Der Buchspazierer
Edin Hasanovic in „Der Buchspazierer“ (© Studiocanal/Bernd Spauke/Wolfgang Ennenbach)

Edin Hasanovic [Interview]

Im Film Der Buchspazierer (Kinostart: 10. Oktober 2024) spielt Edin Hasanovic einen wohlhabenden Mann, den der Hauptcharakter des Films, Carl Kollhoff (Christoph Maria Herbst), als Mister Darcy bezeichnet. Carl ist Buchhändler und beliefert seine Stammkunden Tag für Tag mit Büchern. Doch eines Tages steht nicht nur Carl vor Mister Darcys Tür, sondern mit ihm auch ein kleines aufgewecktes Mädchen, das nicht nur Darcys Leben vollkommen verändern wird.

Wir sprachen mit dem Darsteller im Rahmen des Filmfest Hamburg über seine neue Rolle in der herzerwärmenden Filmadaption von Regisseur Ngo The Chau, das Lesen und seinen ganz persönlichen Oldtimer.

In Der Buchspazierer spielst du einen reichen Mann, der von Carl als „Mister Darcy“ bezeichnet wird. Wie hast du dich auf diese Rolle vorbereitet?

Ich erinnere mich, dass ich Stolz und Vorurteil geguckt habe, weil ich diesen Film bis dato nicht gesehen hatte. Ich wollte wissen, wie dieser Mister Darcy so ist. Auf irgendeiner Ebene hat das Anklang bei mir, in meinem Körper gefunden. Ansonsten musste ich mir, ich sag mal „leider“ die Koteletten und die Haare wachsen lassen. Und den Bart abrasieren. Ich hab mich noch nie so unwohl und unattraktiv gefühlt. Ich war dann sehr froh, als alles vorbei war und ich mir alles wieder abrasieren beziehungsweise den Bart wachsen lassen konnte. Aber ich habe mir zwischendurch immer gesagt: Du weißt wofür. Es wird ein toller Film!

Im Film gab es eine Szene, in der dein Filmcharakter davon spricht, dass die Menschen immer mehr vergessen zu lesen. Liest du selbst gerne?

Mir wurde als Kind viel vorgelesen, was ich echt schön fand. Es war immer dieselbe Geschichte und dasselbe Buch, aber für mich war es jedes Mal aufs Neue total faszinierend. Irgendwann wusste ich was passiert und trotzdem hab ich mich dann noch mehr darauf gefreut. Das war toll damals. Und inzwischen lese ich ja in meinem Beruf sehr viel. Es ist jetzt keine Weltliteratur, sondern es sind Drehbücher, erfundene Geschichten. Deswegen fällt es mir ein bisschen schwer, erfundene Geschichten, also Romane, Belletristik, Literatur auch im Privatleben zu lesen. Aber was ich wirklich gerne lese, sind Sachbücher. Ich habe irgendwann mal, als ich einen Hund haben wollte, ziemlich viel über Hunde gelesen. Und aktuell lese ich viel über Achtsamkeit, Selbstoptimierung und Inneres Kind.

Welches Buch liest du denn gerade?

Gerade lese ich Auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Das ist auch kein Roman, liest sich aber wie einer. Da ist die Autorin nämlich bei einem indigenen Volk in Venezuela und stellt dort fest, dass das Volk so glücklich ist, weil sie ihren Kindern so viel Urvertrauen schenken. Das finde ich super spannend!

Die besagte Filmszene von Mister Darcy hatte etwas sehr Tiefgründiges. Besonders der Part mit dem Oldtimer. Er sagt, ich zitiere: „Ein Oldtimer ist etwas, das sich in der falschen Zeit befindet, aber wenn nichts mehr funktioniert, auf einen Oldtimer kann man sich immer verlassen.“ Was wäre dein persönlicher Oldtimer, auf den zugreifst, wenn etwas nicht mehr funktioniert?

Reflexartig kam mir Mama in den Sinn. Das wäre es bei mir. Weil, das ist eine Konstante, etwas Bedingungsloses. Sie ist einfach immer da und wird hoffentlich lange und für immer da sein. Dieses Gefühl bei Mama zu sein, bekocht zu werden. Man kann sich einfach sehr sehr glücklich schätzen, wenn man seine Mama noch hat.

Du hast in dem Film eine Nebenrolle, die aber sehr im Gedächtnis bleibt. Du hast witzige und sehr weise Momente. Welche ist deine persönliche Lieblingsszene als Mister Darcy?

Oh, da bin ich sehr gespannt! Ich gucke den Film nämlich heute zum ersten Mal mit Publikum. Meine Lieblingsszene ist aber die, wo Darcy den Mut fasst, das, was ihm Schascha beigebracht hat, umzusetzen. Nämlich die Leute zu sich einzuladen. Zu sagen: „Kommt doch herein.“ Wenn er sich überwinden muss, das fand ich irgendwie sehr süß beim Spielen, erinnere ich mich.

Bei dieser ersten Szene, wo Schascha zum ersten Mal sein Haus betritt, das hatte auch so etwas Verspieltes, weil die kleine Schascha ihn mit ihrer kindlichen Neugier erstmal ganz durcheinander gebracht hat. Wie war es denn so beim Drehen? Da hattet ihr bestimmt auch viel Spaß mit der Kleinen am Set…

Ja, auf jeden Fall! Zwar war es auch lustig, aber ich habe mich manchmal gefragt, wenn ich jetzt zu viel Spaß mache, verliert sie dann als Kind am Set komplett die Konzentration? Faszinierend war für mich, wie Christoph Maria Herbst und Yuna zusammen waren. Sie konnten so albern sein und auf Bitte waren sie dann beide anwesend. Es war schön, ihnen dabei zuzugucken. Aber Yuna ist wirklich ein Ausnahmetalent. Das war sehr spannend zu beobachten, wie sie Zusammenhänge herstellt und Sachen nicht nur spielt, wie man es ihr sagt, sondern man hatte wirklich das Gefühl, sie fühlt es, sie versteht es.

Der Buchspazierer ist ein sehr schöner Film, der mit viel Liebe, Humor, aber auch einer Prise Ernst erzählt wird, gerade wenn es um tiefgründige Themen geht, die einem sehr nah gehen… Was bedeutet dir dieser Film und vor allem ein Teil von diesem Film zu sein?

Ziemlich viel! Dadurch, dass ich Chau bisher nur als Kameramann erlebt und die Arbeit mit ihm geliebt habe. Chau ist jemand, der vor allem als Kameramann sehr wenig redet und es gab irgendwann mal vor Jahren eine Szene, die ich wohl in seinen Augen ganz gut gespielt habe. Da zeigte er mir ganz still nur einen „Daumen hoch“. Ich dachte: Oh! Das ist ein ziemlich großes Kompliment von ihm. Das war ganz toll.

Und als die Anfrage zu Der Buchspazierer kam, habe ich schon beim Lesen gespürt, dass das eine ganz besondere Welt sein wird. Auch ästhetisch ist es ja ziemlich märchenhaft. Nicht zu übertrieben, aber irgendwie leicht überdreht alles und das lässt den Zuschauer in eine völlig andere Welt abtauchen. Und dann jemanden zu spielen, der so sensibel, unsicher und inzwischen sehr vereinsamt ist, die fantastischen Kollegen, diese tolle Geschichte… Also es gab viele Aspekte, die gesagt haben, ich muss da mitmachen.

Warum sollte sich das Publikum Der Buchspazierer unbedingt angucken?

Weil der Film einen wirklich abtauchen lässt und einfach gute Unterhaltung bietet. Man vergisst für anderthalb Stunden jeden Stress um sich herum und taucht komplett in die Welt vom Buchspazierer und Schascha ein. Man lacht und ist emotional. Ich mag es eigentlich nicht, wenn man sagt: „Es ist ein Film für die ganze Familie“, aber das ist so ein Film, wo man mit der ganzen Familie reingehen kann, und danach beschwingt und glücklich wieder rausgeht. Und Menschen, die Literatur und Bücher lieben, die sollten sich den Film sowieso ansehen, weil er eine kleine Liebeserklärung an Bücher ist.

Ich bedanke mich für das schöne Interview!

Zur Person
Edin Hasanovic wurde am 2. April 1992 in Zvornik, Bosnien-Herzegowina, geboren und kam bereits im Säuglingsalter nach Deutschland. Edin Hasanovic hatte sich schon immer für die Schauspielerei interessiert. Es folgten mehrere Fernsehauftritte, bis er im Jahr 2011 sein Abitur abschloss. Edin ist seither sowohl als Schauspieler als auch Moderator tätig, unter anderem mit eigener Late Night Show Edins Neo Night bei ZDFneo . Im Jahr 2022 spielte er in dem Oscar prämierten Netflix-Kriegsdrama Im Westen nichts Neues mit. Zuletzt sah man ihn im Sommer 2024 in der Komödie Spieleabend. Sein neuester Kinofilm Der Buchspazierer ist ein weiteres gemeinsames Filmprojekt mit Kameramann und Regisseur Ngo The Chau. Im Jahr 2015 hatten die beiden für den Film Zum Sterben zu früh erstmals zusammengearbeitet. Ab 2025 ist Edin als neuer Frankfurter Tatort-Kommissar im TV zu sehen.



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