist, so sehr fängt er an, sich damit andere zum Feind zu machen. Und irgendwie hat er auch das Gefühl, dass er von jemandem verfolgt wird …
Ein Film voller Fragen
Eine Zeit lang sah es so aus, als habe sich Kiyoshi Kurosawa zur Ruhe gesetzt. Der japanische Regisseur, der sich mit Filmen wie Cure (1997), Pulse (2001) und Creepy (2016) einen Namen als Meister des Spannungskinos gemacht hatte, verschwand nach dem Spionagedrama Wife of a Spy (2020) völlig von der Bildfläche. Mehre Jahre hörte und sah man nichts mehr von ihm. Umso beeindruckender ist, dass er 2024 gleich mehrere neue Titel in kurzem Abstand herausbrachte. Da war der Horrorfilm Chime, dazu der Thriller Serpent’s Path – ein französischsprachiges Remake seines gleichnamigen Films von 1998 – und eben Cloud. Mit diesem legt der Filmemacher wieder einen Thriller vor, knüpft also an frühere Werke an. Und doch dürfte es nicht wenige im Publikum geben, die von dem Ergebnis überrascht sind.
Das liegt auch daran, dass man hier lange Zeit nicht ganz sicher ist, worauf Kurosawa nun eigentlich hinaus will. So folgen wir dem Protagonisten, der seine Leidenschaft für den Online-Handel entdeckt, aber auch das dazugehörige Talent. Er weiß bald, wo und wie er billig einkauft, um anschließend für teuer Geld weiterzuverkaufen. Dabei ist zunächst nicht klar, ob er einfach schlau ist oder rücksichtslos, Cloud verrät das nicht. Vermutlich beides. Auch lässt es der Regisseur offen, ob das nun Betrug ist oder nicht. Das macht es für das Publikum schwieriger, selbst irgendwie Stellung zu beziehen und Yoshii einzuschätzen. Hinzu kommt, dass Hauptdarsteller Masaki Suda (Cube) recht teilnahmslos bleibt, man kaum in seine Figur hineinschauen kann. Soll man so jemanden anfeuern? Oder doch eher verabscheuen?
Spaßige Eskalation
Und das ist nur eine von mehreren Fragen, die in den Köpfen des Publikums herumspuken. So streut Kurosawa immer wieder Hinweise, dass da etwas Böses im Anmarsch ist und die Hauptfigur von jemandem verfolgt würde. Der Regisseur weiß an den Stellen genau, wie er das zu inszenieren hat, damit eine unheilvolle bis mysteriöse Atmosphäre entsteht. Bei dieser bleibt es über weite Strecken aber auch. Cloud ist zumindest in der ersten Hälfte ein recht ruhiges Werk, das ebenso gut als Gesellschaftsporträt durchgehen würde. Da geht es um den Wunsch nach dem schnellen Geld. Die Anonymität des Internets wird thematisiert, wenn die Menschen nur noch Usernamen und Zahlen sind. Aber auch die Konsumsucht wird streckenweise kritisiert, wenn Yoshii die seltsamsten Dinge abgekauft werden und man sich fragen darf, wer denn dafür Geld ausgeben würde.
Und während man diese Fragen noch zu beantworten versucht, kommt Kurosawa und zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Die Tonalität schwankt, es wird auf einmal deutlich actionreicher und komplett absurd. Die Zuschauer und Zuschauerinnen dürfen sich fragen, ob das jetzt gerade eine Einbildung ist oder vielleicht ein ganz anderer Film, der versehentlich reingeschnitten wurde. Ob einem dieser krasse Wandel gefällt oder nicht, ist sicherlich Geschmackssache. Spaß macht der Thriller, der beim Filmfest in Venedig 2024 Weltpremiere hatte und Japans Beitrag für die Oscar-Nominierungen ist, aber auf jeden Fall, wenn sich die Ereignisse überschlagen und sich die Geschichte auf eine Weise verselbständigt, bei der man nicht weiß, ob man jetzt mitfiebern oder lachen soll.
OT: „Cloud“
Land: Japan
Jahr: 2024
Regie: Kiyoshi Kurosawa
Drehbuch: Kiyoshi Kurosawa
Musik: Takuma Watanabe
Kamera: Yasuyuki Sasaki
Besetzung: Masaki Suda, Kotone Furukawa, Daiken Okudaira, Amane Okayama, Yoshiyoshi Arakaw
Venedig 2024
Toronto International Film Festival 2024
Filmfest Hamburg 2024
Sitges 2024
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