Ben (Damian Hardung) lässt sich auf Drängen seines Bruders Theo (Rick Okon) auf einen Schaukampf gegen die Kirmesboxerin Zelda (Havana Joy Josephine Braun) ein. Diese vermöbelt ihn mit Leichtigkeit, woraufhin sich die beiden ineinander verlieben. Es gibt nur ein kleines Problem: Ben ist wie alle in seiner Familie ein Vampir – und Zeldas Familie besteht, auch wenn sie das selbst noch gar nicht weiß, aus Vampirjägern …
Die Vampire sind zurück
Es mag heutzutage kaum zu glauben sein, aber Deutschland war filmisch einmal ein Vorreiter. Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahre 1922 ist ein Meilenstein des expressionistischen Stummfilms und der erste Vampirfilm überhaupt, zumindest wenn wir den Begriff „Vampir“ nach unserem heutigen Verständnis der mythologischen Nachtgestalt auslegen. Der Film beeinflusste das Horror-Genre nachhaltig durch seine markanten Licht- und Schattenkontraste, welche die Atmosphäre der Bedrohung verstärkten. Murnaus visuelle Stilmittel, wie die ungewöhnlichen Kamerawinkel und die gezielte Inszenierung von Architektur und Landschaften, schufen eine Bildsprache, welche den Horrorfilm prägte. Die Figur des Grafen Orlok, mit Max Schrecks beeindruckender Performance, prägte zudem das visuelle Erscheinungsbild des Vampirs im Film bis heute und inspirierte spätere Werke wie Dracula (1931), Brennen muss Salem (1979) oder Shadow of the Vampire (2000). Der Einfluss von Nosferatu zeigt sich nicht nur in Horrorfilmen, sondern auch in Werken anderer Genres, in denen Regisseure die kunstvollen Elemente und stilistischen Mittel nutzen, um bedrohliche oder surrealistische Szenen zu kreieren.
Wie auch immer, diese Zeiten sind lange vorbei. Heute haben wir Love Sucks, eine Vampirserie, bei der man sich dafür feiert, Romeo und Julia mit Vampiren produziert zu haben. Während hier niemand ein Problem damit zu haben scheint, acht neue Krimi- und fünf neue Krankenhausserien pro Tag ins Programm aufzunehmen, zeigt man sich bei Vampirserien zurückhaltend. Wer innovative Ideen und kreative Konzepte dafür bei den entsprechenden Stellen vorlegt, muss sich etwas von einer Vampirserien-Schwemme als Ablehnungsgrund anhören, die Deutschland aktuell überrollen würde. Im Januar erschien Oderbruch, im September startete Der Upir auf Joyn, aktuell gibt es eben Love Sucks bei ZDFneo, nächstes Jahr erscheint City of Blood bei Disney+. Da ertrinken wir ja richtig in deutschen Vampirserien zur Zeit. Davor gab es seit 2020 keine mehr, davor wiederum muss man bis ins Jahr 2011, um eine zu finden, und ansonsten haben wir noch je eine aus den 1990ern beziehungsweise 1980ern. Eine wahre Überflutung. Wieso und wie gerade Love Sucks diese scharfe Qualitätskontrolle zum Wohle der deutschen Zuschauerschaft überstanden hat, muss niemand nachvollziehen können.
Lahm und gedankenlos
Schon die ersten drei Minuten geben dem erfahrenen Zuschauer den wertvollen Hinweis an die Hand, seine Zeit vielleicht doch lieber anderweitig zu verplempern. Die Inszenierung gibt sich betont atmosphärisch, ist aber derart in die Länge gezogen, dass jegliche dadurch erhoffte Wirkung verpufft. Entsprechend langsam geht es dann auch weiter. Das träge Pacing alleine war den Machern aber wohl noch nicht genug, weshalb unnötige Zeitlupenmomente die ganze Sache weiter unnötig in die Länge ziehen. Dabei ist das Technische noch mit das Beste an Love Sucks.
Kirmesboxen ist ein dreckiges Geschäft. Wer auf dem Rummelplatz mit einem Kirmesboxer in den Ring steigt, dem ist nicht mehr zu helfen. Es ist alles so sehr gegen den Besucher manipuliert, dass sich eine Teilnahme schlicht nicht lohnt. Die fiesen Maschen sind aber nichts gegen das, was beim Kirmesboxen in Love Sucks abläuft. Dass eine Frau einen größeren und schwereren Mann mühelos mit einem Schlag durch die Luft fliegen lassen kann, ist uns in den letzten Jahren ja nun schon in genügend Filmen und Serien eingeprügelt worden; auch hier bleibt wohl nichts anderes übrig, als diesen gefährlichen Unsinn einfach zu akzeptieren. Im Kampf schickt Zelda Ben danach aber noch mit einem wunderschönen Front-Kick erneut zu Boden. Der ist auch wirklich hervorragend, weshalb die Serie ihn zu recht mit Stolz gleich zweimal hintereinander zeigt, einmal davon in ausnahmsweise angebrachter Zeitlupe. Es ist ja nun aber leider so, dass Tritte beim Boxen verboten sind, selbst beim Kirmesboxen. Scheint keinen zu interessieren, weder intradiegetisch noch auf Macherseite. Einfach Kirmeskickboxen daraus zu machen ist wahrscheinlich niemandem eingefallen oder wäre wohl zu viel Aufwand gewesen. Über solche eklatanten Fehltritte (sehr gute Wortwahl in diesem Zusammenhang und schon witziger als alles in Love Sucks) machen sich sowieso nur irgendwelche kruden Filmkritiker Gedanken; die Fördergelder lassen sich so oder so einstreichen, also wozu extra anstrengen. Liebe zum Detail sieht anders aus, aber so etwas versendet sich eben.
Ohne Chance gegen dämliche Dialoge
Zu Beginn der zweiten Folge kämpft dieselbe Zelda, die Ben komplett vorgeführt hat, mit aller Kraft gegen eine Vampirin und ist dabei absolut chancenlos, kann letzten Endes nur durch die glückliche Fügung der örtlichen Gegebenheiten gewinnen. Was soll uns das sagen? Sind männliche Vampire schwächer als menschliche Frauen, weibliche Vampire aber deutlich stärker? Ist Ben einfach nur ein schwacher Vampir? War die Vampirin einfach nur besonders stark? Hat vielleicht einfach nur jemand narrative Konsistenz zugunsten von etwas anderem geopfert? Wer weiß.
Den Darstellern kann man es schwerlich zum Vorwurf machen, aber das Schauspiel ist teilweise schon nicht so schön anzuschauen. Das liegt vornehmlich am Drehbuch und der Regie. Solche Qualitätsdialoge so zu präsentieren, dass man sie sich auch anhören kann, ist eine ziemliche Herausforderung, an welcher auch ganz andere Kaliber scheitern würden:
Ben: „Eine Frau wie dich hab ich noch nie getroffen.“
Zelda: „… Okay? … Wie viele Frauen hast du denn schon getroffen?“
Ben: „Keine Ahnung, ich hab irgendwann aufgehört zu zählen.“
Zelda: „Aha.“
Abgesehen von solchen Rohrkrepierern ist das Schauspiel neben der Optik aber doch noch einer der Pluspunkte von Love Sucks. Die Serie richtet sich klar an ein jüngeres Publikum, wohl auch weil dieses weniger Vorwissen hat beziehungsweise schon modern geprägt ist und nichts Besseres erwarten kann. Alle acht Folgen sind in der ZDF-Mediathek verfügbar, ansonsten laufen die ersten drei am 31. Oktober um 20:15 Uhr auf ZDFneo, der Rest wird in zwei Blöcken am 1. beziehungsweise 2. November dort ausgestrahlt.
OT: „Love Sucks“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Andreas Prochaska, Lea Becker
Drehbuch: Marc O. Seng, Thorsten Wettcke, Julia Penner
Musik: Karwan Marouf
Kamera: Carmen Treichl, Julian Krubasik
Besetzung: Havana Joy Josephine Braun, Damian Hardung, Rick Okon, Stipe Erceg, Dennis Scheuermann, Anne Ratte-Polle, Lotte Engels, Edita Malovčić
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