Das Schweigen brechen: Der Fall Maria Soledad

True Crime und kein Ende. Dass Netflix viel Geld damit verdient, alte Verbrechen zu thematisieren, ist kein Geheimnis. Der Streamingdienst veröffentlicht regelmäßig neue Filme und Serien, oft sogar im wöchentlichen Abstand. Das aktuelle Angebot ist aber sogar für den notorischen Anbieter ziemlich viel. Da war Die Brüder Menendez, das die Geschichte um die beiden jungen Männer, die ihre Eltern erschossen, noch einmal aus ihrer Perspektive schilderte. Dann ist da der Spielfilm An ihrer Stelle, bei dem der reale Mord eines Geliebten durch eine Autorin zu einem Anlass wird, über das eigene Leben nachzudenken. Auch die fünfte Staffel von Unsolved Mysteries griff einen Mordfall auf. Und wem das noch nicht reicht, für den wurde Das Schweigen brechen: Der Fall Maria Soledad ins Programm aufgenommen, der vierte Titel innerhalb einer Woche.

Recht eine Frage der Macht

Die Geschichte ist dabei jedoch weniger rätselhaft, als es bei einigen der obigen Beispiele der Fall ist. Man erfährt früh, dass die 17-jährige Maria Soledad vergewaltigt und getötet wurde. Auch die Suche nach dem Täter ist vergleichsweise früh abgeschlossen. So stellt sich heraus, dass ein paar junge Männer dahinterstecken müssen. Das Problem ist jedoch, dass es nicht ausreicht zu wissen, wer ein Verbrechen begangen hat. Es muss auch bewiesen werden. Das Schweigen brechen: Der Fall Maria Soledad beschreibt, wie eben das zu Schwierigkeiten führte, da die Beweisführung überwiegend auf Aussagen von Zeugen und Zeuginnen basierte. Und die lassen sich beeinflussen, vor allem wenn die Väter der Verdächtigen über viel Geld und Macht verfügen und beides einzusetzen wissen.

Das Schweigen brechen: Der Fall Maria Soledad ist daher keine True-Crime-Doku, bei der es um die Aufklärung eines Verbrechens geht. Das Publikum weiß zumindest im Groben, was geschehen ist. Stattdessen wird der Film zu dem Porträt einer Gesellschaft, in der das Recht eine Frage des Geldes ist. Ein bisschen erinnert das an Ein unsichtbares Opfer: Der Fall Eliza Samudio neulich, ein weiterer Dokumentarfilm von Netflix. In beiden Fällen wurde eine Frau von einem einflussreichen Mann verübt, der aufgrund seiner Stellung keine Auswirkungen befürchten muss. Dort war es ein brasilianischer Fußballer, der durch seine Tat eine Zweiklassengesellschaft enthüllt. Hier ist der Sohn eines argentinischen Politikers der Täter, was ebenfalls zu einem Ungleichgewicht führt.

Skandalöse Korruption

Wobei sich die beiden Fälle trotz der offensichtlichen Gemeinsamkeiten in mehrfacher Hinsicht unterscheiden. So war es bei dem obigen Beispiel geradezu verstörend, dass Teile der Gesellschaft sich nicht für das Verbrechen interessieren, weil der Täter ein Idol ist. Soll heißen: Manches ist erlaubt, solange es nur der „richtige“ tut. Bei Das Schweigen brechen: Der Fall Maria Soledad geht es vielmehr um Korruption, wenn der Politiker die Justiz kauft. Besonders schockierend ist, wie sich ein Richter über alles hinwegsetzte, um den Angeklagten zu schützen. Und wo Bestechung nicht funktioniert, wird eben gedroht. Man scheute auch nicht davor zurück, einer Nonne Gewalt anzudrohen, sollte sie ihre Aussage vor Gericht wiederholen.

Diese ist neben dem Umfeld der Toten dann auch diejenige, die trotz der Widerstände für Gerechtigkeit sorgte. Das Schweigen brechen: Der Fall Maria Soledad betont den Mut dieser Frauen, die sich nicht unterdrücken lassen wollten, macht damit einerseits Mut, sich für die Wahrheit einzusetzen, und ist zugleich ein schockierendes Beispiel für Missstände. Der Film ist daher für ein Publikum gemacht, das sich gern empört. Anlässe gibt es hier mehr als genug, in den rund anderthalb Stunden ist einiges dabei, worüber man sich aufregen kann. Natürlich hat sich einiges getan seither, der Fall liegt 30 Jahre zurück. Aber da ist eben auch Material, das aktuell genug ist, um auch heutige Zuschauer und Zuschauerinnen zu bedienen.