Cranko
© Philip Sichler / Zeitsprung Pictures / SWR / Port au Prince Pictures

Cranko

„Cranko“ // Deutschland-Start: 3. Oktober 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Als John Cranko (Sam Riley) 1960 nach Stuttgart geht, um den gesellschaftlichen Normen Londons zu entkommen, sollte er eigentlich nur als Gast das dortige Ballett choreografieren. Doch schnell macht sich der Brite dort einen Namen. Er steigt bis zum Ballettdirektor auf. Dabei scheut er keine Auseinandersetzungen. So setzt er sich vehement dafür ein, die brasilianische Tänzerin Marcia Haydée (Elisa Badenes) zur Primaballerina zu machen, obwohl diese nicht den gängigen Schönheitsidealen entspricht. Kompromisse kommen für ihn nicht in Frage. Auch privat kennt Cranko kein Halten, er setzt seinen ausschweifenden Lebensstil fort, der ihm in der Heimat eine Menge Ärger einbrachte. Doch dieser Genuss geht auch immer wieder mit Enttäuschungen und viel Drama einher …

Auf den Spuren eines einflussreichen Choreografen

Mit der Arbeit an historischen Persönlichkeiten kennt sich Joachim A. Lang natürlich aus. So beschäftigte sich der deutsche Regisseur und Autor lange mit Bertold Brecht, drehte etwa den Film Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm, der gleichzeitig eine Adaption des Theaterstücks wie ein Film über Brecht selbst war. Zuletzt setzte er sich in Führer und Verführer mit den Tricks und Kniffen des Propagandaministers Joseph Goebbels auseinander und wie er Geschichten inszenieren konnte. Nun meldet er sich erneut mit einem Werk zurück, das einen außergewöhnlichen Mann unter die Lupe nimmt. Bei Cranko ist es eben der britische Choreograf John Cranko, der weltweit mit seinen Ballettaufführungen für Begeisterung sorgte und die Szene maßgeblich beeinflusste. Bis heute ist dieser Einfluss zu spüren und zu sehen.

Dennoch handelt es sich bei dem Drama nicht um eine dieser Heldenverehrungen, wie man sie im Bereich des Biopics oft antrifft. So ist Lang, der auch das Drehbuch geschrieben hat, gerade auch an den dunklen Seiten des Choreografen interessiert, der mit gerade einmal 45 Jahren früh verstarb. Tatsächlich rückt das künstlerische Schaffen mitunter in den Hintergrund, wenn es um die vielen schlechten oder traurigen Erfahrungen geht, die Cranko in seinem Leben gemacht hat. Manches wird davon nur kurz abgehandelt, etwa die Kindheit oder die Diskriminierung in England, die er wegen seiner Homosexualität erfahren hat. Anderes wird ausführlicher angesprochen. Dazu zählen die diversen unglücklichen Beziehungen. Inwieweit diese Aspekte mit seiner Arbeit zusammenhängen und diese beeinflusst haben, wird zwar nicht klar. Aber sie sollen wohl unterstreichen, wie stark er von Gefühlen geleitet war und dass er als Künstler wie als Mensch keine Grenzen kannte.

Prätentiös mit Hang zum Pathos

Das ist dann schon plausibel. Weniger überzeugend ist, wie Lang anderweitig eine Verbindung aus Kunst und Leben suchte. Immer wieder kommt es vor, dass sich etwas vor dem inneren Auge des Choreografen abspielt – teils wortwörtlich. Dass Leute wie in einem Musical einfach zu tanzen anfangen. Das ist zwar ein origineller Einfall und hilft sicherlich dabei, Cranko von den vielen anderen biografischen Porträts aus dem künstlerischen Bereich abzuheben. Aber es ist schon arg prätentiös, der Versuch des Kunstvollen führt eher zu einer Distanz, als dass einem das den Menschen näherbringen würde. An manchen Stellen neigt der Film auch zum Pathos, da ist dann immer gleich alles ein paar Nummern größer angelegt.

Wer dieses Ausschweifende mag, findet hier einen nicht uninteressanten Einblick in das Leben des Choreografen. Sehenswert sind zudem die zahlreichen Tanzeinlagen. Lang arbeitete bei seinem Film mit dem tatsächlichen Ensemble aus Stuttgart zusammen, was die entsprechenden Szenen natürlich aufwertet, gerade auch im Vergleich zu Tanzfilmen, in denen reguläre Schauspieler und Schauspielerinnen auftreten. Wer das zu schätzen weiß, dürfte Cranko daher einiges abgewinnen können. Für ein ballettaffines Publikum ist das sowieso Pflichtprogramm. Als Drama ist das jedoch weniger spannend, da wir zwar viel Zeit mit der Figur verbringen und ständig Emotionen formuliert und gezeigt werden, einen das Ergebnis dennoch aufgrund der besagten Künstlichkeit nicht unbedingt berührt.

Credits

OT: „Cranko“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Joachim Lang
Drehbuch: Joachim Lang
Musik: Jens Quandt
Kamera: Philip Sichler
Besetzung: Sam Riley, Max Schimmelpfennig, Lucas Gregorowicz, Hanns Zischler, Friedemann Vogel, Elisa Badenes, Jason Reilly

Bilder

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Cranko
fazit
„Cranko“ erinnert an den einflussreichen Ballettchoreografen John Cranko, der von Stuttgart aus die Welt eroberte. Der Film ist nicht uninteressant, hat zudem tolle Tanzszenen zu bieten. Das Drama ist allerdings schon arg prätentiös mit Hang zum Pathos, weshalb einen das emotional nicht unbedingt nahegeht, obwohl ständig von Gefühlen die Rede ist.
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