Ein unsichtbares Opfer: Der Fall Eliza Samudio

Über mangelnden Nachschub konnten sich Fans von True-Crime-Dokumentationen bei Netflix zuletzt nicht beklagen. Der Streamingdienst packte die unterschiedlichsten Verbrechen aus, um sie mit dem Publikum zu teilen. Da war beispielsweise der spektakuläre Fall von einer Gefängniswärterin, die mit einem Insassen geflohen ist, beschrieben in Jailbreak: Liebe auf der Flucht. Bei Into The Fire: Die verlorene Tochter folgen wir einer Frau, die ihre leibliche Tochter sucht, welche sie seinerzeit zur Adoption freigegeben hatte und die später spurlos verschwand. Ein weiterer Kriminalfall, der eine verschwundene Frau betrifft, wird in Ein unsichtbares Opfer: Der Fall Eliza Samudio behandelt. Dieses Mal reisen wir nach Brasilien und erfahren von einem Verbrechen, das dort in allen Medien behandelt wurde.

Das brutale Ende eines Traums

Bei der im Titel genannten Eliza Samudio handelte es sich um eine Frau, die seit ihrer Kindheit davon träumte, einmal ein erfolgreiches Model zu sein. Die Anfänge waren schwierig, sie verdiente zeitweise ihr Geld durch Pornos oder auch als Prostituierte. Das änderte sich, als sie 2008 oder 2009 Bruno Fernandes kennenlernte, der als Torhüter des Fußballclubs Flamengo tätig war. Die beiden trafen sich, hatten mehrfach Sex, obwohl Fernandes verheiratet war. Die Hoffnung von Samudio, er würde seine Frau für sie verlassen, bewahrheitete sich nie. Es ist die übliche Geschichte eines Mannes, der sich eine Geliebte hält für ein bisschen Spaß nebenher, ohne Verantwortung übernehmen zu wollen. Während viele Frauen in solchen Situationen „nur“ ausgenutzt werden, geht das in Ein unsichtbares Opfer: Der Fall Eliza Samudio deutlich weiter. Früh schon zeigte er einen Hang zur Gewalt.

Schockierend an der Geschichte ist dabei nicht nur das Ende, als Fernandes und sein Umfeld die Frau umbrachten, weil er sie und das Kind loswerden wollte, das Ergebnis ihrer Affäre. Es hatte sich vorher mehr oder weniger angekündigt: Mehrfach machte sie die gewalttätigen Erfahrungen öffentlich, ohne dass dies etwas gebracht hätte. Er war zu bekannt, zu beliebt – und damit vor Konsequenzen sicher. Und selbst später, als der Mord in einem spektakulären Prozess bekannt wurde, genoss er mehrfach Sonderbehandlungen. Ein unsichtbares Opfer: Der Fall Eliza Samudio ist damit mehr als eine bloße True-Crime-Doku, die ein vergangenes Verbrechen behandelt. Regisseurin Juliana Antunes geht es bei dem Film um ein größeres Thema, das viel mehr Menschen betrifft. Der Mord ist mehr Symptom von grundsätzlichen Problemen.

Empörend bis verstörend

Natürlich ist es immer fraglich, inwieweit ein Einzelfall wirklich repräsentativ ist. Zumal Dokumentarfilme, gerade auch im True-Crime-Bereich, nicht immer die bloße Information zum Ziel haben, sondern andere Absichten haben können. Hin und wieder kommt es sogar vor, dass sie selbst an der Wahrheit drehen und damit die Idee einer Doku ad absurdum führen. Und doch ist es sicherlich plausibel, wenn Ein unsichtbares Opfer: Der Fall Eliza Samudio die Geschichte des ermordeten Models nutzt, um grundsätzliche Fragen zum Justizsystem und Gerechtigkeit zu stellen. Wenn der Fußballer eine eindeutige Sonderbehandlung genießt, ist das empörend. Das mangelnde Schuldbewusstsein, wenn er den Mord als bloßen Fehler ansieht, ist sogar verstörend.

Ein unsichtbares Opfer: Der Fall Eliza Samudio ist deshalb weniger für ein Publikum gedacht, das einen besonders komplexen oder anderweitig interessanten Fall sehen möchte. Der ist hier sehr simpel, kann in einem Satz zusammengefasst werden. Der Dokumentarfilm packt einen vielmehr emotional, vergleichbar zu Der Fall Gabriel Fernandez vor einigen Jahren. Damals ging es um einen Jungen, der von der Mutter und ihrem Partner zu Tode gefoltert wurde. In beiden Fällen geht es nicht nur um die Tragödie an sich. Es schwingt auch immer der Vorwurf mit, dass die Tragödie hätte verhindert werden können, wenn andere besser aufgepasst hätten. Wobei es beim Fall des ermordeten brasilianischen Models auch die Gesellschaft als solche ist, die kritisiert wird, wenn Heldenverehrung und Frauenfeindlichkeit Hand in Hand gehen.