Der Schacht 2

Zamiatin (Hovik Keuchkerian) und Perempaun (Milena Smit) teilen sich Level 24 in dem Schacht. Das ist nicht schlecht, sie sind nahe genug an der Spitze, damit auf jeden Fall Essen bei ihnen ankommt, das einmal am Tag durch einen Aufzug in die Tiefe befördert wird. Jedoch herrschen inzwischen strenge Gesetze, auf die der Anführer Dagin Babi (Oscar Janeada) pocht. Denn nur wenn alle diese einhalten, können die Menschen überleben. Dummerweise finden sich aber immer wieder Leute, die nur an sich denken, mehr Essen an sich nehmen als ihnen zusteht. Während die Gesetzeshüter versuchen, die Regeln notfalls mit Gewalt durchzusetzen, wächst die Wut und der Frust bei den anderen …

Fortsetzung des Überraschungshits

Als im Zuge der Corona-Pandemie die Menschen zu Hause bleiben mussten, führte dies bekanntlich zu einem Boom der Streamingdienste. Da die Alternativen überschaubar waren, schauten viele daheim einfach Filme. Das kam nicht nur den Großproduktionen zugute, die ein dankbares Publikum fanden. Während dieser Phase wurden auch kleinere No-Name-Geschichten zu Erfolgen. Die beiden größten Überraschungshits waren seinerzeit sicherlich die Netflix Titel 365 Days und Der Schacht. Während der polnische Erotikthriller anschließend jedoch relativ schnell zwei Nachfolger erhielt, um von der Popularität profitieren zu können, blieb der spanische Genremix aus Horror, Thriller und Mystery lange ein Einzelfilm. Erst rund fünf Jahre nach der Premiere des ersten Teils kommt mit Der Schacht 2 die lang erwartete Fortsetzung.

Dass man nicht sofort versuchte, mit einem zweiten Film Kasse zu machen, ehrt die Verantwortlichen schon. Gleichzeitig dürften sich viele im Vorfeld gefragt haben, ob es überhaupt einen weiteren Teil brauchte. Schließlich ging es bei dem Film damals weniger um eine Geschichte, die man fortsetzen könnte. Vielmehr war Der Schacht eine Versuchsanordnung rund um die menschliche Natur, die zugleich als Kritik einer Gesellschaft diente, bei der zwischen arm und reich eine gewaltige Kluft herrscht und jeder nur an sich selbst denkt. Das war nicht subtil in seinen Aussagen, aber doch recht spannend und eben originell in der Ausführung. Bei einem zweiten Anlauf hat sich das mit der Originalität natürlich erledigt. Es braucht dann auch etwas anderes, etwas Neues, das man erzählen kann. Etwas, das Der Schacht 2 wirklich rechtfertigen würde, über das wirtschaftliche Interesse hinaus.

Stillstand im Schacht

Doch eben das fehlt, obwohl dieses Mal gleich vier Leute am Drehbuch arbeiteten. Die größte Neuerung ist sicherlich die, dass sich die Gesellschaft weiterentwickelt hat. Herrschte anfangs noch Anarchie, wenn jeder gegen jeden kämpfte, wird nun versucht, durch das Aufstellen allgemeingültiger Regeln das Leben besser zu machen. Gewissermaßen sehen wir also der Geburt eines Staates zu. Da die Reihe aber nun einmal düster und gewalttätig sein muss, klappt das mit den Regeln bei Der Schacht 2 erwartungsgemäß nicht. Sonst gäbe es nichts zu zeigen. Statt einer Gemeinschaft entsteht eine Form der Diktatur, die zudem eine religiöse Note hat. Die Folge: Man sieht wieder zu, wie sich anderthalb Stunden lang Menschen prügeln und beschimpfen, ein wirklicher Fortschritt ist nicht zu erkennen.

Auch daraus hätte man prinzipiell etwas machen können, etwa, indem man infrage stellt, ob es überhaupt eine Gesellschaftsform gibt, bei der sich alle auf Augenhöhe begegnen. Man macht aber nichts daraus, die Konflikte sind nicht mehr als eine Beschäftigungstherapie, während der Inhalt auf der Stelle tritt. Schon der erste Teil hatte seine Längen. Bei Der Schacht 2 ist das noch deutlich ausgeprägter, dann trotz der Gewalt hat man nicht das Gefühl, dass hier wirklich etwas geschieht. Gegen Ende hin wird dann zwar versucht, das Geschehen voranzutreiben und vielleicht auch ein bisschen mehr über den Schacht zu verraten, von dem nach wie vor nicht viel bekannt ist. Aber das ist zu wenig, um den Film empfehlen zu können, der deutlich schwächer und uninteressanter ist, als es der Überraschungshit seinerzeit war. Wie man fünf Jahre brauchen konnte, um einen derart uninspirierten Nachfolger auf die Beine zu stellen, ist ein größeres Rätsel als die, die der Schacht bereithält.