Hilde Coppi (Liv Lisa Fries) ist gerade daheim auf dem Grundstück, wo sie mit ihrem Mann Hans (Johannes Hegemann) wohnt, als im Sommer 1942 die Männer vorbeikommen, um sie zu verhaften. Das tun sie nicht ohne Grund, sind die beiden doch in einer Widerstandsgruppe tätig, in der sie mit einigen befreundeten Gleichgesinnten auf das Unrecht des Nationalsozialismus hinweisen. Das ist ein schweres Verbrechen, vor allem wenn damit dem Feind geholfen wird. Dabei war Hilde nie ein politischer Mensch. Erst durch Hans, den sie kennen und lieben gelernt hat und mit dem sie nun ein Kind erwartet, stieß sie zu der Gruppe hinzu – und besiegelte damit ihr Schicksal …
Ein Widerstandkampf ohne Erfolg
Eigentlich sollte man ja meinen, dass irgendwann alle relevanten Biografien rund um das Dritte Reich, den Zweiten Weltkrieg oder den Holocaust filmisch abgearbeitet sind, schließlich werden seit Jahrzehnten Filme zu dem Thema gedreht. Und doch finden sich noch immer Jahr für Jahr neue Beispiele, dass es sich lohnt, weiter zu suchen. Da war dieses Jahr Stella. Ein Leben. über eine Jüdin, die unter dem Druck des Regimes begann, andere jüdische Menschen zu verraten, um so verschont zu werden. Mit In Liebe, Eure Hilde kommt nun ein weiteres biografisches Drama heraus, das in diesem Umfeld spielt. Genauer lernen wir einige Leute kennen, die Teil der Widerstandsgruppe Rote Kapelle waren, ein loser Verbund, der mit kleineren Aktionen gegen den Nationalsozialismus und dessen Verbrechen auf sich aufmerksam machte.
Das ist grundsätzlich ein spannendes Thema, auch weil es bislang überwiegend dokumentarisch behandelt wurde, nicht in Form eines Spielfilms. Und doch sollte man nicht mit den falschen Erwartungen ins Kino gehen. So ist In Liebe, Eure Hilde weniger ein Film über die Aktivitäten dieser Gruppe. Ein paar Einblicke gibt es schon. Da geht es mal um Flugblätter, mal um das Abhören von Soldatennachrichten. Es sind keine großen Aktionen, mit denen sie maßgeblichen Einfluss ausüben. Aber das trägt zu der Tragik bei, wenn die Gruppe sich an gut gemeinten, eher dilettantischen Maßnahmen versucht, die dieses tragische Ende nach sich ziehen. Zahlreiche Menschen haben mit ihrem Leben bezahlt, dass sie das Unrecht nicht mittragen wollten, ohne dass ihnen dabei etwas Relevantes geglückt ist. An diesen Stellen werden schon Diskussionen angestoßen, was den Wert eines solches Kampfes angeht. Sollte man dennoch aufstehen und kämpfen, selbst wenn man dafür sein Leben gewissermaßen verschwendet?
Tragische Liebesgeschichte
Aber das sind Denkanstöße, die eher beiläufig geschehen. So wie vieles beiläufig geschieht. Der Film interessiert sich weniger für existenzielle Fragen, sucht nicht das große Ganze. Es ist das Kleine, was in den Mittelpunkt gerückt wird. Die einzelnen Menschen und ihre Geschichten. In Liebe, Eure Hilde mag von den Aktivitäten der Roten Kapelle erzählen. Er erzählt aber vor allem von einem jungen Paar, von ihrem gemeinsamen Leben. Da sind immer mal wieder Szenen dabei, die gar nichts mit dem Widerstand oder dem Dritten Reich zu tun haben, wenn wir die beiden oder auch das Umfeld in ausgelassenen, alltäglichen Situationen sehen. Regisseur Andreas Dresen (Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush) gelingt dies durch einen erzählerischen Kniff. Anstatt die Geschichte chronologisch zu verfolgen, baut er zwei Erzählrichtungen auf. Der eine Strang handelt von Hildes Zeit in dem Gefängnis, der andere wird rückwärts gezeigt, womit wir uns zu den Anfängen der Gruppe wie auch der Beziehung vorarbeiten.
Das Drama, welches auf der Berlinale 2024 Premiere feierte, ist damit deutlich näher an den Menschen dran, sucht die Geschichten hinter der Geschichte. Das funktioniert teilweise sehr gut, auch durch den harten Kontrast zwischen dem Gefängnis und den freiheitsliebenden Szenen in der idyllischen Natur. An manchen Stellen ist der Versuch, den Figuren mehr Menschlichkeit zu verleihen, aber etwas holprig geworden. Gerade die Leute im Gefängnis haben etwas Plakatives an sich. Umgekehrt kratzen einige Aufnahmen aus dem Alltag an der Grenze zur Banalität. Insgesamt ist In Liebe, Eure Hilde aber ein durchaus sehenswerter Beitrag geworden, der sicher aktuelle Anknüpfungspunkte hat und auf seine Weise einer der tragischsten Liebesfilme des Jahres ist.
OT: „In Liebe, Eure Hilde“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Andreas Dresen
Drehbuch: Laila Stieler
Kamera: Judith Kaufmann
Besetzung: Liv Lisa Fries, Johannes Hegemann, Lisa Wagner, Alexander Scheer, Emma Bading, Sina Martens, Lisa Hrdina, Lena Urzendowsky, Nico Ehrenteit, Fritzi Haberlandt
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